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Meine neue Welt

 

Morgens aufstehen, sich waschen, frühstücken, dann zur Schule und lernen, zurück nach Hause Mittag essen, Hausaufgaben machen, Spielen, dann zu Abend essen und schlafen gehen – das ist die Menschenwelt die mir übergestülpt wird. Und das Tag für Tag, wie eine Endlosschleife.

 

Menschenkinder müssen zur Schule gehen um zu lernen. Lernen wie die Welt funktioniert. Sanft und raffiniert werden wir Kinder dazu gezwungen, ein Roboterkostüm überzuziehen, um uns dann damit zu identifizieren. Mit so einer Welt kann ich gar nichts anfangen, kann mich hier nirgendwo wieder finden. Alles ist so fern. Auch die anderen Kinder in der Schule sind mir fern. Meine Schulkameraden haben damit kein Problem und finden sich zu verschiedenen Gruppen zusammen. Nur wenige bleiben für sich und alleine. Ich bin einer dieser Einzelgänger. Ich habe einfach kein Interesse jemand anderem gefällig zu sein, nur um dazuzugehören. Da bin ich doch lieber so wie ich bin und fühle mich wohl damit. Das ist meine Welt.

 

Spielen ist manchmal ganz toll. Da kann ich abtauchen und die Menschenwelt verschwindet für eine Weile. Meistens habe ich nur meine Schwestern und die Nachbarskinder zum Spielen. Mit Hermann von nebenan spiele ich manchmal auf den Brachflächen. Wir sind nicht unbedingt die besten Freunde, aber wir buddeln uns Gräben auf den weiten Flächen und decken sie mit Folien oder Brettern ab.

 

Eines Morgens, als wir auf den Schulbus warten, provozieren andere Kinder einen Konflikt, in dem Hermann und ich mächtig aneinander geraten. Hermann ist schon elf und ziemlich kräftig. Ich bin für meine neun Jahre schon recht groß, aber dünn und schmächtig. Hermann versetzt mir einen Schlag auf den Brustkorb und trifft genau den Solarplexus. Ich bin völlig perplex, dass Hermann mich geschlagen hat und kann vor Schmerz kaum noch atmen. Irgendwie schaffe ich es, mich zusammen zu reißen und, obwohl ich keine Luft kriege, höre ich mich sagen: „Wenn du mal tot bist, ziehe ich dir das Fell über die Ohren und lege es vor meinem Bett, damit ich jeden Morgen und jeden Abend drauf treten kann.“ Damit habe ich Hermann genauso hart getroffen. Seit dem respektiert er mich und hat mich nie wieder bedrängt.

 

Ich bin 11 Jahre alt und gehe in die 6. Klasse. Im Kunstunterricht lernen wir mit Wasserfarbe zu malen und jeder kann sein Motiv frei wählen. Mit kräftigen Farben male ich ein naives Abbild vom Kopf unseres Lehrers, inklusive der schwarzen Hornbrille. Obwohl ich den Kopf und das Gesicht gut getroffen habe, bin ich von meinem Bild enttäuscht. Es wirkt nicht lebendig, sondern funktional – es ist starr wie der Tod. Und mein Lehrer? Der ist begeistert und würdigt diese Arbeit mit der Note gut! Ich bin total entsetzt. Nie wieder will ich einen Pinsel in die Hand nehmen und irgendetwas malen!

 

Die schönste Zeit erlebe ich mit meiner Freundin Gabi und es ist sehr schade, dass ich sie so selten sehe. Mit ihr fühle ich mich tief verbunden, darum spiele ich ganz besonders gerne mit ihr. Doch während wir miteinander spielen, passiert da noch mehr: Ganz langsam holt sie meine Seele Schritt für Schritt in diese Welt. Ich spüre, wie ich beginne diese neue Welt zu akzeptieren!

 

 

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