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Der Morgen war fürchterlich, die Nachwirkung der Schlaftabletten ließen mich nicht richtig in Schwung kommen. Selbst der Espresso verhalf mir nicht zu mehr Lebendigkeit. Dafür war ich plötzlich hellwach, als ich eine neue E-Mail von Li vorfand, die meinen Puls in Nullkommanichts auf zweihundert beschleunigte.

Lieber Ben,

danke, dass du dir die Zeit genommen hast zu antworten! Ich wollte dir nur noch mitteilen, dass ich es doch sehr schade finde, dass wir unser Pizzaessen auf unbestimmte Zeit verschieben müssen. Mir hat unser gemeinsamer Spaziergang so gut gefallen und ich würde, sofern du überhaupt Lust dazu hast, es gerne einmal wiederholen. Ich weiß, wie es ist, im Job so unter Druck zu stehen, dass man an nichts anderes mehr denken kann und sich jede Freizeit versagt. Aber manchmal sollte man sich einfach mal ein wenig Zeit nehmen, um den Akku wieder aufzuladen und auf andere Gedanken zu kommen. Vielleicht hast du ja Lust, dass wir einfach mal einen Caffé zusammen trinken gehen, wir könnten uns in deiner Mittagspause auf halber Strecke treffen. Ich kann das mit meiner Familie sicher einrichten. Ich würde mich jedenfalls sehr darüber freuen!

Liebe Grüße Li


Das war genau das Zeichen, worauf ich so sehnsüchtig gehofft hatte. Endlich ein klares Indiz, das eindeutig belegte, das sich hinter ihrem Interesse mehr als nur der Höflichkeit geschuldete Ambitionen verbargen und sie mich wirklich kennenlernen wollte.

Jetzt gab es keine Zeit mehr zu verlieren und ich ging sofort auf die Suche nach meinem Telefon. Es war zum Glück erst neun Uhr, ich hatte also noch genug Zeit, um für Bo etwas vorzubereiten, damit er um vierzehn Uhr mit seinen Aufgaben starten könnte. In dem Zeitraum von zwölf bis vierzehn Uhr bestünde dann die Möglichkeit, sich mit Li zu treffen. Nachmittags könnte ich dann wieder etwas für Bo vorbereiten und in den Abendstunden noch nachholen, was mittags liegen geblieben wäre. Es war doch immer wieder erstaunlich, dass zwischen am Boden zerstört und himmelhochjauchzend nur wenige Sekunden liegen konnten. Ich ärgerte mich, dass ich nicht selbst auf Li‘s Idee gekommen war, aber manchmal lässt man sich so einnehmen, dass einem die Sicht für Lösungswege versperrt bleibt.

Bevor ich ihre Nummer wählte, musste ich erst einmal wieder runterkommen. Ich hatte zu viele Dinge gleichzeitig im Kopf und musste meine Gedanken sortieren, bevor ich einfach drauf los plappere. Wie befanden uns in einem so sensiblen Stadium unserer Annäherung, das jedes falsche Wort verehrende Auswirkungen haben könnte. Nachdem sich mein Testosteronspiegel einigermaßen normalisierte, wurde mir klar, dass es doch das Beste wäre, auf ihre E-Mail zu antworten, anstatt sie anzurufen. Nur so konnte ich sicherstellen, dass meine Aussagen die richtigen Signale sendeten, ohne sie unter Druck oder Zugzwang zu setzten. Ich wollte forcieren, aber auch ganz vorsichtig dosieren.

Liebe Li,
ich habe mich riesig über deine Zeilen gefreut und ich gebe dir in allem Recht. Es ist wirklich mehr als Schade, dass ich dich ausgerechnet in einer Phase kennenlernen durfte, in der ich mich beruflich so wenig frei machen kann!
Umso mehr freue ich mich über deinen kreativen Einfall, der es uns ermöglicht, zumindest den persönlichen Kontakt aufrecht zu erhalten, damit er nicht ganz abreißt. Ich würde dich wirklich gerne näher kennenlernen, da mich deine sympathische Ausstrahlung sofort eingenommen hat. Heute passt es leider nicht, dafür ist der Vorlauf zu kurz.
Da ich glaube, dass ich als selbständiger etwas flexibler in der Gestaltung meiner Zeit bin als du mit dem Restaurant am Bein, würde ich vorschlagen wollen, dass du einen Ausweichtermin vorschlägst, den ich dann ganz sicher möglich machen werde.

 

Liebe Grüße Ben, der sich sehr darauf freut, dich wiedersehen

Lange ließ ich mir Zeit, um das geschrieben zu überdenken, ob ich die angemessenen Worte gefunden und ob es auch richtig war, die Gelegenheit, sie heute noch treffen zu können, einfach verstreichen zu lassen. Ich sehnte mich so sehr nach ihrer Anwesenheit, aber die sensible Situation mahnte mich zur Vorsicht, nichts zu überstürzen und den Hormonen nicht das Feld zu überlassen. Ich spürte, dass ich von Li weit mehr wollte als nur ein exotisches und amouröses Tête-à-Tête, das am Schluss nur für gebrochene Herzen sorgte.

Nachdem ich die E-Mail abgesendet und auch daran glaubte, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, bereitete ich mich langsam auf die Arbeit vor.
Das Frühstück Bestand aus einer Tasse Caffé und einer geknatschten Banane mit Haferflocken und Honig. Rosinen durften natürlich auch nicht fehlen, um den morgendlichen Genuss abzurunden. Mein Mund war übervoll, weil ich mal wieder nicht normal aß, um Zeit zu sparen, als das Telefone auf dem Küchentisch hüpfte. Li‘s Nummer blinkte mich an und so schlang ich schnell den Rest Essen im Mund herunter, spülte mit einem Schluck Caffé nach, bevor ich nervös das Gespräch annahm.

„Guten Morgen Li, wie geht es dir, ich freue mich, deine Stimme zu hören!“
„Guten Morgen Ben, ich freue mich auch sehr, dass ich dich jetzt persönlich erreiche. Ich wollte mich nur für dein E-Mail bedanken und dir sagen, dass ich es ganz wunderbar finde, wie rücksichtsvoll und zurückhaltend du dich mir gegenüber verhältst. Das habe ich in meinem Leben nur zu oft anders erlebt und es ist so wohltuend zu erfahren, dass es noch Männer gibt, die sich zu benehmen wissen.“
Jedes Wort war eine einzige Wohltat und in deinem Tonfall erkannte ich, dass auch jedes Wort ernst gemeint war.

„Danke Li, es ist schön, dass du das so wahrnimmst. Es war mir auch wichtig, dich nicht zu bedrängen, sondern geduldig abzuwarten, ob du überhaupt Interesse daran hättest, mich näher kennenlernen zu wollen.“ „Das würde ich gerne Ben und wir brauchen auch nichts zu überstürzen, aber unser Date jetzt wochenlang vor uns herschieben, möchte ich auch nicht. Wenn ich es richtig einschätze, werden sich unsere privaten sowie die damit zusammenhängenden Arbeitsverhältnisse nicht so schnell ändern. Entweder finden wir jetzt Wege, um unsere Freundschaft zu pflegen, oder wir werden sie nie finden!“

Nachdem du den Satz beendetest, herrschte Schweigen und in meinem Kopf brach ein kurzzeitiges Durcheinander aus. Du sprachst die Wahrheit und als du nachfragtest „Ben, bist du noch dran?“ Fragte ich nur „Wie, wäre es heute Mittag mit Pizza Li?“
„Du weißt die richtigen Fragen zur richtigen Zeit zu stellen Ben. Wann und wo?“
„Wie wäre es mit zwölf Uhr, ich hole dich ab!“ „Ein bisschen früh für Pizza, aber besondere Umstände bedürfen besonderer Maßnahmen, ich freu mich darauf Ben! Dann bis gleich.“ Und nachdem du auflegtest, glaubte ich kurz, dass die Dutzenden
von Schmetterlingen in meinem Bauch mich über den Boden schweben ließen.

Beschwingt ging ich das Tagwerk an, um so viel wie möglich vorzubereiten. Ich hatte nur noch etwas mehr als eine Stunde Zeit, bis ich losmusste. Das war eigentlich zu knapp, um ein wirklich sinnvolles Arbeitspaket für Bo zu schnüren. Deshalb schwenkte ich kurzerhand um und schrieb Bo eine E-Mail:

Hallo Bo,
bei mir wird es heute knapp mir der Vorbereitung, von daher würde es heute mehr Sinn machen, dass du den aktuellen Projektstand genauestens auf Fehler überprüfst. Schreib bitte alles auf, was dir auffällt, damit wir das am späten Nachmittag besprechen und bei Bedarf korrigieren. Morgen können wir dann auf einem sauberen Stand anfangen, weiter auszuarbeiten!


Ich schaffte es gerade noch pünktlich loszufahren und da der Verkehr um diese Uhrzeit beruhigt dahinfloss, kam ich auf die Sekunde pünktlich am Restaurant an.
Du standst schon davor und noch in der Bewegung erkannte ich, wie hinreißend du ausschautest. Als ich ausstieg, hatte ich Zeit, dich kurz genauer in Augenschein zu nehmen, ohne dass du mich bemerktest, da du in eine etwas andere Richtung schautest.

Ein schlichtes schwarzes Kleid, das durch einen breiten Gürtel deine Taille betonte. Das Kleid war knielang geschnitten, aber diesmal ohne Beinausschnitt. Eine schwarze Strumpfhose bedeckte deine Beine, die zu meiner Überraschung dann in schwarzen Sneakern endeten. Dein Haar trugst du diesmal offen. Ein ebenfalls schwarzer Stirnreif hielt deine Haare zurück, damit sie nicht ins Gesicht fielen, mit kleinen Spangen, die man in deinem schwarzen Haar kaum wahrnahm, brachtest du Form in die Seiten, während sich die Haarpracht auf deinem Rücken fächerförmig entfaltete. Insgesamt verlieh dir dieser Look ein Mädchenhafte Ausstrahlung.

„Hallo Li.“ Und du erschrakst etwas, weil du mich in der Geräuschkulisse um dich herum nicht kommen hörtest. “Hallo Ben, jetzt hast du mich aber erschreckt!“
„Entschuldige Li, das war nicht absichtlich. Du siehst hinreißend aus, wenn ich das so unverblümt sagen darf!“ „Darfst du, und es freut mich, dass dir diese schlichte Aufmachung gefällt. Ich versuche mich gerne etwas Jünger erscheinen zu lassen, als ich mich fühle. Die Eitelkeit muss halt bedient werden!“

„Diesen Eindruck machst du nun gar nicht auf mich Li. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass dir bisher entgangen ist, wie du auf Männer wirkst und trotzdem erkenne ich nicht die Spur eines Verhaltens, dass manche gut aussehenden Damen an den Tag legen, die sich bei Weitem nicht mit dir messen können.“ „Das ist ein sehr schönes Kompliment Ben, wenn ich auch der Meinung bin, dass es wesentlich hübschere Asiatinnen gibt als mich“ „Nun, mir ist noch keine über den Weg gelaufen!“ Gab ich ehrlich zu und auf deinen Wangen zeigte sich ein rosa Schimmer der Verlegenheit, dass du mit einem verspielten „Du Charmeur!“ Zu überdecken versuchtest. Die Geste war so liebreizend, dass ich wie ein Schneemann im Hochsommer dahinschmolz und um die Situation zu entspannen fragte ich schnell „Wollen wir dann Li, mein Frühstück war dürftig und der Tag wird lang, wenn er auch nicht schöner hätte beginnen können!“

 


 

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  • Schön 3
Geschrieben

Jetzt kann man ja so richtig durchatmen.  Einfach schön und in einer Phase der Hoffnung,  Verliebtheit,  tiefem Gefühl.  

vor 39 Minuten schrieb Freiform:

Wie befanden uns in einem so sensiblen Stadium unserer Annäherung, das jedes falsche Wort verehrende Auswirkungen haben könnte.

An diesem Satz alleine kann man schon die fiebrige Aufgeregtheit miterleben.  "verehrende Auswirkung" sagt doch alles!!! :gruebeln_yellow:

Freut mich sehr,  dass die Situation Fahrt aufnimmt.  

LG Sonja 

  • Schön 1
Geschrieben

Moin, lieber Freiform

Auch Teil 11 von eine „Blume Asiens“ ist wieder sehr gefühlsvoll und voller Emotionen geschrieben.

Die Untermalung mit den asiatischen Klängen wieder sehr gelungen.

Gerne gelesen

LG Josina

  • Schön 1
Geschrieben
vor 4 Stunden schrieb Freiform:

Selbst der Espresso verhalf mir nicht zu mehr Lebendigkeit. Dafür war ich plötzlich hellwach, als ich eine neue E-Mail von Li vorfand, die meinen Puls in Nullkommanichts auf zweihundert beschleunigte.

Lieber Freiform, welch wunderbarer Ausdruck und wie viel Leben in den Worten. Ich habe gleich diese Stelle als Zitat ausgewählt, weil mich Deine Art zu schreiben von Anfang an fasziniert. Ich kann mir dank Deiner Beschreibung gut vorstellen, wie Ben sich fühlt. Ich finde es spannend zu lesen, wie sich hier zwei Menschen annähern.

 

Leider habe ich die Geschichte nicht von Anfang an verfolgen können. Das möchte ich gern nachholen. Wie kann ich die einzelnen Teile im Forum aufrufen? 

 

Sei gegrüßt von mir, Darkjuls

 

 

  • Schön 1
Geschrieben

Hallo Gina,

vor 12 Stunden schrieb Gina:

du kannst die Geschichte unendlich ausdehnen, ich bin immer dabei.

das ist sicher eine Geschichte, die man auch nach ihrem Ende weiterführen könnte. Allerdings müsst man dann eine neue Story entwickeln. Ich bin erst einmal happy, das du noch mit an Board bist und das wir und auf de Ziellinie befinden. Nicht das ich meine Frau noch aus versehen mit Li ansprechen...:whistling: Wird also zeit die Geschichte aus dem Kopf zu kriegen.

 

Dankeschön! :smile:

Hallo Sonja,

vor 12 Stunden schrieb Sonja Pistracher:

Freut mich sehr,  dass die Situation Fahrt aufnimmt.  

das sehe ich auch so, ich habe euch lang genug schmoren lassen, umso mehr freu ich mich, das du noch teilnimmst!

 

Dankeschön ! :smile:

 

Moin Josina,

vor 8 Stunden schrieb Josina:

Die Untermalung mit den asiatischen Klängen wieder sehr gelungen.

freu mich riesig, das du dir jede Improvisation angehört hast. Zu diesen Klängen muss man ja erst einmal Zugang finden. Gestern habe ich die letzte Improvisation fertig gestellt und bin froh, das ich jetzt auch zu einem Ende gekommen bin. Hätte ich am Anfang gewusst, wie lang die Geschichte wird, hätte ich mir wahrscheinlich dreimal überlegt, ob ich wirklich zu jedem Teil Klänge beisteuere. Für mich war es auch eine neue Erfahrung die mir viel spaß aber auch viel abgefordert hat. 

 

Dankeschön! :smile:

 

Hallo Darkjuls,

freue mich sehr, dich unter meiner Geschichte begrüßen zu dürfen :blume:

vor 8 Stunden schrieb Darkjuls:

Das möchte ich gern nachholen.

Dann solltest du die noch kommenden Teile am besten nicht lesen. Da hast du aber etwas vor dir, ist ja doch nicht wenig Stoff für eine Kurzgeschichte geworden.

vor 8 Stunden schrieb Darkjuls:

Wie kann ich die einzelnen Teile im Forum aufrufen? 

Da gibt es wohl mehrere Möglichkeiten, das erscheint mir die komfortabelste  zu sein, am 27.12.20 ging es los.
https://poeten.de/profil/2305-freiform/inhalt/?type=forums_topic&change_section=1

Dankeschön ! :smile:
 

Einen großen und herzlichen Dank an alle Leser und Zuhörer und ich kann nur hoffen, das ihr noch dabei bleibt, um die Geschichte zu einem Ende zu führen. Daswürde mich sehr freuen!
 

Dankeschön ! :smile:
@Gina@Sonja Pistracher@Josina@Darkjuls@Melda-Sabine Fischer

 

Grüßend Freiform

 

 

 

 

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