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Geschrieben am

 

Ich lernte es im Bruchteil einer Sekunde

die sich in Ewigkeit streckte, weil seine Hand

wieder und wieder vom Lenkrad gelöst

in meinen Schoß schwebte. Weil mein Schrei

erst die Schallwände des Schreckens durchdringen musste

und die Zeit nicht reichte. Weil sein Blick

statt der Straße das stumme

Entsetzen meiner Lippen auflas. Weil der Aufprall

unsere Köpfe zurück ins Schweigen schleuderte

während Zeit am Unvermeidbaren zerrte.

 

Verstehst du? Ich sah ihren Körper

in der Luft verharren, wissend

dass nichts der Schwerkraft auf Dauer entflieht

aber mein Körper war Spielball zwischen

Beschleunigung und Widerstand.

Er zog seine Hand erst weg nachdem

sein Fuß schon durch die Bremse hindurch den

heißen Asphalt erahnen musste. Die Bewegung

eine Entschuldigung an Niemand

wie alles zu spät. Dann ruckte mein Kopf

unsanft zurück in irgendjemandes Realität.

 

Willkür heißt nicht mehr als den Zufall

in unvermeidbares Schicksall zu stürzen

und den Lippen ein überraschtes -Oh- zu entlocken.

Als ihr Körper den Boden erreichte

verebbte das Kreischen der Reifen dann krachte

das Fahrrad vier Meter weiter aufs Pflaster.

 

Im Bruchteil einer Sekunde war Lähmung

am Boden zerschmettert. Stille

die jede Zeit verleugnete

als er mir befahl zu gehen und ich ahnte

dass es nur um ihn ging weil hier keine Lüge

meinem Zittern standgehalten hätte.

 

  • Traurig 5
  • wow... 1
Geschrieben

Hallo Lichtsammlerin,
ein bedrückendes Szenario hast Du hier eindringlich in Bildern erfasst.
Konstruktiv könnte ich auf den Fahrradunfall am Ende verzichten, weil die unsittliche Berührung und der Autounfall schon genügend inhaltliche Dramatik beinhalten. Aber vielleicht bin ich auch zu sehr in der realen Bildebene hängen geblieben.
LG
Perry

  • Danke 1
  • in Love 1
Geschrieben

Hallo Perry,

 

danke für die Rückmeldung!

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich dich ganz richtig verstehe - der Fahrradunfall am Ende könnte ausgelassen werden?

Mmh.. Also der Autounfall und der Fahrradunfall sind derselbe - das Auto erfasst eine Radfahrerin. Der erlebte Aufprall ist im Auto natürlich kaum wahrnehmbar, für die Radfahrerin dagegen enorm. Lediglich das abrupte Bremsen führt zu diesem gefühlten Aufprall im Auto. Es gibt also diese beiden Bildebenen, die Empfundene des LIs im Auto, und die Beobachtete außerhalb, also das Geschehen im Ganzen.

Oder meist du einfach, diese zweite Bildebene in der Erzählung rauszulassen, weil das Geschehen schon zuvor deutlich wurde?

 

Ja, Dramatik ist sicher genügend drin.. und die Bildebene ist ja durchaus eine reale, der schwer zu entweichen ist.

 

 Werde mir das Gedicht noch mal vornehmen.

Danke dir!

 

Liebe Grüße Lichtsammlerin

Geschrieben (bearbeitet)

Liebe Lichtsammlerin,

 

deine Zeilen machen betroffen. Es ist eine Ungeheuerlichkeit, was sich manche Typen herausnehmen.Mir geht der Hut hoch....Man sollte schon in den Schulen Kampfsport lehren, Karate, Kung Fu, Aikodo.....dann könnten Frauen lernen, sich selbst zu verteidigen und könnten solch einem Gesoxe zeigen, wo der Hammer hängt...Ich weiss, aus dem Bekanntenkreis, wurde eine Frau auf ähnliche Weise angemacht, aber die konnte Karate... 

 

Liebe Grüsse in deinen Tag

anais

  • Danke 1
Geschrieben

Liebe anais,

 

"Ungeheuerlichkeit" - sehr treffend, ja.

Kampfsport an Schulen finde ich als Idee super, ob es in der Praxis viel ändert weiß ich allerdings nicht. LI konnte selbst Kampfsport und konnte die Situation trotzdem nicht ändern. Jede Situation ist anders, so viele Faktoren treffen zusammen.. trotzdem kann Kampfsport nie schaden!

Schlimm an diesem Beispiel ist natürlich auch, dass die Übergriffigkeit nicht nur zum Schaden von LI wurde, sondern dadurch auch eine unbeteiligte Radfahrerin angefahren wurde.

vor einer Stunde schrieb anais:

Mir geht der Hut hoch....

DANKE. Also.. es tut irgendwie gut, wenn nicht nur mir dabei der Hut hochgeht, sondern die Wut auch bei anderen zündet.

Und für deine Worte..

 

Liebe Grüße Lichtsammlerin

 

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Lieber gummibaum,

 

auch dir lieben Dank!

Ja, die Wegweisung vom Unfallort verschärfte hier die Gefühle des LIs. Weil LI erst dadurch richtig bewusst wurde, dass das Verhalten des Fahrers sexuell übergriffig und alles andere als in Ordnung war! LI wegzuschicken, weil dessen Aussage für den Fahrer unschön geworden wäre, macht das umso mehr deutlich. Und lud dem LI zugleich eine Menge Schuldgefühle auf.

 

Liebe Grüße Lichtsammlerin

  • Gefällt mir 1
Geschrieben

Hallo Lichtsammlerin,
ich meinte, dass die Einbeziehung des Unfalls mit der Radfahrerin, den Vorgang der Belästigung unnötig verblassen lässt. Andererseit lässt er aber auch den Schluss zu, kann ein Verhängnis ein anderes verdrängen.
LG
Perry

  • Gefällt mir 1
Geschrieben

Liebe @Lichtsammlerin - Deine Worte haben oft so eine Kraft, eine Intensität, dass man meint, direkter Zuseher zu sein. Was in diesem Fall zu fast körperlichem und vor allem auch seelischem Mitgefühl und dadurch zu einer Auseinandersetzung mit der Situation führt. Mehr darf man von geschriebenen Zeilen wohl nie erwarten.

Explizit gehe ich dabei jetzt nicht auf den inhaltlichen Teil deiner Schilderung ein, sondern auf die exakte Wortwahl, die Stärke der Aussage, das Erreichen des Lesers und vor allem das so gekonnt vermittelte Gefühl, Teil der Szene zu sein. Das ist Perfektion, die deinem Innersten entströmt; mitzunehmen, anzunehmen, sodass man sich der geschilderten Szene einfach nicht entziehen kann. Auch wenn man es wollte.

Irgendwann geraten viele Frauen in diese Situation, wo eine männliche Hand dort landet, die den Raum der Grenze des natürlichen Tabus gehörig ist. Wenn es in jungen Jahren passiert, ist man diesen Übergriffen oft hilflos ausgeliefert, weil man in irgendeiner Abhängigkeit zu dieser Person steht oder Nachteile befürchtet. Die oft gar nicht zu Unrecht angedacht sind.

Je älter man wird, desto wehrhafter, klarer und der Dissonanz entgegentretend, geht man seinen Weg. Zumindest geht es mir so.

Es ist wunderbar, dass du schreibst, wie du schreibst und worüber du schreibst. Solche Zeilen wie heute sollten viel mehr Menschen erreichen als nur in diesem Forum. Denn sie wären Ansporn und gäben dem Gefühl, mit einem Problem alleine zu sein, keine Nahrung mehr. Denn dann sieht man es, dann liest man es.

Dieser traurige Satz zum Schluss "

"als er mir befahl zu gehen und ich ahnte

dass es nur um ihn ging weil hier keine Lüge

meinem Zittern standgehalten hätte"

beanspruchen so viel an Wut, Enttäuschung, Hoffnungslosigkeit, Aufgabe.

Alles in allem ein unglaublich gutes Werk liebe Lichtsammlerin.

Sonja

 

  • Danke 1
Geschrieben

Hallo Perry,

 

nun verstehe ich besser was du meinst, danke.

Der Punkt ist tatsächlich etwas heikel. Beide Ereignisse hängen untrennbar zusammen, aber weder das eine noch das andere reduziert die Bedeutungsschwere des anderen.

In diesem Fall vermag ich beide nicht zu trennen und es käme mir falsch vor, eines aus der Schilderung wegzulassen. Also wird es wohl so stehen bleiben.. vorerst.;-) Aber danke für diesen Input!

 

Liebe Grüße Lichtsammlerin

 

 

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Liebe Sonja,

 

vor 55 Minuten schrieb Sonja Pistracher:

Deine Worte haben oft so eine Kraft, eine Intensität, dass man meint, direkter Zuseher zu sein.

Wenn mir dies gelingt, ist mein Ziel erreicht.. Wenn Worte anderen Realitäten öffnen, sie zugänglich machen, dann wirken sie. Und was will ich mehr von Worten, als dass sie wirken?!

Auch wenn ich niemandem unangenehme Empfindungen bescheren möchte.. aber auch das ist Teil der Realität. Ich muss es wohl in Kauf nehmen.

vor einer Stunde schrieb Sonja Pistracher:

Das ist Perfektion, die deinem Innersten entströmt; mitzunehmen, anzunehmen, sodass man sich der geschilderten Szene einfach nicht entziehen kann.

Das lasse ich gerne so stehen und sage einfach DANKE. :smile:

 

Ja, leider erleben viel zu viele Frauen und Mädchen solche und ähnliche Übergriffe. Wo Grenzen überschritten werden, die, wie du richtig schreibst, sich erst mit den Jahren stärken. In meiner Vorstellung ist LI hier im Beginn der Pubertät und abhängig von der anderen Person. Aber das war nur meine Vorstellung beim Schreiben.

Darin birgt auch der Schluss eine weitere Wendung:

weil hier keine Lüge / meinem Zittern standgehalten hätte

LI hätte das Unfallgeschehen nicht von der Belästigung trennen können. Hätte nicht Lügen und dabei die Wahrheit über den Unfall erzählen können.. "weil hier keine Lüge".. öffnet aber auch die Möglichkeit, dass dies nicht der erste Übergriff war. Lediglich der erste, bei dem das Lügengerüst in Gefahr schien, zusammen zu brechen. Also wurde LI fort geschickt.

 

Ich hoffe, dass Worte noch etwas in anderen zu bewirken vermögen. Ob es nun nur die lieben Leute hier im Forum lesen, oder irgendwann einmal mehr.. wenn irgendwo auch nur ein Wort von mir irgendwas positives bewirkt, dann macht mich das schon unglaublich dankbar und glücklich!!!

Und wer weiß.. ich bin ja noch jung.. vielleicht veröffentliche ich ja irgendwann einmal ein Gedichtband mit Worten, die in der Welt und in den Menschen wirken wollen :saint:

Lieben Dank dir!

 

Liebe Grüße Lichtsammlerin

  • in Love 1
Geschrieben

Liebe Nina,

 

vielen Dank für deine Reflektion und dein Einfühlen!

Am 28.11.2020 um 01:18 schrieb Nina K.:

Ich hoffe, der fährt nie wieder Auto..

Ich fürchte diese Hoffnung bleibt unerfüllt.. Ja, manchen Menschen sollte sofort die Fahrerlaubnis entzogen werden, und nicht nur das, aber es kommt doch anders..

 

Am 28.11.2020 um 01:18 schrieb Nina K.:

Was am Ende so sehr betroffen macht ist, dass LI nichts für das Unfallopfer tun kann. Nur sehen, was passiert, nichts verhindern können... ... nicht helfen können, nichts sagen können.

Das trifft genau den Punkt. Was für LI am schlimmsten war, war diese riesige Ohnmacht. Nicht nur bzgl. des Übergriffs, sondern dabei auch die "Katastrophe" nahen zu sehen, zu schreien, das Unvermeidliche aufhalten zu wollten... und doch nur hilflos zusehen können, wie die Radfahrerin erfasst und durch die Luft geschleudert wird.

Dieses erstickende Gefühl nichts tun zu können, obwohl man die Situation schon nahen sieht.. Ohnmacht ist zermürbend, es zerreißt einen.

Und wie du schreibst - Handeln kann mit der Realität verbinden, und die Schuldgefühle verringern. Aber selbst nach dem Unfall wird LI fortgeschickt und bleibt so in einer vollkommenen Ohnmacht gefangen. Dieses Gefühl trägt sich durchs Gedicht und setzt sich darüber hinaus im LI fest.

 

Im Nachhinein, also rückblickend, sind Worte wohl das mächtigste Mittel gegen diese Ohnmacht. Und so nutzt LI sie.. und bringt so auch andere in irgendjemandes Realität..

Dankeschön!

 

Liebe Grüße Lichtsammlerin

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