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Begleitetes Waschen (oder: Im Schleudergang)

 

   "Sieh doch mal nach der Waschmaschine!" rief meine Frau aus der Küche, als ihre Hände gerade im Kuchenteig steckten. Seit ich in Kurzarbeit war, saß ich wegen der Pandemie natürlich meistens auf dem Sofa herum. Ich war nicht grundsätzlich dagegen, mich an der Hausarbeit zu beteiligen. Mir fehlte nur die Übung. Kurz musste ich überlegen, wo unsere Waschmaschine überhaupt stand. Ich fand sie im Hauswirtschaftsraum. Erst als ich vor ihr stand, fiel mir auf, dass ich mit der Aufforderung "Sieh doch mal nach der Waschmaschine" nicht wirklich etwas anfangen konnte. Ich stand also davor und guckte sie an. Ihr Bullauge guckte zurück. Sie war zu, Wäsche lag darin, Leuchtanzeigen blinkten, ansonsten gab es nichts Auffälliges.

   Ich ging wieder ins Wohnzimmer und griff zur Zeitung. Meine Frau: "Und? Wie weit ist sie?" "Sie blinkt und es bewegt sich nichts", antwortete ich. "Na, ist sie fertig? Muss sie noch schleudern?", insistierte meine Frau. "Keine Ahnung, ich kenne sie ja nicht so gut", musste ich einräumen und ich dachte mir schon, was jetzt kommen würde. "Herrgott nochmal, muss ich denn alles alleine machen? Kannst du nicht einmal die einfachsten Aufträge ausführen?", brach es über mich herein.

   Das wollte ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich kam mit meinem Auto zurecht, da würde ich auch die Waschmaschine beherrschen können, dachte ich mir. Ich suchte die Bedienungsanleitung heraus, die kaum kürzer war als die meines Autos, und vertiefte mich in sie. Am nächsten Morgen sagte ich zu meiner Frau: "Schatz, du hast recht, ich will mich stärker an der Hausarbeit beteiligen. Ab heute werde ich die Wäsche machen." Meine Frau war verblüfft, aber stimmte zu, als ich ihr erklärte, dass ich mich mit der Bedienung der Waschmaschine vertraut gemacht hatte.

   Ich fing mit einer Buntwäsche bei 60° an. Angesichts meiner fehlenden Erfahrung zog ich so etwas wie ein begleitetes Waschen vor. Einerseits wollte ich die Maschine kontrollieren und andererseits sofort eingreifen können, wenn etwas schiefläuft. Ich holte mir also einen Campingstuhl und setzte mich vor das Bullauge. Weil die Maschine auf einem Podest stand, lag es in Augenhöhe und ich konnte ohne Mühe hineinblicken. Und los ging es. Das war doch mal eine Abwechslung im Lockdown! Drehung links, Drehung rechts, Wasser rein, Drehung links, Drehung rechts, ... . Als ich bemerkte, dass das Öko-Programm mehr als drei Stunden dauern sollte, holte ich mir schnell noch ein Bier und ein paar Kekse.

   Offenbar hatten die Geräusche und die Bewegung der Maschine eine Art meditative Wirkung auf mich. Ich geriet nach einer Weile in einen Zustand der geistigen Abwesenheit. Ich starrte in das Bullauge, aber meine Gedanken entfernten sich immer weiter von der Realität. Wie im Traum kamen mir zurück liegende Begebenheiten in den Sinn, seltsamerweise nur solche, über die ich mich geärgert hatte.

   Da war zum Beispiel mein Chef, der mich eine Minute vor Feierabend abfing. Ich war schon fast zur Tür hinaus, als er mich zu einer kurzen Besprechung bat. Und dann gab es die Kollegen mit ihrer schleimenden Beflissenheit, die sich in dieser Besprechung profilieren wollten. Auch wenn schon alles besprochen war, mussten sie es unbedingt noch wiederholen, weil es ja noch nicht jeder gesagt hatte. Warum hatte ich damals nicht darauf bestanden, dass ich Feierabend hatte? Oder ich hätte einen dringenden Termin vorschützen sollen.

   Irgendwann kam ich nach Hause und beobachtete auf der Straße so einen Türsteher-Typ mit seinem frei laufenden bulligen Vierbeiner. Ich dachte, mal sehen, was der macht, wenn sein Köter auf den Gehweg kackt. Das machte der aber nicht und der Typ verschwand um die Ecke. Stattdessen kam mir eine alte, gebückte Frau mit einem hinterher trottenden Zwerg-Mischling entgegen. Sie sah sich nicht um, als ihr Hündchen sich mitten auf dem Weg entleerte, und schlurfte stoisch weiter. Warum sprach ich sie nicht an, dass sie den Haufen hätte aufnehmen müssen? Hätte ich mich bei dem Türsteher-Typ getraut?

   Ein anderes Mal traf ich vor der Tür eine immer ziemlich aufgetakelte Nachbarin. Die hatte es heraus, ihren schicken Kleinwagen meist so zu parken, dass sie zwei Parkplätze blockierte. Ich glaube nicht, dass sie es nicht besser konnte. Warum wies ich sie nicht auf ihre Rücksichtslosigkeit hin?

   Und dann im Supermarkt: Kaum hielt ich in einem eben noch leeren Gang vor einem Regal an, um mir in Ruhe die richtige Soße herauszusuchen, musste ausgerechnet in dem Moment ein dicker älterer Mann an genau dieses Regal. Seine Mund-Nase-Maske hing unterm Kinn und, ohne zu warten, drängelte er sich schwer atmend immer dichter an mich heran. Ich ging auf Abstand. Warum sagte ich ihm nicht gleich, wie unverschämt sein Verhalten war? Warum gab ich kommentarlos nach?

   Ich schreckte hoch. Das zuvor gleichmäßige Rauschen und Plätschern der Waschmaschine hatte sich in ein zunehmend lautes Brummen und Vibrieren verwandelt: der Schleudergang. Ich war noch etwas benommen, aber allmählich stellte sich ein Gefühl der Erholung und Läuterung ein. Die Restlaufzeit der Maschine wurde mit acht Minuten angezeigt. Danach öffnete ich sie, hängte die Wäsche auf und meldete mich bei meiner Frau von meiner Arbeit zurück. "Na, wie war 's?", fragte sie. "Alles bestens", antwortete ich, "ich mache das gerne wieder. Besonders der Schleudergang hat mir gefallen." "Du könntest ja auch mal anfangen zu bügeln?" meinte sie. "Ach, weißt du, nach mehr als drei Stunden beim Waschen bin ich doch etwas geschafft, vielleicht später einmal", versuchte ich abzuwiegeln und hoffte insgeheim auf ein baldiges Ende des Ausnahmezustands.

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