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Ein Tannenbaum muss her


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Ein Tannenbaum muss her

 

 

„Nun komm endlich! Ich hab die Axt schon aus dem Keller geholt. Außerdem wird mir langsam warm in dicken Klamotten. Los jetzt, es ist fast Mitternacht. Die beste Zeit in den Wald zu gehen um uns einen schönen Baum zu schlagen.“ mahnt Alfred ungeduldig. „Ja doch, ich muss nur noch einmal zur Toilette und nur noch die Jacke anziehen. Weißt du denn wo meine Handschuhe und der Schal sind? Ich kann die nirgends finden.“ antwortet Julia gelassen und denkt bei sich: ´Immer diese Hetzerei, wir haben doch noch die ganze Nacht Zeit um die schönste Hallelujastaude zu finden.´

 

Bei den Kremers ist das anders herum. Alfred mag das Weihnachtsdedöns, während Julia sich eher dem Minimalismus verschrieben hat, was die Weihnachtsdeko angeht, Ganz nach dem Motto weniger ist mehr, oder noch besser – gar nicht.

Das kommt wohl daher, weil ihre Mutter eine Dekoqueen ist und Julia froh war dem Ganzen entfliehen zu können, als sie mit Alfred zusammen zog.

 

„Was ist denn nun. Kommst du mal endlich?!“ so langsam wird Alfred brummig. „Ja, da in ich doch,“ schmunzelt Julia ihren Liebsten an. Gestiefelt und gespornt baut sich Julia vor ihrem Freund auf und tut so als ob sie kein Wässerlein trüben könnte. Wie gut das er nicht ahnt, dass Julia ihn nur mit ihrer Bummelei aufziehen wollte. Dieser blickt wieder versöhnlicher drein und fragt den Dekokretin Julia, ob sie ihre Taschenlampe habe. „Ja, mein Lieber hab ich“.

Und schon stapfen die Beiden durch den knirschenden Schnee. Väterchen Frost gibt alles und zaubert aus dem Schnee eine prächtig knisternde Firnis, die wie tausende Brillanten im Schein der Taschenlampen glitzert. Die Kälte lässt den Atem als kleine Nebelgebilde sichtbar werden die ein wenig an den Rauch einer Zigarette erinnern, um sich geheimnisvoll in der Dunkelheit aufzulösen. Nach kurzer Zeit leuchten die Nasen der Beiden so leuchtend rot, dass sie dem legendären „Red Nose“ Rentier Konkurrenz machen könnten und das so ganz ohne Glühwein.

 

Weit ist es bis zu dem kleinen Wald nicht. Eigentlich ist es ja gar kein Wald, wo sie den Tannenbaum pflücken wollen, sondern ein WeihnachtsbaumAnbauFeld. Doch um dort hin zu gelangen müssen sie einen kleinen Hain durchqueren. Das Paar wohnt in einer Region, in der es viele solcher Tannenfelder gibt und wer etwas auf sich hält kauft keinen Baum, sondern klaut ihn sich. Später gibt man dann bei den geselligen Adventssonntagstreffen, die in dem Freundeskreis reihum gehen, seine Geschichte um den Baumklau zum besten.

Das ist eine sehr lustige und reichlich Glühwein geschwängerte Angelegenheit, auf die man sich das ganze Jahr über freut.

 

Dieses Mal findet das Adventstreffen bei Julia und Alfred statt. Also muss es der allerschönste Christbaum ever werden. Alfred war schon im Keller und hat die Kisten mit dem Adventskram parat gestellt, denn gleich morgen will er die Wohnung in ein Weihnachtswunderland verwandeln. Außer den Christbaumkugeln, Lametta ect. für den Baum werden noch jede Menge Engel, Räuchermännchen und Nussknacker verteilt. Das HighLight stellt die Krippe dar, in die natürlich erst an Hl.Abend das Jesuskind in die Wiege gelegt wird.

Für Julia ist es immer eine harte Prüfung wenn sie das vollendete Werk begutachten muss. Sie hat sich, wie jedes Jahr, vorgenommen mit ihrer Freundin derweil auf ShoppingTour zu gehen um somit ihrem Freund freie Bahn zu lassen.

 

Während die Beiden in friedlicher Eintracht nebeneinander im Schnee ihre Spuren hinterlassen, Alfred mit der Axt über den Schultern und in der anderen Hand die MacLight. Julia, die mit ihrer kleinen Funzel versucht den Weg zu erhellen bemerkt das Geräusch zuerst, das so gar nicht in den Wald gehört und stupst ihre bessere Hälfte an. Sie verharren wie eingefroren in der Bewegung und schauen sich verdutzt an. Keiner sagt etwas. Sie warten einen Moment ab und gehen dann knarzend weiter durch den fest gefrorenen Schnee. Nichts ist mehr zu hören. Nach ein paar Metern wagt es Julia die gespenstische Stille zu durchbrechen und flüstert was von … „habe Angst.“

„Keine Sorge mein Liebling, es wird nur ein Reh gewesen sein, das sich um unsere Anwesenheit hier gewundert hat.“ beruhigt er seine Freundin. „Der Förster war es ganz sicher nicht, der hätte uns was zugerufen. Außerdem liegt er zu dieser nachtschlafenden Zeit neben seiner Frau im warmen Bett.“ weiß Alfred. „Na gut, komm, wir wollen uns beeilen. Da vorn sind ja auch schon die Tannenbäume.“ Kaum das sie es ausgesprochen hat, sind da wieder so seltsames Töne. Reflexartig leuchtet Julia in die Richtung, aus der sie es hörte und sieht nur schemenhaft irgendetwas. Ein Reh war das nicht, die Augen des Tieres hätten reflektiert. Sie stupst Alfred aufgeregt an, doch der war mit Weihnachtsbaum gucken beschäftigt und hat nichts gesehen.

 

„Ach, was du nur hast. Das wird wieder irgendein Tier gewesen sein, das auf Nahrungssuche ist“ tut Alfred mit der Hand winkend Julias Bedenken ab. „Schau mal, was hältst du von dieser Tanne?“ lenkt er die ängstliche Julia ab. Diese beleuchtet den Baum von oben bis unten und meint das er krumm ist.

 

„Und diese?“ „Nee, das ist doch eine Blautanne. Die piekt fürchterlich und nadelt, kaum das die Adventszeit um ist.“ quengelt sie. „Dann guck endlich mal mit!“ entgegnet Alfred barscher als er es eigentlich wollte. Julia geht ihm langsam mit diesen ominösen Geräuschen und der Kritik an jedem Tännchen auf den Geist. „Ja, aber da war doch ...“ versucht Julia zu widersprechen. „Hör endlich mal auf damit!“ will Alfred befehlen und schreckt zusammen.

 

Ganz nah hinter ihnen ein Knacken! Beide schnellen herum. Außer mit Schnee beladener Bäume mit Eiszapfen, die sehr mystisch in der Nacht aussehen, ist da einfach NICHTS als Dunkelheit und nochmals Dunkelheit. Ratlos schauen sich die Beiden an. Sie haben das doch nicht geträumt! Das Paar schaut sich noch einmal absichernd um, doch Niemand ist da. Außer ihrer eigenen Spuren im Schnee zu sehen ist nichts zu sehen. Merkwürdig!!

 

„Los komm Julia, wir nehmen diese Nordmanntanne und hauen ab.“ Mittlerweile ist es Alfred auch nicht ganz geheuer, hier in der nächtlichen Landschaft. „Ja gut, beeil dich“. Julia ist erleichtert endlich weg zu kommen. Wer weiß, wer hier herumschleicht!

 

„Verflixt nochmal, leuchte den Stamm gescheit an. Ich sehe doch nicht´s!“ herrscht Alfred seine Freundin an. Diese zuckt zusammen und richtet den Lichtschein besser auf die Tanne. Er hat ja recht, umso schneller kommen sie von diesem unheimlichen Ort weg.

Es ist, als ob sich der Weihnachtsbaum sich nicht fällen lassen wolle. Alfred rinnt der Schweiß trotz der Kälte über die Stirn. „Vermaledeit, was soll das denn?!“ schimpft er vor sich hin. „Ich bin doch nicht zu blöd den Stamm durchzuschlagen.“ und schaut Julia ratlos an. „Einen Versuch noch, wenn es nicht klappt gehen wir ohne Baum nach Hause.“ meint Alfred und fühlt sich ein wenig in seiner Ehre gekränkt und holt zu einem kräftigen Schlag aus.

Krachend fliegt die Axt in den Stamm und endlich ist die widerspenstige Tanne erlegt und der Tannendieb liegt im Schnee. Er hatte nicht damit gerechnet, dass die Axt endlich durch das gefrorene Holz wemmst und ist mit demselben Schwung neben ihr in der weißen Pracht gelandet. Erleichtert und lachend schaut Julia zu ihm runter und mahnt ihn zur Eile. Sie will nur noch nach Hause.

 

Alfred rappelt sich wieder auf, gibt Julia die Axt und schleift den Baum hinter sich her. Das Tannenfeld haben sie schnell durchquert und sind wieder in dem kleinen Wald angekommen. Doch Meter für Meter, den sie auf dem Nachhauseweg sind wird der Christbaum immer schwerer. Zunächst sagt Alfred nichts, da er der Meinung ist, dass das Fällen doch arg kräftezehrend war. Aber dann beschleicht in so ein merkwürdiges Gefühl, so, als ob zusätzliches Gewicht auf dem Baum läge. Doch umschauen mag er sich nicht, weil er weiß, dass es nicht sein kann. Er bekommt auch langsam Schiss. Doch das kann er Julia gegenüber nicht zugeben.

 

Da, schon wieder dieses Geräusch. Lauter als zuvor. Das Paar guckt sich verzweifelt an und die Köpfe schnellen herum. Nichts! Die Laute kamen doch direkt hinter ihnen her. Wieso sehen sie denn nichts. Der Lichtschein reicht viele Meter weit.. Man müsste den Verursacher sehen können. Einzig der einsetzende Schneefall ist in dem Lichtkegel zu sehen. Unter normalen Umständen ein romantischer Moment sich die tanzenden Flöckchen in der sternenklaren Nacht zu betrachten, doch so denken sie nur ans nach Hause kommen und das so schnell wie möglich! Als hätten sie sich abgesprochen lässt Alfred den Tannenbaum fallen und sie rennen aus dem Wäldchen heraus. Atemlos kommen sie in ihrem warmen Heim an. Erschöpft gehen beide zu Bett und verbringen eine unruhige von Albträumen geplagte Nacht.

 

Beim Frühstück beschließt das Paar nachmittags zum Weihnachtsmarkt zu gehen, um sich ihren Tannenbaum ganz ordentlich wie alle Anderen auch zu kaufen.

 

Je länger sie drüber nachdenken steht für Julia und Alfred fest, dass es der Geist der Weihnacht gewesen sein muss der an ihr Gewissen appelliert hat. Kaufen statt klauen! Auch wenn es in ihrer Region ein Volkssport ist sich auf diese Art und Weise einen Christbaum zu besorgen.

 

Für sie steht fest, dass die Geschichte um den versuchten Tannenklau nicht zu toppen ist, obwohl noch drei Paare an der Reihe sind ihre Geschichten um den Klau der Hallelujastaude zu erzählen.

 

 

© Sternwanderer

 

 

 

Ich wünschen dem Forum eine friedliche und besinnliche Adventszeit!

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Liebe @Sternwandererin! Jetzt habe ich schon selbst mitgezittert, wer denn da auf dem Tannenbaum sitzen möge, weil er immer schwerer geworden ist. Schade um die umgeschnittene Tanne oder vielleicht hat ihn ja ein Waldgnom wieder an seinen Platz zurückgebracht.

Die Zeiten des Baumklaus sind  - glaube ich - schon lange vorbei. In meiner Kindheit hat man das vielleicht noch gemacht. Meist ist dann eine windschiefe und nadelarme Fichte im Wohnzimmer gestanden, die lediglich der Weihnachtsschmuck gerettet hat. Hauptsache groß war damals die Devise.

Jedenfalls wird mich der Gedanke um das geheimnisvolle Wesen jetzt länger nicht loslassen. Vor allem, wenn ich mit meinem Enkel morgen wieder durch den Wald streife. Wir machen ja jeden Tag eine 2-stündige Lockdown-Wanderung.

Eine wirklich schöne Geschichte und auch dir einen wunderschönen ersten Adventsonntag.

Sonja

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Hallo Sonja,

 

vielen Dank für das Lesen und Lob meiner Geschichte, was nicht selbstverständlich ist bei einem längeren Textwerk. 

 

Lange Zeit ist mein Mann in den Wald gegangen und hat die Bäume gezählt, hat quasi Inventur für den Waldbauern gemacht. Stellte er fest, dass eine Tanne zuviel war brachte er sie für unser Weihnachtsfest mit. Ob der Tannenfürst dahinter kam das ein Bäumchen fehlte ist unbekannt. 

Heute bringt mir mein Schwiegersohn höchst offiziell das trationsreiche Gewächs ins Haus.

 

 

Hallo @Gina  @anais @Melda-Sabine Fischer @Liz  @Kurt Knecht  @avalohabt Dank für euer Like.

 

LG Sternwanderer 

  

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Sehr spannend und passend zur Adventszeit geschrieben, @Sternwanderer. Es war mir, als hätte ich

im selbigen Wald neben den beiden Protagonisten gestanden. 

 

Ich für meinen Teil gehe 2 Tage vor dem Fest in den Keller zur Tiefkühltruhe und taue mir meinen
Tannenbaum aus dem Vorjahr wieder auf... mal schauen ob der nadelt 

 

Melda-Sabine

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Herzlichen Dank, liebe Melda.

 

Ich freue mich, dass ich dich gut unterhalten konnte.

 

 

Tannenbäume werden in der Tat in Kühlhäusern frisch gehalten, bevor sie an den Mann oder die Frau gebracht werden. Das ist notwendig, da sie Wochen vor dem Fest schon geschlagen werden.

Drum ist es ideal seinen Christbaum erst kurz vor dem Fest aus dem eigens dafür kultiviertem Feld zu holen, was ja auch kostengünstiger ist. Außerdem sieht man was sich da ins Haus holt, als bei den üblicherweise eingenetztem "Überraschungspaket".

 

Ich habe einmal ausprobiert einen meiner vielen Dekokränze bis zum nöchsten Jahr liegen zulassen, das Grün vergraute wohl ein wenig, nadelte aber nicht. Kurzerhand habe ich das graue Grün mittels Spray vergoldet und konnte ihn wieder verwenden. Das war aber eine einmalige Sache.

 

 

LG Sternwanderer

 

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