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Der Tag, als ich auf einem Drachen ritt

 

Geschichten vom Erwachsen werden Teil 3

 

Dieser Sommer, war der heißeste Sommer den ich je erlebt hatte.

 

Meine Herren. Wir schliefen in einer Sauna, die früher mal unser Kinderzimmer gewesen war und wachten schweißgebadet am Amazonas auf.

Duschen brachte nichts. Wir tranken viel und ließen alles wieder raus.

 

Ein ewiger Kreislauf.

 

Die Wiese wurde gelb und die Bäume warfen ihre schlappen Blätter ab. Der Teich in der Nähe trocknete aus und eine Million Mücken nisteten sich an der Uferböschung ein. Wir wurden gestochen und jammerten und kratzten uns.

 

Wir brauchten neue Badehosen. Die Alten klemmten uns alles ab und hoben Es hervor. Wir lachten uns über die anderen Jungs schlapp, weil sie verschämt knapp oberhalb der Grasnarbe entlang krochen, um alles zu verdecken.

 

Das hatten wir nicht nötig. Konnten alles zeigen, was wir hatten.

Bis wir merkten, das sich die Anderen auch über uns schlapp lachten.

 

Wir brauchten neue Badehosen, aber keiner bekam das Geld dafür. Wir waren Kinder armer Eltern, aber das wussten wir nicht.

 

Es gab genug zu essen. Unsere Wünsche zum Geburtstag wurden uns erfüllt.

Oder auch nicht.

 

Keiner wollte nach Karstadt, um halbe Hähnchen zu essen und Pulloverfabrikanten gingen ein.

 

Wir schleppten uns jeden Tag zur Schule und saßen die Zeit dort ab.

Träumten von der Ostsee und Meerjungfrauen. Dachten an Norwegen und das der heilige Thomas sagte, das jeder Junge ab 13 bei der Einreise in dieses wundervolle Land einen Kuss von einem blonden Mädchen bekäme.

 

Noch am selben Tag beknieten wir unsere Eltern in den Ferien genau dort hin zu fahren.

 

Meine Mutter zeigte mir einen Vogel.

 

Norwegen?

„Das ist viel zu weit weg, Junge. Wir machen uns das zu Hause schön.“

 

Zu Hause?

 

Das konnte nur ein Scherz sein. Auf unserem Balkon bekam sogar ein Wellensittich Platzangst.

Früher bauten wir einen kleinen Plastik Pool dort auf und ich badete mir, in ihm, die Knie wund. Das war im letzten Jahr, schien aber schon 2 Jahrhunderte oder länger her zu sein.

 

Konnte jetzt natürlich nicht mehr zugeben, das es erfrischend war.

Im Gegenteil ich jammerte, das wir die Einzigen in Deutschland, nein der ganzen Welt, waren die nie in Urlaub fuhren. Nicht mal nach Norwegen, denn da hatten selbst die Mücken sagenhafte Namen:

 

A: Emma

B: Svenja

Hedda

Ynavild

E: Runa

 

Unser Schuldirektor weigerte sich, uns eine Woche vor Beginn der großen Ferien Hitzefrei zu geben. Typisch.

 

Michaela bekam die Entlassungspapiere früher, weil ihre Oma in Wiesbaden im Sterben lag.

 

Wir hatten keinen der im Sterben lag, obwohl es meinem Wellensittich seit Tagen nicht gut ging. Blähungen. Unglaublich, was in einem solch kleinen Vogel für Luft drin ist.

 

Ich saß am Montagnachmittag zu Hause und paukte Mathe. Den Sinn verstand ich nicht, aber meine Mutter meinte, sie wolle, das aus mir was vernünftiges wird.

Keine Ahnung was sie damit meinte.

 

Sie führte immer meinen Onkel an, der zwar keine Haare auf dem Kopf, aber einen langen Ziegenbart hatte. Seine schwarzgeränderten Fingernägel wuchsen kreuz und quer in der Weltgeschichte herum.

 

Er prahlte immer mit seiner 2 im Rechnen und einer 1 in Mathe. Ich bezweifelte stark, das er jemals eine Schule von innen sah.

Aufgewachsen ist er in Schlesien, das damals noch zu Deutschland gehörte. Etwas später verlor Adolf nicht nur Schlesien, sondern auch sein Leben.

Komisch, das er den gleichen Namen, wie dieser andere Mann, mit dem blöden Bart und den irren Augen hatte. Wie hieß der doch gleich? Na egal.

 

Mein Onkel fand seine Bestimmung, wie er wieder und wieder betonte, in einem Metzgereibetrieb. Dort stellte man ihn als Entbeiner an, das ich immer als Zumutung empfand, weil das für mich nach dem Zwillingsbruder von

Freddie Krüger klang. Gruselig.

 

Aber lassen wir das.

 

Ich hatte meinen Berufswunsch mit 10 in das Deutschheft geschrieben:

 

 

Was ich einmal werden will

 

Ich werde Schauspieler, weil man dann jemand anders sein kann und viel Geld verdient. Mathe brauche ich nicht, weil mein Agent alles für mich regelt.

Sowie der Manager von Elvis. Der heißt Colonel Tom Parker und ist sehr dick.

Elvis ist mein Lieblingssänger. Er kann toll singen und kriegt jede Frau die er haben will.

Ich will einmal meine Traumfrau kennen lernen. Aber heiraten werde ich nie.

Das funktioniert nicht, sagt meine Muter.

Die Eltern von Bert lassen sich scheiden oder reisen in unterschiedliche Länder. Das weiß ich nicht mehr genau.

Heute haben wir für 10 Mark Eis beim Eismann gekauft. Eine ganze Schüssel voll. Nachdem ich Durchfall bekommen habe, schwor ich nie wieder Eis zu essen.

Als Schauspieler muss man auf seine Figur achten, damit man nicht so dick, wie die Frau über uns wird. Die heißt Frau Schachtelhalm und ist schwerhörig.

Sie kauft ihre Kleidung in der Zeltabteilung.

Ich übe jeden Tag, wie andere Menschen zu gehen und zu sprechen.

Am einfachsten ist John Wayne. Das ist ein Cowboy aus Amerika.

Am liebsten wäre ich wie Elvis, denn der kann alles. Singen und schauspielern.

 

Manchmal wünschte ich mich besser zu kennen, um mich mehr zu mögen.

 

Alex Klasse 4a

 

 

Schon interessant, was für einen Blödsinn man als Kind verzapft.

 

Kleine Steine flogen durch mein geöffnetes Fenster und trafen meinen Lieblingsteddy der immer noch, inoffiziell, auf meinem Bett saß und auf dicke Hose machte. Jetzt bekam er die Rechnung dafür.

Er verlor sein rechtes Auge, als ich letztes Jahr ein berühmter Chirurg werden wollte, bei dem Versuch seinen Blinddarm zu entfernen.

Flohklaus assistierte mir und übergab sich zweimal, weil ich ihm den Bauch aufschnitt. Also dem Teddy, nicht Flohklaus.

 

Der nächste Stein, durch mein Fenster flog, war ein roter Backerstein und knockte meinen Teddy aus. Guter Wurf.

 

„Hey Alex, wir wollen ins Schwimmbad. Kommst du mit?“ ,rief Bert.

„Muss lernen.“ ,entgegnete ich schleppend und atmete dabei hörbar aus.

„Die Neue von Uwe ist auch da.“

„Die mit den Hasenzähnen?“

„Ja und sie bringt ihre Freundin mit.“

„Die mit den großen Dingern?“ ,schrie ich.

„Ja.“ ,antwortete Bert ebenso lautstark.

„Ich bin gleich da.“

 

Das durfte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Schwimmbad und dicke Dinger, waren das Non Plus Ultra.

 

Ich würde zurück sein, bevor meine Mutter von der Arbeit kam. Ja, ich würde sogar zurück sein, bevor irgendeiner Schmusebacke sagen konnte, denn ich war das Augenzwinkern, während eines einschlagenden Blitzes.

Das las ich in einem Bericht über das Liebesleben der Eichhörnchen und das beeindruckte mich so sehr, das ich es mir gemerkt habe.

 

Ich konnte mir alles merken, außer diesen blöden Formeln, die mich zu einem Mathe Genie machen sollten.

 

Mein neues, altes Fahrrad war in Top Form. Genau wie ich.

 

Bert sang: >Hoch auf dem gelben Wagen< und rülpste zwischendurch so laut, das ein grasendes Reh vor Schreck pupste und die Sonne sich verdunkelte.

Wir radelten gemeinsam über einen Feldweg. Rechts und links stand der Raps in voller, gelber Blüte. Das sah klasse aus. Das wollte ich mir merken, um darüber ein Gedicht zu schreiben.

 

Natürlich erzählte ich niemandem davon. Gedichte schreiben, war etwas für Weicheier und das wollte ich auf gar keinen Fall sein, denn ich bildete mir ein eine geheimnisvolle Aura zu haben.

Hatte mir angewöhnt bei Erzählungen der Anderen bedeutungsvoll und langsam zu nicken.

 

Dann sah ich in den Himmel und sagte Sätze, wie:

 

Die Kraniche ziehen nach Süden.

 

Oder:

 

Der Weg ist weit, doch die Gedanken sind schnell.

 

Oder:

 

Das Heute ist das Morgen von Gestern.

 

Natürlich war ich meiner Zeit soweit voraus, das mich alle nur mitleidig anschauten und mir einen heftigen Sonnenstich bescheinigten.

 

Oh, diese Ahnungslosen.

 

Also, mal davon abgesehen. das ich dachte entweder der Auserwählte oder ein morsches Stück Holz zu sein, war ich ein ganz normaler Teenager.

 

Ne` nicht ganz, denn ich hatte eine Freundin. Außer dem heiligen Thomas hatte noch nie jemand eine Freundin gehabt.

Das Uwe jetzt eine hatte, zählte nicht.

 

Im Freibad roch es nach Chlor und Sonnenmilch und Freiheit.

 

Wir wussten gar nicht wo wir zuerst hinschauen sollten. Diese ganzen wundervollen Mädchen machten uns ganz wuschig.

 

Badeanzüge fanden wir gut, aber Bikinis brachten unsere Fantasien noch mehr auf Touren. In der Schule versteckten sie ihre Brüste unter weiten Pullis.

Hier wurden sie nur durch dünnen Stoff zurück gehalten.

 

Da wir uns alle für Profis hielten, wenn es um Girls ging, führten wir ein Benotungssystem ein. 10 war das Beste. 1 das Schlechteste.

 

Als erstes zählten wir alle Mädchen und trugen die Zahl in unser Heft ein.

Auf die Vorderseite schrieben wir:

 

Berichte über Blitzeinschläge.

 

Hannes, der gut rechnen konnte und ein Angeber Shirt von Mark Spitz trug, nahm die Zahl mal 2. Logisch. 2 Brüste.

Am Ende hatten wir 93, was uns reichlich verwirrte.

 

Wir holten uns erst mal Pommes rot-weiß und taten so, als wären wir die coolsten Kerle auf der ganzen Welt.

Wir trugen natürlich Sonnenbrillen. Das gehörte sich so. Ich hatte eine von meinem Onkel geliehen. Die war so groß, wie der Eiffelturm und bedeckte fast das ganze Gesicht. Damit war ich natürlich die Nummer eins.

 

Denn wir alle wussten: Größer ist besser.

 

Auch, wenn die anderen keine Freundin hatten, gaben sie mit ihren Erlebnissen an, das man hätte denken können, sie wären 50 Jahre alt und blickten auf ein erfülltes Liebesleben zurück.

 

Uwe erzählte von einer Magda, die er letztes Jahr in Berchtesgaden, in einem Ort namens Schneizelreuth kennenlernte. Die war 15 und 1,73 groß.

 

Wir lachten uns checkig, weil seine Geschichte schon so unglaubwürdig anfing:

 

 

A: Berchtesgaden? Das klang viel zu sehr nach einem Tierpark in Schweden.

B: Magda? So hießen doch keine Mädchen, höchsten Erdhörnchen.

15 Jahre alt? Warum nicht gleich 35 und Fotomodel aus der Bravo?

Schneizelreuth? Wieso nicht gleich Pupshausen?

E: 1,73? Jeder wusste, das Mädchen höchstens 1,63 groß werden.

Das ist wissenschaftlich bewiesen.

 

Nachdem wir uns leer gelacht hatten, wollte Uwe nicht mehr erzählen und war kurz davor uns die Freundschaft zu kündigen. Wir konnten ihn nur beruhigen, indem wir zusammenlegten und ihm ein Eis spendierten.

 

Er quälte uns, indem er es gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz langsam aß.

 

Dann steckten wir die Köpfe wieder zusammen und Uwe begann mit gedämpfter Stimme zu berichten:

 

„Also, die Magda war die Tochter der Hotelbesitzerin. Sie hatte ganz grüne Augen, so wie die Gesichtsfarbe von Henning, als dem schlecht war und er kotzen musste. Wisst ihr noch? Das kam von dem Auflauf aus der Schulkantine.....“

„Ja. Ja. Ja. Weiter!“ ,meldete sich Bert.

„Also, die Magda....“ ,fuhr Uwe fort.

„Alter. Das hatten wir schon.“ ,wurde Bert ungeduldig.

 

Uwe holte tief Luft. Wir konnten die Anspannung und die Elektrizität in der Luft spüren. Hoffentlich gab es kein Gewitter. Aber, wenn, wussten wir wer Schuld hatte.

 

„Am dritten Tag trafen wir uns in der Scheune. Sie wollte mir etwas zeigen.“

 

Wir hielten den Atem an.

 

„Sie trug einen Pullover. Sehr eng. Und einen Overall.“

 

Bert begann zu sabbern.

 

Ich hielt die Anspannung nicht mehr aus und musste lachen, aber weil alle mich mit bösen Augen anfunkelten, bekam ich mich gleich wieder unter Kontrolle.

 

„Wir standen uns gegenüber und sie sagte ich sei der netteste Junge den sie bisher kennengelernt hatte.“ ,fuhr Uwe fort

„Kannst du das überspringen und zum Wesentlichen kommen?“ ,fragte der

heilige Thomas ganz sachlich.

„Sie nahm meine Hand und legte sie auf ihre Brust.“

„Oh mein Gott. Wahnsinn.“ ,riefen wir aus.

 

Das hatte es noch nie gegeben! Im Urlaub. In einem fremden Land.

 

Wir freuten uns für Uwe und waren furchtbar neidisch. Was für ein Glückspilz.

 

Ich hätte ihnen gern von Michaela erzählt und davon, was wir alles getan hatten, aber es kam mir wie ein Verrat vor, dies zu tun. Also ließ ich es.

 

Thomas fischte aus seiner Hosentasche ein quadratisches, verpacktes Teil.

 

„Das habe ich immer bei mir. Solltet ihr euch auch zulegen.“ sagte er.

„Was ist das?“ ,fragte ich.

„Präser.“ ,erklärte Bert.

„Ahh. Präser.“ ,wiederholte ich.

„Weißt du auch wofür?“ ,fragte Bert.

„Na klar. Bin doch nicht aus Dummsdorf.“ ,sprach ich ärgerlich.

 

Ich hatte keine Ahnung, was das war. Zum Glück steckte Thomas es gleich wieder weg. Ich nahm mir vor im Lexikon nachzuschauen, um herauszufinden was es damit auf sich hatte.

Versuchte an etwas anderes zu denken.

Also....am letzten Tag vor ihrer Abreise, nachdem ich Schokokekse und Milch hinter mich gebracht hatte und wir in ihrem Zimmer auf dem Bett lagen, fragte sie mich:

 

„Hast du schon mal mit einem Mädchen geschlafen?“

 

Sofort kroch die Morgenröte, erst über mein Gesicht und dann über den Rest meines, zu allem bereiten, Körpers.

 

Suchte verzweifelt nach der richtigen Antwort. Wenn das eine Fangfrage war, konnte mich das ganz schön reinreißen.

 

Ich versuchte es mit der Wahrheit.

 

„Nein. Du?“ ,fragte ich bemüht locker.

 

Natürlich war ich meilenweit davon entfernt entspannt und easy darauf zu reagieren.

 

„Nein, aber manchmal träume ich davon, wie es wäre. Ist das merkwürdig?“

„Überhaupt nicht. Es schön mit dir darüber zu reden.“

„Und komisch.“

„Ja. Und komisch.“

 

Wir lagen eine ganze Zeit angezogen nebeneinander und sie streichelte mich an meiner Lieblingsstelle. Das machte mich reichlich verrückt und freute mich, weil ich jetzt etwas Neues hatte an das ich denken konnte, wenn sie nicht da war.

 

Plötzlich kam ihre Mutter ins Zimmer und wir sprengten auseinander.

 

Damit zerplatze auch diese Erinnerung und mein Gehirn suchte nach anderen Gedanken:

 

So ein Präser war sicher eine gute Sache und während wir in der Sonne dösten und die Haut krebsrot machten überlegte ich was es sein könnte:

 

A: Ein abgepackter Pfefferminz gegen schlechten Atem.

B: Überzieher für Straßenschuhe, damit sie bei Regen nicht schmutzig wurden.

Ein 5 Mark Schein, um sie zum Eis einladen zu können.

Die Telefonnummer eines Sorgentelefons, bei Liebeskummer.

E: Getrocknete Rosenblätter zum Kennzeichnen eines romantischen Abends.

„Oh Mann. Die habe ich lange nicht gesehen.“ ,rief Uwe ängstlich.

„Das riecht nach Ärger.“ ,meinte Thomas

„Ja. Nach reichlich Ärger.“ ,fügte Bert hinzu.

 

Die Magnusbande stolzierte über den Platz und verbreitete Angst und Schrecken.

 

Wir hörten von der Liesl, mit der wir uns mittlerweile gut verstanden, das Magnus und Piet bei einem Einbruch erwischt wurden und für ein paar Monate ins Jugendheim mussten.

 

Alle sagten, das sie es verdient hätten und ich war froh meiner angesagten Höllenfahrt entgangen zu sein.

 

Jetzt waren sie wieder da, aber der Mut des Löwen aus Mitternacht, war mit ihrem Auftauchen baden gegangen.

 

Wortlos packten wir unsere sieben Sachen und schlichen uns davon.

 

Oh, wie armselig. Keiner sagte ein Wort. Fühlten uns, wie die letzten Looser.

 

In unserer Schule gab es auch reichlich Nieten und die größten waren die Streber aus dem Grammatik Leistungskurs.

 

Jetzt standen wir sogar noch unter denen. Ist das zu glauben?

 

Oh, Mann. Wie armselig. Jetzt zitierte ich schon wieder Herrn Mewes.

 

Beim Abschied nickten wir uns nur zu. Wie Verurteilte die zu ihrem letzten, endgültigen Gang aufbrachen.

 

Zu Hause saß ich auf unserem Balkon und überlegte, wie wir diese Situation bereinigen konnten.

 

Zwischendurch machte ich Kopfstand, um meine Gehirnzellen anzustacheln, nach einer Lösung zu suchen.

 

„Denk nach. Denk nach.“ ,sagte ich immerzu.

 

Doch es führte nur dazu, das ich tierische Nackenschmerzen bekam und mich übergeben musste.

 

Verabschiedete mich schon mal innerlich und bereitete mich auf das unausweichliche, unabänderliche Ende meines noch so jungen Lebens vor.

Einem jämmerlichen, beklagenswerten Tod mit dem Kopf in der Schultoilette am Valentinstag.

 

Ich verlor jedes Zeitgefühl und spielte 100 mal > Long black Limousine <

von Elvis. Das zog mich noch mehr runter, weil es um einen Typen ging der aus seiner Stadt wegging und immer damit angab in einem schicken Auto wiederzukommen. Jetzt lag er in einer schwarzen Limousine und alle klagten und weinten.

 

Das zog mich noch mehr runter, also ich drückte ein paar Tränen heraus und schaute mir dabei im Spiegel zu.

 

 

 

 

Um 21:00 rief Michaela an:

 

„Hallo mein Süßer.“

„Hi.“ ,sagte ich.

„Alles ok?“ ,fragte sie besorgt.

„Oh sicher, sicher.“

„Du klingst aber überhaupt nicht so.“

„Doch. Wir waren schwimmen und Uwe ist auf einer dicken Frau ausgerutscht und Bert hat sich wieder den Kiefer ausgerenkt und Thomas wird nicht mehr Priester, sondern Außenminister, weil man dann auch nach Norwegen fahren kann, um von den hübschen, blonden Frauen geküsst zu werden.“

„Und?“ ,fragte sie.

„Uuuuuuuuuuuuuuuund..... die Magnusbande ist wieder da!“ ,gab ich zu Protokoll.

 

Am anderen Ende hörte ich nur ihren Atem. Meine Hände begannen zu schwitzen.

Mein Herz ließ sich zu einem Galopp hinreißen. Meine Kehle wurde durch eine unsichtbare Hand zugedrückt.

 

„Ich komme sofort nach Hause!“ ,presste sie keuchend hervor.

„Nein. Das bringt doch nichts. Wir kommen schon klar.“ ,sagte ich so dahin.

„Ach ja. So, wie mit dem 5 jährigen der dir gegen das Schienbein getreten hat und dann weggelaufen ist?“ ,nörgelte sie.

„Oh, Mann. Der konnte wirklich schnell rennen.“

„Genau. Oder der 10 jährige der dir dein Eis geklaut hat.“

„Jaha. Aber, der war wirklich groß für sein Alter und sein 16 jähriger Bruder ist Großmeister im Mikado. Was willst du mir eigentlich sagen?“

„Du musst da verschwinden.“

„Hab schon einen Flug nach Hong Kong gebucht.“

„Es ist jetzt keine Zeit für Witze. Du kommst zu meiner Oma nach Osnabrück“

„Osnabrück?“ ,wiederholte ich mit quietschender Stimme.

„Ja. Osnabrück.“ ,wiederholte Michaela.

„Aber das ist doch das Dorf der Schlümpfe.“

„Nein. Das heißt Schlumpfhausen und Donald wohnt in Entenhausen und Asterix und Obelix in....“

„Ja, ich weiß, in einem von unbeugsamen Galliern bevölkerten Dorf.

Und das passt genau zu mir: Der Unbeugsame!“ ,stellte ich fest.

„PPPPPPPFFFFFFFFFFFF.“ ,hörte ich vom anderen Ende der verschwitzten Ohrmuschel.

 

Das wurde mir langsam zu blöd. War ich denn nur ein Clown? Ein Schwächling?

 

„Du musst dir keine Sorgen machen ich hab hier alles im Griff. Ich muss jetzt Schluss machen, also mit dem Telefonat nicht mit dir, mein Hamster will noch den Boden bohnern. Ich liebe dich.“ ,dann legte ich auf.

 

Nach 3 Millisekunden wurde mir bewusst was ich gesagt hatte:

 

Ich liebe dich!

 

Sie musste mich wirklich für einen dummen und verliebten Trottel halten.

 

Das Telefon klingelte abermals.

 

„Ich liebe dich auch. Du machst das schon.“ ,flüsterte Michaela mit ihrer weichen Stimme durch den Hörer und legte dann auf.

 

Oh, mein Gott. Ich sank auf meinen Stuhl, da meine Beine mich nicht mehr tragen konnten.

 

Nach 13 Minuten konnte ich wieder klar denken und schnappte mir das Lexikon:

 

„PPPPPPP.......PPPRRRRR.....PPPPPRRRRÄÄÄÄ...........PRÄSER................

 

Also:

 

Nach einem französischen oder englischen Arzt Conton (17. Jahrhundert) benannter dünner Überzug aus Gummi für das männliche Glied zur Verhinderung einer unerwünschten Schwangerschaft.

 

Aha.

Ich wusste noch nicht genau, wie ich diese merkwürdige Information verarbeiten sollte.

 

Ein dünner Überzug aus Gummi? Für das.....was?......Glied?

 

Natürlich hatten wir alle den totalen Durchblick, was Sex anging.

 

Uwe`s großer Bruder erzählte ihm haarklein, wie das alles zusammenhing und dann erzählte Uwe uns, was er von dem, was sein Bruder ihm erklärte noch wusste und wir hörten genau zu und verstanden nur die Hälfte.

 

Mann und Frau. Im Bett. Nackt. Körper die aufeinander liegen. Hände. Jo!

 

Aber, wie passte ein dünner Überzug während dieser wundervollen Erfahrung menschlichen Zusammenseins dazu?

 

Sollte ich zwischendurch aufhören und zu Michaela sagen:

 

„Jo. Alles klar. Es ist soweit. Fanfare. Ich reiße jetzt diese Verpackung auf und rolle den dünnen Überzug aus Gummi über mein Glied.“

 

Diese Vorstellung befand sich meilenweit von einem entspannten ersten Mal entfernt auf einem Berg dessen Spitze ich nicht mal sehen konnte:

 

A: Was sollte Michaela in der Zeit machen?

B: Waren wir schon nackt?

Würde sie meinen Körper schön finden?

Half sie mir beim Finden des Eingangs?

E: Was sollten wir danach machen?

 

Das Telefon klingelte wieder. Berts Stimme sagte nur:

 

„Um 3. Besprechung“.

 

Machte mich sofort auf den Weg und schwang mich auf meine Rosinante, so hieß mein Drahtesel. Irgendwie bescheuert. Klang nach 3. Klasse.

Rutschte manchmal in ein wehmütiges Gefühl. Hauptsächlich, wenn alles so schwierig wurde.

Dann wünschte ich mir meine Kindheit zurück. Eine Zeit, wo alles noch einfach war.

> Schlafen. Essen. Schreien. <

 

Besonders das Schreien fehlte mir.

Aber das ging vorüber und wenn ich die Kontrolle zurückgewann, suchte ich meinen Kiosk auf und kaufte 3 Lakritz Bonbons. Die besonders Harten, weil man die besonders lange lutschen konnte.

 

Herr Schlichting, der Ladenbesitzer, war ein alter, weißhaariger Mann mit freundlichen Augen und einer großen, schweren Brille.

 

Er trug immer viel zu große, graue Anzüge, die um seinen dünnen Körper schlackerten und den Eindruck hinterließen, er wäre ein Außerirdischer und wohnte auf dem Planeten Melmak.

 

An einem Montag vor 4 Wochen las ich, in seinem Laden, gerade in einem Superman Comic, als er der dicken, schwerhörigen Frau Schachtelhalm, von dem Überfall erzählte:

 

„Also, Frau Halterschwamm, diese dummen Jungen kamen doch tatsächlich mit einer Maske über dem Kopf herein und verlangten mein Kassengeld, sonst würden sie den Laden verwüsten und alle Süßigkeiten mitnehmen.

Ich sagte ihnen, das ich sofort die Polizei rufen würde, wenn sie nicht mit diesem Unfug aufhören würden. Daraufhin schlug mich der Größere von den beiden mit einem Stock. Hier sehen sie, da ist noch die Narbe.

Gott sei dank, kam dann Herr Pumpelmeier und hielt beide solange fest, bis die Gesetzeshüter kamen. Herr Pumpelmeier ist Ringer, wie sie sicher wissen

Frau Weiterqualm. Jedenfalls. Ich bin ganz schön überrascht gewesen, das Piet und Magnus unter den Masken steckten.“

 

Frau Schachtelhalm nickte die ganze Zeit eifrig mit ihrem kleinen, runden Kopf, obwohl sie sicher nicht mal die Hälfte von dem mitbekam was Herr Schlichting ihr erzählte.

 

Das alles hatte sich wieder in meinem Kopf breitgemacht, als ich Flohklaus beim Kiosk traf und ihm einen meiner Riesenkracher, wie die Bonbons bei uns hießen, schenkte. Er bedankte sich höflich und wollte mir unbedingt etwas zeigen.

 

Hinter dem Hochhaus gab es eine große Wiese und dahinter einen kleinen Wald.

 

Unter einer alten Eiche lag eine verrostete Kiste mit einem Adler und einem Hakenkreuz drauf.

 

In dieser Kiste lag.............Nichts.

 

„Da war eine Pistole drin. Ich schwör.“ ,beteuerte Flohklaus.

„Mmmmmh.“ ,gab ich zurück.

„Wirklich!“ ,blieb er standhaft.

 

Ich untersuchte den Tatort gewissenhaft. Da waren Fußabdrücke von Springerstiefeln und einer geriffelten Sohle sehr teurer Schuhe.

 

Magnus und Piet mussten vor kurzer Zeit hier gewesen sein. Die Spuren waren frisch.

 

„Kennst du die Geschichte von Nepomuck?“ ,fragte ich Flohklaus.

„Nein.“ ,antwortete dieser stirnrunzelnd.

„Dieser Nepomuck, war ein kleiner, aber pfiffiger Kerl. Er fand eine giftige Pflanze und rief seinen Kumpel Hasra. Doch bevor sie die Pflanze vernichten konnten, wurde sie von den bösen Zauberern Hesikjael und Bodro gestohlen.

Die wollten damit das Elfenland auslöschen und die Macht an sich reißen.“

 

Mit offenem Mund hörte Flohklaus gespannt zu.

 

„Was passierte dann?“ ,fragte er atemlos.

„Nepomuck und Hasra liehen sich einen Drachen aus dem Feenland und verfolgten die beiden. Und während Hasra auf dem Drachen ritt und sie mit lautem Gebrüll ablenkte, konnte Nepomuck den beiden Gaunern die Pflanze entreißen und somit das Land retten. Sie bekamen soviel Eis, in jeder Sorte die sie begehrten, wie sie essen konnten.“

„Sollen wir die Polizei rufen?“ ,fragte er.

„Ja. Gute Idee Torsten.“

„Torsten?“

„Ja. Der Name Flohklaus ist bescheuert und du bist viel zu groß für so einen Namen.“ ,erklärte ich.

„Danke.“ ,sagte er stolz.

 

Bevor sie einen zweiten Überfall im Kiosk, bei Herrn Schlichting, machen konnten, wurden sie gefasst und kamen ins geschlossene Jugendheim.

 

Ich lud alle in Oma´s Schlemmerparadies ein, weil wir doch noch alles zum Guten gewendet hatten.

 

Und da saßen wir dann:

 

Torsten, der früher Flohklaus hieß und jetzt Ehrenmitglied unserer Kumpelei war. Uwe, Bert, der heilige Thomas, der nicht mehr nach Norwegen, sondern nach Berlin wollte, weil da alle Frauen gefärbte, rote Haare hatten und das schon immer ein Zeichen von Leidenschaft war und alle machten sich über das Eis her.

 

Plötzlich stand Michaela in der Tür.

 

Ich sprang auf und stürzte auf sie zu. Meine Hand streifte dabei versehentlich ihren Po.

 

„Du Schlingel.“ ,flüsterte sie mir ins Ohr.

„Hast du`s schon gehört?“ ,fragte ich lachend.

„Ja. Ihr seid die großen Helden. Habt eine Pistole aus dem 2. Weltkrieg gefunden und einen Überfall verhindert.“

„Ich heiße jetzt Torsten.“ ,meldete sich Torsten.

„Das freut mich. Du bist gewachsen, in den 2 Wochen, die ich nicht da war.“

 

Er reckte seinen Kopf und wurde ein bisschen rot.

 

„Gibt es noch mehr Geschichten von Hasra und Nepomuck?“ ,fragte er mich.

„Ich schreibe sie dir auf.“ ,rief ich ihm zu.

 

Ich glaube an jenem Tag entschloss ich mich Geschichtenerzähler zu werden, denn das konnte ich wirklich besser, als alles andere.

 

 

Michaela kam ganz nah an mein Ohr:

 

„Ich habe dich vermisst.“ ,flüsterte sie.

„Ich dich auch.“

„Hab dir eine Hantel mitgebracht.“ ,teilte sie mir freudig mit.

„Äh. Super. Wozu?“ ,fragte ich verdutzt.

„Naja. Zum Trainieren. Der Achim meint, das wäre wichtig.“

„Der Achim?“

„Ja. Stell dir vor, der hat auch eine Oma in Osnabrück und wohnt auch in Hamburg.“

„Ach was?!“ ,gab ich gereizt von mir.

„Ja! Und er ist in einem Sportklub. Toll ne`?“

„Ja. Total toll.“ ,grummelte ich.

„Ja und er hat gesagt, ich soll mal vorbeikommen. Im Sportklub.“

„Ach!?“

„Jetzt sag doch nicht die ganze Zeit Ach.“ ,zickte sie mich an.

„Das ist erst das zweite Mal, das ich Ach gesagt hab.“

„Ach, du bist doof. Ich geh jetzt nach Haus!“

„Nein warte. Tut mir leid.“ ,sagte ich reumütig.

 

 

 

Sie umarmte mich und legte ihre Hand auf meinen Po.

 

Das war ganz schön aufregend.

 

Dachte sofort an den Überzug und an Norwegen und rote Haare und das es Zeit wurde, bis zum Äußersten zu gehen.

 

„Meine Mutter ist übermorgen Abend nicht zu Hause.“ ,flüsterte sie in mein Ohr.

„Soll ich Schokokekse und Milch mitbringen?“ ,flüsterte ich zurück.

 

Sie kniff mich in den Po und wir küssten uns.

 

Oh, Mann.

 

Dieser Sommer, war wirklich der heißeste Sommer den ich je erlebt hatte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Tag, als ich auf einem Drachen ritt

Geschichten vom Erwachsen werden Teil 3

 

Dieser Sommer, war der heißeste Sommer den ich je erlebt hatte.

 

Meine Herren. Wir schliefen in einer Sauna, die früher mal unser Kinderzimmer gewesen war und wachten schweißgebadet am Amazonas auf.

Duschen brachte nichts. Wir tranken viel und ließen alles wieder raus.

 

Ein ewiger Kreislauf.

 

Die Wiese wurde gelb und die Bäume warfen ihre schlappen Blätter ab. Der Teich in der Nähe trocknete aus und eine Million Mücken nisteten sich an der Uferböschung ein. Wir wurden gestochen und jammerten und kratzten uns.

 

Wir brauchten neue Badehosen. Die Alten klemmten uns alles ab und hoben Es hervor. Wir lachten uns über die anderen Jungs schlapp, weil sie verschämt knapp oberhalb der Grasnarbe entlang krochen, um alles zu verdecken.

 

Das hatten wir nicht nötig. Konnten alles zeigen, was wir hatten.

Bis wir merkten, das sich die Anderen auch über uns schlapp lachten.

 

Wir brauchten neue Badehosen, aber keiner bekam das Geld dafür. Wir waren Kinder armer Eltern, aber das wussten wir nicht.

 

Es gab genug zu essen. Unsere Wünsche zum Geburtstag wurden uns erfüllt.

Oder auch nicht.

 

Keiner wollte nach Karstadt, um halbe Hähnchen zu essen und Pulloverfabrikanten gingen ein.

 

Wir schleppten uns jeden Tag zur Schule und saßen die Zeit dort ab.

Träumten von der Ostsee und Meerjungfrauen. Dachten an Norwegen und das der heilige Thomas sagte, das jeder Junge ab 13 bei der Einreise in dieses wundervolle Land einen Kuss von einem blonden Mädchen bekäme.

 

Noch am selben Tag beknieten wir unsere Eltern in den Ferien genau dort hin zu fahren.

 

Meine Mutter zeigte mir einen Vogel.

 

Norwegen?

„Das ist viel zu weit weg, Junge. Wir machen uns das zu Hause schön.“

 

Zu Hause?

 

Das konnte nur ein Scherz sein. Auf unserem Balkon bekam sogar ein Wellensittich Platzangst.

Früher bauten wir einen kleinen Plastik Pool dort auf und ich badete mir, in ihm, die Knie wund. Das war im letzten Jahr, schien aber schon 2 Jahrhunderte oder länger her zu sein.

 

Konnte jetzt natürlich nicht mehr zugeben, das es erfrischend war.

Im Gegenteil ich jammerte, das wir die Einzigen in Deutschland, nein der ganzen Welt, waren die nie in Urlaub fuhren. Nicht mal nach Norwegen, denn da hatten selbst die Mücken sagenhafte Namen:

 

A: Emma

B: Svenja

Hedda

Ynavild

E: Runa

 

Unser Schuldirektor weigerte sich, uns eine Woche vor Beginn der großen Ferien Hitzefrei zu geben. Typisch.

 

Michaela bekam die Entlassungspapiere früher, weil ihre Oma in Wiesbaden im Sterben lag.

 

Wir hatten keinen der im Sterben lag, obwohl es meinem Wellensittich seit Tagen nicht gut ging. Blähungen. Unglaublich, was in einem solch kleinen Vogel für Luft drin ist.

 

Ich saß am Montagnachmittag zu Hause und paukte Mathe. Den Sinn verstand ich nicht, aber meine Mutter meinte, sie wolle, das aus mir was vernünftiges wird.

Keine Ahnung was sie damit meinte.

 

Sie führte immer meinen Onkel an, der zwar keine Haare auf dem Kopf, aber einen langen Ziegenbart hatte. Seine schwarzgeränderten Fingernägel wuchsen kreuz und quer in der Weltgeschichte herum.

 

Er prahlte immer mit seiner 2 im Rechnen und einer 1 in Mathe. Ich bezweifelte stark, das er jemals eine Schule von innen sah.

Aufgewachsen ist er in Schlesien, das damals noch zu Deutschland gehörte. Etwas später verlor Adolf nicht nur Schlesien, sondern auch sein Leben.

Komisch, das er den gleichen Namen, wie dieser andere Mann, mit dem blöden Bart und den irren Augen hatte. Wie hieß der doch gleich? Na egal.

 

Mein Onkel fand seine Bestimmung, wie er wieder und wieder betonte, in einem Metzgereibetrieb. Dort stellte man ihn als Entbeiner an, das ich immer als Zumutung empfand, weil das für mich nach dem Zwillingsbruder von

Freddie Krüger klang. Gruselig.

 

Aber lassen wir das.

 

Ich hatte meinen Berufswunsch mit 10 in das Deutschheft geschrieben:

 

 

Was ich einmal werden will

 

Ich werde Schauspieler, weil man dann jemand anders sein kann und viel Geld verdient. Mathe brauche ich nicht, weil mein Agent alles für mich regelt.

Sowie der Manager von Elvis. Der heißt Colonel Tom Parker und ist sehr dick.

Elvis ist mein Lieblingssänger. Er kann toll singen und kriegt jede Frau die er haben will.

Ich will einmal meine Traumfrau kennen lernen. Aber heiraten werde ich nie.

Das funktioniert nicht, sagt meine Muter.

Die Eltern von Bert lassen sich scheiden oder reisen in unterschiedliche Länder. Das weiß ich nicht mehr genau.

Heute haben wir für 10 Mark Eis beim Eismann gekauft. Eine ganze Schüssel voll. Nachdem ich Durchfall bekommen habe, schwor ich nie wieder Eis zu essen.

Als Schauspieler muss man auf seine Figur achten, damit man nicht so dick, wie die Frau über uns wird. Die heißt Frau Schachtelhalm und ist schwerhörig.

Sie kauft ihre Kleidung in der Zeltabteilung.

Ich übe jeden Tag, wie andere Menschen zu gehen und zu sprechen.

Am einfachsten ist John Wayne. Das ist ein Cowboy aus Amerika.

Am liebsten wäre ich wie Elvis, denn der kann alles. Singen und schauspielern.

 

Manchmal wünschte ich mich besser zu kennen, um mich mehr zu mögen.

 

Alex Klasse 4a

 

 

Schon interessant, was für einen Blödsinn man als Kind verzapft.

 

Kleine Steine flogen durch mein geöffnetes Fenster und trafen meinen Lieblingsteddy der immer noch, inoffiziell, auf meinem Bett saß und auf dicke Hose machte. Jetzt bekam er die Rechnung dafür.

Er verlor sein rechtes Auge, als ich letztes Jahr ein berühmter Chirurg werden wollte, bei dem Versuch seinen Blinddarm zu entfernen.

Flohklaus assistierte mir und übergab sich zweimal, weil ich ihm den Bauch aufschnitt. Also dem Teddy, nicht Flohklaus.

 

Der nächste Stein, durch mein Fenster flog, war ein roter Backerstein und knockte meinen Teddy aus. Guter Wurf.

 

„Hey Alex, wir wollen ins Schwimmbad. Kommst du mit?“ ,rief Bert.

„Muss lernen.“ ,entgegnete ich schleppend und atmete dabei hörbar aus.

„Die Neue von Uwe ist auch da.“

„Die mit den Hasenzähnen?“

„Ja und sie bringt ihre Freundin mit.“

„Die mit den großen Dingern?“ ,schrie ich.

„Ja.“ ,antwortete Bert ebenso lautstark.

„Ich bin gleich da.“

 

Das durfte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Schwimmbad und dicke Dinger, waren das Non Plus Ultra.

 

Ich würde zurück sein, bevor meine Mutter von der Arbeit kam. Ja, ich würde sogar zurück sein, bevor irgendeiner Schmusebacke sagen konnte, denn ich war das Augenzwinkern, während eines einschlagenden Blitzes.

Das las ich in einem Bericht über das Liebesleben der Eichhörnchen und das beeindruckte mich so sehr, das ich es mir gemerkt habe.

 

Ich konnte mir alles merken, außer diesen blöden Formeln, die mich zu einem Mathe Genie machen sollten.

 

Mein neues, altes Fahrrad war in Top Form. Genau wie ich.

 

Bert sang: >Hoch auf dem gelben Wagen< und rülpste zwischendurch so laut, das ein grasendes Reh vor Schreck pupste und die Sonne sich verdunkelte.

Wir radelten gemeinsam über einen Feldweg. Rechts und links stand der Raps in voller, gelber Blüte. Das sah klasse aus. Das wollte ich mir merken, um darüber ein Gedicht zu schreiben.

 

Natürlich erzählte ich niemandem davon. Gedichte schreiben, war etwas für Weicheier und das wollte ich auf gar keinen Fall sein, denn ich bildete mir ein eine geheimnisvolle Aura zu haben.

Hatte mir angewöhnt bei Erzählungen der Anderen bedeutungsvoll und langsam zu nicken.

 

Dann sah ich in den Himmel und sagte Sätze, wie:

 

Die Kraniche ziehen nach Süden.

 

Oder:

 

Der Weg ist weit, doch die Gedanken sind schnell.

 

Oder:

 

Das Heute ist das Morgen von Gestern.

 

Natürlich war ich meiner Zeit soweit voraus, das mich alle nur mitleidig anschauten und mir einen heftigen Sonnenstich bescheinigten.

 

Oh, diese Ahnungslosen.

 

Also, mal davon abgesehen. das ich dachte entweder der Auserwählte oder ein morsches Stück Holz zu sein, war ich ein ganz normaler Teenager.

 

Ne` nicht ganz, denn ich hatte eine Freundin. Außer dem heiligen Thomas hatte noch nie jemand eine Freundin gehabt.

Das Uwe jetzt eine hatte, zählte nicht.

 

Im Freibad roch es nach Chlor und Sonnenmilch und Freiheit.

 

Wir wussten gar nicht wo wir zuerst hinschauen sollten. Diese ganzen wundervollen Mädchen machten uns ganz wuschig.

 

Badeanzüge fanden wir gut, aber Bikinis brachten unsere Fantasien noch mehr auf Touren. In der Schule versteckten sie ihre Brüste unter weiten Pullis.

Hier wurden sie nur durch dünnen Stoff zurück gehalten.

 

Da wir uns alle für Profis hielten, wenn es um Girls ging, führten wir ein Benotungssystem ein. 10 war das Beste. 1 das Schlechteste.

 

Als erstes zählten wir alle Mädchen und trugen die Zahl in unser Heft ein.

Auf die Vorderseite schrieben wir:

 

Berichte über Blitzeinschläge.

 

Hannes, der gut rechnen konnte und ein Angeber Shirt von Mark Spitz trug, nahm die Zahl mal 2. Logisch. 2 Brüste.

Am Ende hatten wir 93, was uns reichlich verwirrte.

 

Wir holten uns erst mal Pommes rot-weiß und taten so, als wären wir die coolsten Kerle auf der ganzen Welt.

Wir trugen natürlich Sonnenbrillen. Das gehörte sich so. Ich hatte eine von meinem Onkel geliehen. Die war so groß, wie der Eiffelturm und bedeckte fast das ganze Gesicht. Damit war ich natürlich die Nummer eins.

 

Denn wir alle wussten: Größer ist besser.

 

Auch, wenn die anderen keine Freundin hatten, gaben sie mit ihren Erlebnissen an, das man hätte denken können, sie wären 50 Jahre alt und blickten auf ein erfülltes Liebesleben zurück.

 

Uwe erzählte von einer Magda, die er letztes Jahr in Berchtesgaden, in einem Ort namens Schneizelreuth kennenlernte. Die war 15 und 1,73 groß.

 

Wir lachten uns checkig, weil seine Geschichte schon so unglaubwürdig anfing:

 

 

A: Berchtesgaden? Das klang viel zu sehr nach einem Tierpark in Schweden.

B: Magda? So hießen doch keine Mädchen, höchsten Erdhörnchen.

15 Jahre alt? Warum nicht gleich 35 und Fotomodel aus der Bravo?

Schneizelreuth? Wieso nicht gleich Pupshausen?

E: 1,73? Jeder wusste, das Mädchen höchstens 1,63 groß werden.

Das ist wissenschaftlich bewiesen.

 

Nachdem wir uns leer gelacht hatten, wollte Uwe nicht mehr erzählen und war kurz davor uns die Freundschaft zu kündigen. Wir konnten ihn nur beruhigen, indem wir zusammenlegten und ihm ein Eis spendierten.

 

Er quälte uns, indem er es gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz langsam aß.

 

Dann steckten wir die Köpfe wieder zusammen und Uwe begann mit gedämpfter Stimme zu berichten:

 

„Also, die Magda war die Tochter der Hotelbesitzerin. Sie hatte ganz grüne Augen, so wie die Gesichtsfarbe von Henning, als dem schlecht war und er kotzen musste. Wisst ihr noch? Das kam von dem Auflauf aus der Schulkantine.....“

„Ja. Ja. Ja. Weiter!“ ,meldete sich Bert.

„Also, die Magda....“ ,fuhr Uwe fort.

„Alter. Das hatten wir schon.“ ,wurde Bert ungeduldig.

 

Uwe holte tief Luft. Wir konnten die Anspannung und die Elektrizität in der Luft spüren. Hoffentlich gab es kein Gewitter. Aber, wenn, wussten wir wer Schuld hatte.

 

„Am dritten Tag trafen wir uns in der Scheune. Sie wollte mir etwas zeigen.“

 

Wir hielten den Atem an.

 

„Sie trug einen Pullover. Sehr eng. Und einen Overall.“

 

Bert begann zu sabbern.

 

Ich hielt die Anspannung nicht mehr aus und musste lachen, aber weil alle mich mit bösen Augen anfunkelten, bekam ich mich gleich wieder unter Kontrolle.

 

„Wir standen uns gegenüber und sie sagte ich sei der netteste Junge den sie bisher kennengelernt hatte.“ ,fuhr Uwe fort

„Kannst du das überspringen und zum Wesentlichen kommen?“ ,fragte der

heilige Thomas ganz sachlich.

„Sie nahm meine Hand und legte sie auf ihre Brust.“

„Oh mein Gott. Wahnsinn.“ ,riefen wir aus.

 

Das hatte es noch nie gegeben! Im Urlaub. In einem fremden Land.

 

Wir freuten uns für Uwe und waren furchtbar neidisch. Was für ein Glückspilz.

 

Ich hätte ihnen gern von Michaela erzählt und davon, was wir alles getan hatten, aber es kam mir wie ein Verrat vor, dies zu tun. Also ließ ich es.

 

Thomas fischte aus seiner Hosentasche ein quadratisches, verpacktes Teil.

 

„Das habe ich immer bei mir. Solltet ihr euch auch zulegen.“ sagte er.

„Was ist das?“ ,fragte ich.

„Präser.“ ,erklärte Bert.

„Ahh. Präser.“ ,wiederholte ich.

„Weißt du auch wofür?“ ,fragte Bert.

„Na klar. Bin doch nicht aus Dummsdorf.“ ,sprach ich ärgerlich.

 

Ich hatte keine Ahnung, was das war. Zum Glück steckte Thomas es gleich wieder weg. Ich nahm mir vor im Lexikon nachzuschauen, um herauszufinden was es damit auf sich hatte.

Versuchte an etwas anderes zu denken.

Also....am letzten Tag vor ihrer Abreise, nachdem ich Schokokekse und Milch hinter mich gebracht hatte und wir in ihrem Zimmer auf dem Bett lagen, fragte sie mich:

 

„Hast du schon mal mit einem Mädchen geschlafen?“

 

Sofort kroch die Morgenröte, erst über mein Gesicht und dann über den Rest meines, zu allem bereiten, Körpers.

 

Suchte verzweifelt nach der richtigen Antwort. Wenn das eine Fangfrage war, konnte mich das ganz schön reinreißen.

 

Ich versuchte es mit der Wahrheit.

 

„Nein. Du?“ ,fragte ich bemüht locker.

 

Natürlich war ich meilenweit davon entfernt entspannt und easy darauf zu reagieren.

 

„Nein, aber manchmal träume ich davon, wie es wäre. Ist das merkwürdig?“

„Überhaupt nicht. Es schön mit dir darüber zu reden.“

„Und komisch.“

„Ja. Und komisch.“

 

Wir lagen eine ganze Zeit angezogen nebeneinander und sie streichelte mich an meiner Lieblingsstelle. Das machte mich reichlich verrückt und freute mich, weil ich jetzt etwas Neues hatte an das ich denken konnte, wenn sie nicht da war.

 

Plötzlich kam ihre Mutter ins Zimmer und wir sprengten auseinander.

 

Damit zerplatze auch diese Erinnerung und mein Gehirn suchte nach anderen Gedanken:

 

So ein Präser war sicher eine gute Sache und während wir in der Sonne dösten und die Haut krebsrot machten überlegte ich was es sein könnte:

 

A: Ein abgepackter Pfefferminz gegen schlechten Atem.

B: Überzieher für Straßenschuhe, damit sie bei Regen nicht schmutzig wurden.

Ein 5 Mark Schein, um sie zum Eis einladen zu können.

Die Telefonnummer eines Sorgentelefons, bei Liebeskummer.

E: Getrocknete Rosenblätter zum Kennzeichnen eines romantischen Abends.

„Oh Mann. Die habe ich lange nicht gesehen.“ ,rief Uwe ängstlich.

„Das riecht nach Ärger.“ ,meinte Thomas

„Ja. Nach reichlich Ärger.“ ,fügte Bert hinzu.

 

Die Magnusbande stolzierte über den Platz und verbreitete Angst und Schrecken.

 

Wir hörten von der Liesl, mit der wir uns mittlerweile gut verstanden, das Magnus und Piet bei einem Einbruch erwischt wurden und für ein paar Monate ins Jugendheim mussten.

 

Alle sagten, das sie es verdient hätten und ich war froh meiner angesagten Höllenfahrt entgangen zu sein.

 

Jetzt waren sie wieder da, aber der Mut des Löwen aus Mitternacht, war mit ihrem Auftauchen baden gegangen.

 

Wortlos packten wir unsere sieben Sachen und schlichen uns davon.

 

Oh, wie armselig. Keiner sagte ein Wort. Fühlten uns, wie die letzten Looser.

 

In unserer Schule gab es auch reichlich Nieten und die größten waren die Streber aus dem Grammatik Leistungskurs.

 

Jetzt standen wir sogar noch unter denen. Ist das zu glauben?

 

Oh, Mann. Wie armselig. Jetzt zitierte ich schon wieder Herrn Mewes.

 

Beim Abschied nickten wir uns nur zu. Wie Verurteilte die zu ihrem letzten, endgültigen Gang aufbrachen.

 

Zu Hause saß ich auf unserem Balkon und überlegte, wie wir diese Situation bereinigen konnten.

 

Zwischendurch machte ich Kopfstand, um meine Gehirnzellen anzustacheln, nach einer Lösung zu suchen.

 

„Denk nach. Denk nach.“ ,sagte ich immerzu.

 

Doch es führte nur dazu, das ich tierische Nackenschmerzen bekam und mich übergeben musste.

 

Verabschiedete mich schon mal innerlich und bereitete mich auf das unausweichliche, unabänderliche Ende meines noch so jungen Lebens vor.

Einem jämmerlichen, beklagenswerten Tod mit dem Kopf in der Schultoilette am Valentinstag.

 

Ich verlor jedes Zeitgefühl und spielte 100 mal > Long black Limousine <

von Elvis. Das zog mich noch mehr runter, weil es um einen Typen ging der aus seiner Stadt wegging und immer damit angab in einem schicken Auto wiederzukommen. Jetzt lag er in einer schwarzen Limousine und alle klagten und weinten.

 

Das zog mich noch mehr runter, also ich drückte ein paar Tränen heraus und schaute mir dabei im Spiegel zu.

 

 

 

 

Um 21:00 rief Michaela an:

 

„Hallo mein Süßer.“

„Hi.“ ,sagte ich.

„Alles ok?“ ,fragte sie besorgt.

„Oh sicher, sicher.“

„Du klingst aber überhaupt nicht so.“

„Doch. Wir waren schwimmen und Uwe ist auf einer dicken Frau ausgerutscht und Bert hat sich wieder den Kiefer ausgerenkt und Thomas wird nicht mehr Priester, sondern Außenminister, weil man dann auch nach Norwegen fahren kann, um von den hübschen, blonden Frauen geküsst zu werden.“

„Und?“ ,fragte sie.

„Uuuuuuuuuuuuuuuund..... die Magnusbande ist wieder da!“ ,gab ich zu Protokoll.

 

Am anderen Ende hörte ich nur ihren Atem. Meine Hände begannen zu schwitzen.

Mein Herz ließ sich zu einem Galopp hinreißen. Meine Kehle wurde durch eine unsichtbare Hand zugedrückt.

 

„Ich komme sofort nach Hause!“ ,presste sie keuchend hervor.

„Nein. Das bringt doch nichts. Wir kommen schon klar.“ ,sagte ich so dahin.

„Ach ja. So, wie mit dem 5 jährigen der dir gegen das Schienbein getreten hat und dann weggelaufen ist?“ ,nörgelte sie.

„Oh, Mann. Der konnte wirklich schnell rennen.“

„Genau. Oder der 10 jährige der dir dein Eis geklaut hat.“

„Jaha. Aber, der war wirklich groß für sein Alter und sein 16 jähriger Bruder ist Großmeister im Mikado. Was willst du mir eigentlich sagen?“

„Du musst da verschwinden.“

„Hab schon einen Flug nach Hong Kong gebucht.“

„Es ist jetzt keine Zeit für Witze. Du kommst zu meiner Oma nach Osnabrück“

„Osnabrück?“ ,wiederholte ich mit quietschender Stimme.

„Ja. Osnabrück.“ ,wiederholte Michaela.

„Aber das ist doch das Dorf der Schlümpfe.“

„Nein. Das heißt Schlumpfhausen und Donald wohnt in Entenhausen und Asterix und Obelix in....“

„Ja, ich weiß, in einem von unbeugsamen Galliern bevölkerten Dorf.

Und das passt genau zu mir: Der Unbeugsame!“ ,stellte ich fest.

„PPPPPPPFFFFFFFFFFFF.“ ,hörte ich vom anderen Ende der verschwitzten Ohrmuschel.

 

Das wurde mir langsam zu blöd. War ich denn nur ein Clown? Ein Schwächling?

 

„Du musst dir keine Sorgen machen ich hab hier alles im Griff. Ich muss jetzt Schluss machen, also mit dem Telefonat nicht mit dir, mein Hamster will noch den Boden bohnern. Ich liebe dich.“ ,dann legte ich auf.

 

Nach 3 Millisekunden wurde mir bewusst was ich gesagt hatte:

 

Ich liebe dich!

 

Sie musste mich wirklich für einen dummen und verliebten Trottel halten.

 

Das Telefon klingelte abermals.

 

„Ich liebe dich auch. Du machst das schon.“ ,flüsterte Michaela mit ihrer weichen Stimme durch den Hörer und legte dann auf.

 

Oh, mein Gott. Ich sank auf meinen Stuhl, da meine Beine mich nicht mehr tragen konnten.

 

Nach 13 Minuten konnte ich wieder klar denken und schnappte mir das Lexikon:

 

„PPPPPPP.......PPPRRRRR.....PPPPPRRRRÄÄÄÄ...........PRÄSER................

 

Also:

 

Nach einem französischen oder englischen Arzt Conton (17. Jahrhundert) benannter dünner Überzug aus Gummi für das männliche Glied zur Verhinderung einer unerwünschten Schwangerschaft.

 

Aha.

Ich wusste noch nicht genau, wie ich diese merkwürdige Information verarbeiten sollte.

 

Ein dünner Überzug aus Gummi? Für das.....was?......Glied?

 

Natürlich hatten wir alle den totalen Durchblick, was Sex anging.

 

Uwe`s großer Bruder erzählte ihm haarklein, wie das alles zusammenhing und dann erzählte Uwe uns, was er von dem, was sein Bruder ihm erklärte noch wusste und wir hörten genau zu und verstanden nur die Hälfte.

 

Mann und Frau. Im Bett. Nackt. Körper die aufeinander liegen. Hände. Jo!

 

Aber, wie passte ein dünner Überzug während dieser wundervollen Erfahrung menschlichen Zusammenseins dazu?

 

Sollte ich zwischendurch aufhören und zu Michaela sagen:

 

„Jo. Alles klar. Es ist soweit. Fanfare. Ich reiße jetzt diese Verpackung auf und rolle den dünnen Überzug aus Gummi über mein Glied.“

 

Diese Vorstellung befand sich meilenweit von einem entspannten ersten Mal entfernt auf einem Berg dessen Spitze ich nicht mal sehen konnte:

 

A: Was sollte Michaela in der Zeit machen?

B: Waren wir schon nackt?

Würde sie meinen Körper schön finden?

Half sie mir beim Finden des Eingangs?

E: Was sollten wir danach machen?

 

Das Telefon klingelte wieder. Berts Stimme sagte nur:

 

„Um 3. Besprechung“.

 

Machte mich sofort auf den Weg und schwang mich auf meine Rosinante, so hieß mein Drahtesel. Irgendwie bescheuert. Klang nach 3. Klasse.

Rutschte manchmal in ein wehmütiges Gefühl. Hauptsächlich, wenn alles so schwierig wurde.

Dann wünschte ich mir meine Kindheit zurück. Eine Zeit, wo alles noch einfach war.

> Schlafen. Essen. Schreien. <

 

Besonders das Schreien fehlte mir.

Aber das ging vorüber und wenn ich die Kontrolle zurückgewann, suchte ich meinen Kiosk auf und kaufte 3 Lakritz Bonbons. Die besonders Harten, weil man die besonders lange lutschen konnte.

 

Herr Schlichting, der Ladenbesitzer, war ein alter, weißhaariger Mann mit freundlichen Augen und einer großen, schweren Brille.

 

Er trug immer viel zu große, graue Anzüge, die um seinen dünnen Körper schlackerten und den Eindruck hinterließen, er wäre ein Außerirdischer und wohnte auf dem Planeten Melmak.

 

An einem Montag vor 4 Wochen las ich, in seinem Laden, gerade in einem Superman Comic, als er der dicken, schwerhörigen Frau Schachtelhalm, von dem Überfall erzählte:

 

„Also, Frau Halterschwamm, diese dummen Jungen kamen doch tatsächlich mit einer Maske über dem Kopf herein und verlangten mein Kassengeld, sonst würden sie den Laden verwüsten und alle Süßigkeiten mitnehmen.

Ich sagte ihnen, das ich sofort die Polizei rufen würde, wenn sie nicht mit diesem Unfug aufhören würden. Daraufhin schlug mich der Größere von den beiden mit einem Stock. Hier sehen sie, da ist noch die Narbe.

Gott sei dank, kam dann Herr Pumpelmeier und hielt beide solange fest, bis die Gesetzeshüter kamen. Herr Pumpelmeier ist Ringer, wie sie sicher wissen

Frau Weiterqualm. Jedenfalls. Ich bin ganz schön überrascht gewesen, das Piet und Magnus unter den Masken steckten.“

 

Frau Schachtelhalm nickte die ganze Zeit eifrig mit ihrem kleinen, runden Kopf, obwohl sie sicher nicht mal die Hälfte von dem mitbekam was Herr Schlichting ihr erzählte.

 

Das alles hatte sich wieder in meinem Kopf breitgemacht, als ich Flohklaus beim Kiosk traf und ihm einen meiner Riesenkracher, wie die Bonbons bei uns hießen, schenkte. Er bedankte sich höflich und wollte mir unbedingt etwas zeigen.

 

Hinter dem Hochhaus gab es eine große Wiese und dahinter einen kleinen Wald.

 

Unter einer alten Eiche lag eine verrostete Kiste mit einem Adler und einem Hakenkreuz drauf.

 

In dieser Kiste lag.............Nichts.

 

„Da war eine Pistole drin. Ich schwör.“ ,beteuerte Flohklaus.

„Mmmmmh.“ ,gab ich zurück.

„Wirklich!“ ,blieb er standhaft.

 

Ich untersuchte den Tatort gewissenhaft. Da waren Fußabdrücke von Springerstiefeln und einer geriffelten Sohle sehr teurer Schuhe.

 

Magnus und Piet mussten vor kurzer Zeit hier gewesen sein. Die Spuren waren frisch.

 

„Kennst du die Geschichte von Nepomuck?“ ,fragte ich Flohklaus.

„Nein.“ ,antwortete dieser stirnrunzelnd.

„Dieser Nepomuck, war ein kleiner, aber pfiffiger Kerl. Er fand eine giftige Pflanze und rief seinen Kumpel Hasra. Doch bevor sie die Pflanze vernichten konnten, wurde sie von den bösen Zauberern Hesikjael und Bodro gestohlen.

Die wollten damit das Elfenland auslöschen und die Macht an sich reißen.“

 

Mit offenem Mund hörte Flohklaus gespannt zu.

 

„Was passierte dann?“ ,fragte er atemlos.

„Nepomuck und Hasra liehen sich einen Drachen aus dem Feenland und verfolgten die beiden. Und während Hasra auf dem Drachen ritt und sie mit lautem Gebrüll ablenkte, konnte Nepomuck den beiden Gaunern die Pflanze entreißen und somit das Land retten. Sie bekamen soviel Eis, in jeder Sorte die sie begehrten, wie sie essen konnten.“

„Sollen wir die Polizei rufen?“ ,fragte er.

„Ja. Gute Idee Torsten.“

„Torsten?“

„Ja. Der Name Flohklaus ist bescheuert und du bist viel zu groß für so einen Namen.“ ,erklärte ich.

„Danke.“ ,sagte er stolz.

 

Bevor sie einen zweiten Überfall im Kiosk, bei Herrn Schlichting, machen konnten, wurden sie gefasst und kamen ins geschlossene Jugendheim.

 

Ich lud alle in Oma´s Schlemmerparadies ein, weil wir doch noch alles zum Guten gewendet hatten.

 

Und da saßen wir dann:

 

Torsten, der früher Flohklaus hieß und jetzt Ehrenmitglied unserer Kumpelei war. Uwe, Bert, der heilige Thomas, der nicht mehr nach Norwegen, sondern nach Berlin wollte, weil da alle Frauen gefärbte, rote Haare hatten und das schon immer ein Zeichen von Leidenschaft war und alle machten sich über das Eis her.

 

Plötzlich stand Michaela in der Tür.

 

Ich sprang auf und stürzte auf sie zu. Meine Hand streifte dabei versehentlich ihren Po.

 

„Du Schlingel.“ ,flüsterte sie mir ins Ohr.

„Hast du`s schon gehört?“ ,fragte ich lachend.

„Ja. Ihr seid die großen Helden. Habt eine Pistole aus dem 2. Weltkrieg gefunden und einen Überfall verhindert.“

„Ich heiße jetzt Torsten.“ ,meldete sich Torsten.

„Das freut mich. Du bist gewachsen, in den 2 Wochen, die ich nicht da war.“

 

Er reckte seinen Kopf und wurde ein bisschen rot.

 

„Gibt es noch mehr Geschichten von Hasra und Nepomuck?“ ,fragte er mich.

„Ich schreibe sie dir auf.“ ,rief ich ihm zu.

 

Ich glaube an jenem Tag entschloss ich mich Geschichtenerzähler zu werden, denn das konnte ich wirklich besser, als alles andere.

 

 

Michaela kam ganz nah an mein Ohr:

 

„Ich habe dich vermisst.“ ,flüsterte sie.

„Ich dich auch.“

„Hab dir eine Hantel mitgebracht.“ ,teilte sie mir freudig mit.

„Äh. Super. Wozu?“ ,fragte ich verdutzt.

„Naja. Zum Trainieren. Der Achim meint, das wäre wichtig.“

„Der Achim?“

„Ja. Stell dir vor, der hat auch eine Oma in Osnabrück und wohnt auch in Hamburg.“

„Ach was?!“ ,gab ich gereizt von mir.

„Ja! Und er ist in einem Sportklub. Toll ne`?“

„Ja. Total toll.“ ,grummelte ich.

„Ja und er hat gesagt, ich soll mal vorbeikommen. Im Sportklub.“

„Ach!?“

„Jetzt sag doch nicht die ganze Zeit Ach.“ ,zickte sie mich an.

„Das ist erst das zweite Mal, das ich Ach gesagt hab.“

„Ach, du bist doof. Ich geh jetzt nach Haus!“

„Nein warte. Tut mir leid.“ ,sagte ich reumütig.

 

 

 

Sie umarmte mich und legte ihre Hand auf meinen Po.

 

Das war ganz schön aufregend.

 

Dachte sofort an den Überzug und an Norwegen und rote Haare und das es Zeit wurde, bis zum Äußersten zu gehen.

 

„Meine Mutter ist übermorgen Abend nicht zu Hause.“ ,flüsterte sie in mein Ohr.

„Soll ich Schokokekse und Milch mitbringen?“ ,flüsterte ich zurück.

 

Sie kniff mich in den Po und wir küssten uns.

 

Oh, Mann.

 

Dieser Sommer, war wirklich der heißeste Sommer den ich je erlebt hatte.

 

 

 

Mai 2020 von Axel Bruss

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mai 2020 von Axel Bruss

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Hallo Axel,

 

jetzt hab ich mich leergelacht und alles ausgelesen..... 

herrlich! Du hast mich ganz schön durch die Zeilen gejagt, da war überhaupt kein kleiner Absatz der mich mal hätte mal aufs kl...naja mal ne Pause hätte machen lassen.

Und wie lehrreich! Bin froh jetzt zu wissen das es wissenschaftlich bewiesen ist, dass Mädchen nicht größer als 1 m 63 werden, glaubte ich doch mein ganzes Leben lang ganz fest daran 1,65 zu sein. Eine Lebenslüge im Vorbeigehen entlarvt!

Sehr sehr humorig und kurzweilig geschrieben

Vermisst habe ich eingentlich nur das 2. s bei den dass und bis auf die Zeile mit dem Zelt fand ich nichts zuviel.

Hat schon ein bisschen was von Ludwig Thoma und der Schreibstil hat mich in meine Zeit als 14 Järige versetzt.

Und dass ich eine so lange Kurzgeschichte in einem Atemzug um nicht zu sagen wie ein Eichhörnchen beim Sex gelesen habe daran bist nur du schuld ich wollte das gar nicht.

 

Liebe Grüße

Sali

 

Geschrieben

Hallo Sali

 

Danke für deine Zeilen. Höre gerade Michael Bublè, die schnelleren Sachen, und bin guter Dinge.

Ich freue mich sehr, das dir die Geschichte so gut gefallen hat.

 

Ja. Also. Das mit dem dass, ist schwierig. Genau genommen ein Mysterium. :-)

 

Übrigens, es gibt insgesamt 6 Teile. Hast du die beiden ersten Teile schon gelesen?

 

Liebe Grüße

 

Axel

Geschrieben

Hi Axel,

ne die stehen noch aus, ich muss erst mal die verdauen

aber: die stehen auf meiner Liste und ich muss ja die Zeit überbrücken können bis die letzten 3 Teile kommen. Ich freu mich aber schon tierisch aufs lesen!

Das ist eine Auszeichnung, da ich äußerst selten, eigentlich so gut wie nie, Kurzgeschichten lese.

 

Liebe Grüße

Sali

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