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Inkarnation

 

Schon wieder ist es passiert, mein Lebensfaden hat an einen menschlichen embryonalen Zellhaufen angedockt. Da hänge ich nun dran, ob ich will oder nicht. Noch bin ich in dieser dunklen, feuchten Enge, innerhalb des Menschen, der meine Mutter werden wird. Der Rhythmus ihres Herzschlages ist ein unentwegtes Geräusch, das die gesamte embryonale Entwicklung begleitet. Bald schlägt auch in meinem Zellhaufen ein Herz, damit es mein zu Hause werden kann. Aber ich habe ein zu Hause, vollkommen, unendlich, weit, frei…. War ich nicht grade noch dort, im Lebensmeer der Vollkommenheit? Wo mein Seelensegel zusammen mit anderen Vertrauten die Freiheit und Weite genießt, das Hin- und Herwogen auf dem Lebensmeer? Und jetzt hier diese unerträgliche Enge. Bald wird es zu eng für mich und den Körper. Dann wird er hinausdrängen und mich mitziehen, das nennt man Geburt.

 

Jetzt ist der Körper allein lebensfähig, wenn auch stark auf die Unterstützung der anderen Menschen angewiesen. Jedenfalls ist es nicht mehr dunkel und man legt uns in einen Glaskasten, der schützt uns vor der Kälte da draußen, ebenso wie vor Keimen, die dem kleinen, 4 Wochen zu früh geborenen Körper gefährlich werden könnten. Der Herzschlag der Mutter ist nicht mehr zu hören. Nur ganz selten, wenn die Frau kommt, die mich an ihre Brust trinken lässt, höre ich ihn, ganz tief in ihr versteckt.

 

Auch für den kleinen Körper scheint das Überleben anstrengend zu sein. Er benötigt viel Schlaf. Und so habe ich viel Gelegenheit, einfach wieder in die Vollkommenheit zu entschwinden. Dorthin, wo ich zu Hause bin. Den Austausch mit anderen Seelen genießen kann, oder einfach in meinem Grasland sitze und die Harmonie erlebe, die mich dort durchfließt.

 

Der Körper wächst weiter und benötigt Zusehens weniger Schlaf, dafür mehr und unterschiedliche Nahrung. Die großen Menschen geben sich viel Mühe, die Bedürfnisse des Körpers zu befriedigen. Auch gibt es einen anderen kleinen Menschen, schon viel selbstständiger als ich, und er wird meine Schwester genannt … was für ein Unsinn – in der Vollkommenheit sind wir alle Geschwister. Und solange die Verbindung dorthin nicht abreißt, bleibe ich im Lebensmeer der Vollkommenheit, denn das ist mein zu Hause. Das Menschsein auf der Erde ist wohl nur ein böser Traum.

 

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