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Geschrieben am

Löwenmut

(August 2019 - Mai 2020)

 

Ich versorge mich jetzt selbst.

Mein Überlebenskampf ist

uns beiden vielleicht ungemütlich

Doch ich bin ab heute ehrlich,

abgebrüht und unverwüstlich,

Hab mein Schutzschild zurecht gerückt

und dir mit meiner Wahrheit

den ach so reinen Tisch geschmückt.

 

Liebe Mama,

es tut mir leid, dass ich dir den Appetit

aufs Leben verdorben habe.

Ich esse deine Portion Pfannkuchen

wieder für dich auf.

Die Geschmacksnerven werden getränkt

In Schokosoße und Schuldgefühl

Und so wie du mich

damals auch -

trage ich dich

in meinem Bauch

 

Ganz egal was ich dabei wiege

auf deiner Goldwaage

Ist es immer zu viel

Doch deine Leere kann ich nie füllen

Auch wenn ich das als Tochter will

 

Deshalb sage ich dir jetzt

was du tief in dir schon weißt:

Das ist unser letztes Treffen

Und auch unser Band, das reißt

 

Seither kommen deine Worte

nur noch in schlanken Zeilen

Zum Geburtstag mit der Post

Ein Geschenk, das ich zu meinem Glück

nicht mehr öffnen muss.

In meinem Leben fehlst du nicht.

Meine Wut wird endlich spürbar!

Bin mir selber etwas wert,

Denn dein Hass und deine Krankheit

haben mich nicht gut genährt.

 

Deshalb geh' ich meinen Weg

Mein Körper will entgiftet sein,

Kopf hoch, Rücken gerade, Bauch rein,

Wenn du noch auf der Welt sein kannst,

dann darf ich hier auch sein!

 

Unser Dialog ist im Augenblick

nur ein psychogener Sidekick,

Und ob ich immernoch hungrig bin?

Ja. Der Hunger wütet wie ein Drache

Aber das ist alleine meine Sache,

weil ich nur mir selbst gehöre

du kotzt mich an, wie Magensäure

Brennst in meiner Speiseröhre

Deine messerscharfen Worte

Sie bleiben mir im Hals stecken,

Weil ich sie nie wieder schlucken will

Doch deutlich sie noch denken kann.

Wann hört dieser Hunger auf?

Und wie fang ich zu Leben an?

 

Mutter, manchmal wünschte ich,

du könntest mich jetzt sehen

Denn du hast damals unter Wehen

Mich als dein erstes Kind geboren

Und ich bin gegen deinen Willen

Lebendig und so groß geworden;

Stets gekämpft, um dich zu kriegen

Und bereits in frühen Jahren

echten Löwenmut bewiesen.

 

Für den Rest meines Lebens

führe ich jetzt die Regie

In erwachsener Besetzung

kannten wir uns leider nie;

Aber ich erinner mich

und ich halte dich hier drin

Wenn mein Leben

dein Geschenk war,

Frag' mich nicht mehr

nach dem Sinn

 

Du bist meine leibliche Mutter

Endlich sehe ich dich klar

Für Liebe hat es nicht gereicht

und trotzdem bin ich da

 

Ich bin ich, hier und jetzt

Will nicht mehr, dass du die Macht hast

Stehe entschlossen wieder auf

für jedes Mal,

wenn du nur lachst

Krass -

Diese Kraft, kommt nur aus mir

Und sagt ganz laut:

Los, trau dich, mach was!

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Geschrieben

Hallo Anna,

 

da stoße ich doch sogleich auf diese geballte LebensWut. Noch aus deinem letzten Kommentar waren mir die Gefühle gerade sehr präsent und nun spüre ich sie wirklich hin jeder Faser.

Aber diese Wut ist hier Lebens-spendend, lebensnotwendig für LI. Es hat so viel Schmerz und Enttäuschung in sich angehäuft, über zu lange Zeit. Das erscheint mir wie ein Befreiungsschlag.

Beinahe zynisch klingt da die Anrede zu Beginn - "Liebe Mama". Aber so ein Wort - Mama - hat in sich eine gewisse Zynik, wenn die Erwartungshaltung, die wir mit diesem Wort verknüpfen, nie erfüllt wurde. Wie kann man die Person dann nennen?

vor 1 Stunde schrieb Geschichtenerzählerknopf:

es tut mir leid, dass ich dir den Appetit

aufs Leben verdorben habe.

Ich esse deine Portion Pfannkuchen

wieder für dich auf.

Die Geschmacksnerven werden getränkt

In Schokosoße und Schuldgefühl

Diese Strophe ist derart bildlich, dass ich sie förmlich schmecken kann.

Und ja, das hat einen bitteren Nachgeschmack. Diese heile Welt, dieser "ach so reine Tisch" ist Farce, weil dieser Mensch nicht fähig ist das eigene Versagen zu begreifen und es lieber anderen - der Tochter - aufbürdet. Und Kinder nehmen sie auf. Nehmen alles in sich auf... tragen, wie du ebenfalls so bildlich schreibst, die Mutter im eigenen Bauch. Um sie vor allem zu schützen, vor der Welt da draußen.. wo es doch umgekehrt sein sollte!

 

vor 1 Stunde schrieb Geschichtenerzählerknopf:

Und ob ich immernoch hungrig bin?

Ja. Der Hunger wütet wie ein Drache.

Ich vermute mit dem Hunger ist hier der Hunger nach der Lieber der Mutter, oder nach Wertschätzung allgemein gemeint. Und Kinder kämpfen mit einem Löwenmut darum, von den Eltern geliebt zu werden.. sie wissen nicht, dass dies manchmal leider vergebens ist und alle Mühen auf Stahl treffen.

 

Letztlich aber hat LI eine unbändige Kraft in sich, die es schon immer hatte, nun aber anders kanalisieren kann. Anstatt sie zu "verschwenden", nutzt es diese um aufzustehen, sich freizukämpfen. Mit aller Entschlossenheit. Die sicher immer mal wieder wanken wird, aber stark genug sein dürfte um standzuhalten.

Sehr bewegende Worte hast du da gefunden.

 

Liebe Grüße Lichtsammlerin

  • Danke 1
Geschrieben

Moin, liebe Anna

Eine sicher längst fällige Abrechnung mit der Mutter! Sie muss dem Li viel Schmerz zu gefügt haben. Es war sicher richtig, dass das Li gegangen ist und damit verhindert hat das die Mutter ihr noch mehr Schmerz zufügen wird.

Damit hat es in erster Linie sich selbst geschützt. Doch auch die Mutter vor sich selbst. Damit sie nicht noch mehr Unheil anstiften kann.

Doch sollte man die Tür wirklich ganz zuschlagen?

Das kann nur das Li selbst wissen!

Deine Gedanken haben mich sehr berührt!

HG Josina

 

 

  • Danke 1
Geschrieben

Ihr Lieben, 
ein herzliches Dankeschön, dass ihr meinen ersten Beitrag gelesen und eure Gedanken geteilt habt. 

Ich habe hier eine sehr wohlwollende Menschengruppe gefunden! Das gefällt mir sehr.

 

Am 16.1.2021 um 20:37 schrieb Lichtsammlerin:

Beinahe zynisch klingt da die Anrede zu Beginn - "Liebe Mama". Aber so ein Wort - Mama - hat in sich eine gewisse Zynik, wenn die Erwartungshaltung, die wir mit diesem Wort verknüpfen, nie erfüllt wurde. Wie kann man die Person dann nennen?

Du hast völlig Recht, Lichtsammlerin, es bleibt hier auch nur ein geschriebenes Wort, weil es dem LI bei dem Wort Mama oft die Sprache verschlägt und die Ohnmacht den Hals umschlingt, wie ein zu enger Schal. Was kann man sagen, nach Jahrzehnten der Sprachlosigkeit? Es bleibt uns nur, das Wort für uns selbst neu zu definieren.

Ich danke Dir für Deine Worte und Anteilnahme.

Am 16.1.2021 um 20:37 schrieb Lichtsammlerin:

Letztlich aber hat LI eine unbändige Kraft in sich, die es schon immer hatte, nun aber anders kanalisieren kann. Anstatt sie zu "verschwenden", nutzt es diese um aufzustehen, sich freizukämpfen. Mit aller Entschlossenheit.

LI hat in diesem Gedicht verstanden, welche (Über-)Lebenskraft in Wut steckt. Und wie Wut sich in Mut verwandeln kann, wenn sie nicht mehr gegen sich selbst gerichtet wird.

 

Am 16.1.2021 um 21:14 schrieb Josina:

Doch sollte man die Tür wirklich ganz zuschlagen?

Das kann nur das Li selbst wissen!

Deine Gedanken haben mich sehr berührt!

Danke auch für deine Rückmeldung, Josina!
Die Tür ist sicher nicht zu, das zeigt die Briefform. Und dennoch ist es wichtig für LI die eigene Wahrheit, die eigene Kraft der Selbsterhaltung zu spüren. Es braucht hier wohl eine klare Abgrenzung zur Mutter, um ihr in Zukunft möglicherweise neu, als erwachsene Frau von heute zu begegnen. 

 

Am 16.1.2021 um 21:25 schrieb Bote_n_stoff:

Viel Verarbeitung.

Ja, das war es und ist es noch. Vielen Dank für deine Reaktion! 

Beste Grüße

Geschichtenerzählerknopf

Anna

  • Schön 1

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