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Wieso ist alles vor der Reise

schon voller Abschied in den Dingen,

das Atmen, schwer und stets im Kreise,

nur ein Versuch, um Luft zu ringen?

 

Nach draußen blickt die Fensterscheibe

und weist hinaus mit harten Händen.

"Und wenn ich trotzdem einfach bleibe?"

spielt ein Gedanke in den Wänden.

 

Die Uhr erklärt, es sei bald Zeit

und mahnt so streng mit ihren Zeigern.

Nein, dieser Ungerechtigkeit

vermag ich nicht, mich zu verweigern.

 

Und alles bleibt an seinem Platz,

nur ich bin dieser Welt entrückt.

Ein letzter Kuss noch für die Katz,

die so, als ob ich stürbe, blickt.

 

Du strengst dich an, zu übersehen,

wie schwer mir dieser Abschied fällt:

"Nun halt dich ran! Du musst jetzt gehen."

"Du weißt, ich bin nicht aus der Welt."

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liebes schmuddelkind,

 

gedichte, die mit einer frage beginnen, mag ich ganz besonders. das LI fragt, ja, wen eigentlich? sich selbst wahrscheinlich, aber auch ein richten der frage an das LD, an die katz oder gar das universum wäre denkbar. denn es muss ja eine rhetorische frage bleiben, wer wüsste darauf schon eine befriedigende antwort.

 

wie so oft finde ich in deinem schönen gedicht schwermut und traurigkeit neben augenzwinkernden versen, bei denen man einfach nur grinsen muss (bei der blickigen katze, die das vermeintliche dahinscheiden des LI im auge spiegelt, konnte ich nicht anders :rofl2:).

 

sehr gelungen empfinde ich auch, wie das ganze haus mit in die abschiedsgedanken einbezogen wird, so als ob LI und wohnort eine symbiose eingegangen sind und die dinge - ähnlich wie eltern an ihre kinder - gute ratschläge erteilen wollen. es ist jetzt zeit, erklärt die uhr. und die wände, symbol für das eigene zuhause,  überlegen, ob das LI nicht einfach da bleiben könnte. das LI kann sich aber nicht den äußeren? zwängen entziehen, es muss wohl gehen, auch wenn es das als ungerecht empfindet.

 

das LD versucht, mit aufmunternden worten dem LI ein wenig die traurigkeit über den abschied zu nehmen, indem es die eigene betrübtheit angestrengt überspielt. das LI kann es damit aber nicht täuschen und so versucht es (das LI), mit dem letzten vers sich selbst und das LD zu beruhigen. *du weißt, ich bin nicht aus der welt.* 

das mag ja stimmen, aber trotzdem fühlt es sich beim abschied wohl für beide so an und irgendwie ist es ja auch tatsächlich so, dass man die welt des anderen in einer gewissen weise verlässt, wenn man sich trennen muss, die gefühls- und erlebenswelt. und das tut weh, besonders, wenn man diese eigene welt gern mit dem anderen teilt und ihn jederzeit einlädt, darin zu verweilen.

so denke ich, dass der spruch *ich bin nicht aus der welt*  und der ja allgemein unsere außenwelt meint, in diesem fall auch die innerwelt des LD meint und das LI damit versichern will, dass es in gedanken auch in dieser welt des LD bleibt.

 

wie immer ein tolles gedicht von dir, welches ich besonders gern gelesen habe. :grin:

 

lg

sofakatze

 

 

 

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Hallo, Schmuddelkind,

 

vor 10 Stunden schrieb Schmuddelkind:

Wieso ist alles vor der Reise

schon voller Abschied in den Dingen,

Das ist so gut beobachtet und beschrieben! Es gibt dazu ein gutes Sprichwort - habe es gesucht, aber leider nicht gefunden -, dass man schon lange vor dem wirklichen Abschied den Abschiedsschmerz spürt, oder dass sich der Abschied schon vorher vollzieht.

 

Ein sehr schönes Gedicht! Das LI möchte bleiben und spielt mit dem Gedanken, es wirklich zu tun. Auch mir gefällt es, dass die ganze Umgebung mit eingebunden ist. Wirkungsvolle Metaphern, wie die "harten Hände" zeigen, wie hart und unabdingbar der Abschied wirklich sein kann; auch, dass sie nach draußen weisen, passt sehr gut und ermahnt, nun endlich zu gehen.

 

Dass der Gedanke "in den Wänden spielt" zeigt, wie man sich an alles klammert, das einem noch Halt geben könnte, einen zurückhalten könnte - dann, wenn sogar das LD einem hinaus helfen will.

 

Die Doppeldeutigkeit des letzten Kusses "für die Katz" lockert die allzu traurige Stimmung, und ich finde diesen Vers super gelungen!

 

Sehr gerne gelesen!

Nesselröschen

 

PS: Der Titel "Aus der Welt" kann auch doppeldeutig gelesen werden: Nicht aus der Welt sein oder, es wird alltäglich Vorkommendes aus der Welt erzählt ...

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Lieber Schmuddelkind,

 

ich bin beeindruckt. Von Anfang bis Ende eine tief bewegende  Darbietung des Haderns und Ringens mit einem ungewollten Abschied. Besser kann man das wohl kaum in Verse fassen. 

Klasse auch der sinnbildliche "Kuss für die Katz".

 

wow ...

 

LG

Rita

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Wow! Vielen Dank für die vielen, liebevollen Kommentare!:grin:

 

Am 7.5.2021 um 21:22 schrieb sofakatze:

gedichte, die mit einer frage beginnen, mag ich ganz besonders.

Wieso?:wink:

Cool, dass du das so siehst, liebe sofakatze. Irgendwie geht es mir nämlich auch so. Fragen zu Beginn - das hat was und ich weiß nicht genau, was es ist. Vielleicht einfach die Tatsache, dass der Leser sich angesprochen fühlt oder auch dass Fragen den Leser unmittelbar einladen, Antworten zu suchen, selbst wenn es eine rhetorische Frage ist.:gruebeln_yellow:

 

Am 7.5.2021 um 21:22 schrieb sofakatze:

wie so oft finde ich in deinem schönen gedicht schwermut und traurigkeit neben augenzwinkernden versen, bei denen man einfach nur grinsen muss (bei der blickigen katze, die das vermeintliche dahinscheiden des LI im auge spiegelt, konnte ich nicht anders :rofl2:).

Ja, im Leben sind Ernsthaftigkeit und Humor nicht so klar abgegrenzt und bei meinen Gedichten halte ich es deshalb oft auch so. Wenn man ein trauriges Gedicht liest und über ein, zwei Verse herzhaft lachen kann, ohne dass dadurch die Melancholie gebrochen wird, wird das mehr als deutlich und das ist dann natürlich ein interessantes Erlebnis. Daher mag ich auch z.B. Charlie Chaplin und Buster Keaton. In deren Filmen wird so viel Schmerz und Trauer ausgedrückt und dennoch kann man die meiste Zeit lachen.

 

Am 7.5.2021 um 21:22 schrieb sofakatze:

sehr gelungen empfinde ich auch, wie das ganze haus mit in die abschiedsgedanken einbezogen wird, so als ob LI und wohnort eine symbiose eingegangen sind und die dinge - ähnlich wie eltern an ihre kinder - gute ratschläge erteilen wollen. es ist jetzt zeit, erklärt die uhr. und die wände, symbol für das eigene zuhause,  überlegen, ob das LI nicht einfach da bleiben könnte. das LI kann sich aber nicht den äußeren? zwängen entziehen, es muss wohl gehen, auch wenn es das als ungerecht empfindet.

Ja, die Personifikation der gesamten Umgebung war hier ein zentrales Stilmittel und ich bin dankbar, dass du das so gut herausgestellt hast. Beim Abschied ist alles, was man sieht, mit Gedanken verbunden, die sich auf diesen Abschied beziehen, allein schon deshalb, weil man ja auch von jedem Ding Abschied nehmen muss. Vermischt mit den Zweifel (should I stay or should I go?), erscheint es einem fast so, als würden die Dinge mit einem reden, denn so viel Zerrissenheit möchte man nicht gerne in sich selbst verorten.

 

Was mich beruhigt: Dass tatsächlich durchkommt, dass die Wände ein Symbol für das Zuhause sind. Da war ich mir nicht so sicher, wie klar das wird. Die Wände ziehen ja eine Grenze zwischen "hier" und "dort" und sagen damit aus, was alles hierher gehört, das LI mit eingeschlossen.

 

Am 7.5.2021 um 21:22 schrieb sofakatze:

das LD versucht, mit aufmunternden worten dem LI ein wenig die traurigkeit über den abschied zu nehmen, indem es die eigene betrübtheit angestrengt überspielt. das LI kann es damit aber nicht täuschen und so versucht es (das LI), mit dem letzten vers sich selbst und das LD zu beruhigen. *du weißt, ich bin nicht aus der welt.* 

Super beobachtet! Der Satz "Nun halt dich ran! Du musst jetzt gehen." erscheint ein bisschen nüchtern, kalt und lieblos und so soll es wohl auch wirken, weil das LD die Schwere der Situation überspielen möchte. Dass das LI ebendieses Motiv durchschaut, zeugt davon, wie nah die beiden einander sind. Dass der Beruhigungsversuch des LI daher wohl auch erfolglos bleibt, dürfte ihm selbst bewusst sein und dennoch bemüht es sich darum, das LD zu beruhigen, weil Liebe nicht immer zielorientiert ist, sondern sich mehr auf den Weg selbst bezieht.

 

Am 7.5.2021 um 21:22 schrieb sofakatze:

so denke ich, dass der spruch *ich bin nicht aus der welt*  und der ja allgemein unsere außenwelt meint, in diesem fall auch die innerwelt des LD meint und das LI damit versichern will, dass es in gedanken auch in dieser welt des LD bleibt.

Das ist eine schöne, versöhnlich stimmende Deutung.:smile:

Ja, irgendwie nimmt man ja durch das Denken an den anderen an seiner Welt teil: Man stellt sich vor, was er gerade tut, sieht ihn, in seiner ganz eigenen Weise, mit seiner Gestik und Mimik, auf bestimmte Situationen reagieren... Räumliche Trennung ist hart, aber zumindest bleibt man im Herzen vereint.

 

Am 7.5.2021 um 21:22 schrieb sofakatze:

wie immer ein tolles gedicht von dir, welches ich besonders gern gelesen habe.

Danke. Das freut mich.:grin:

 

Am 8.5.2021 um 06:55 schrieb Nesselröschen:

Das ist so gut beobachtet und beschrieben! Es gibt dazu ein gutes Sprichwort - habe es gesucht, aber leider nicht gefunden -, dass man schon lange vor dem wirklichen Abschied den Abschiedsschmerz spürt, oder dass sich der Abschied schon vorher vollzieht.

Danke, liebes Nesselröschen! Ja, leider ist es so. Wäre eigentlich schön, wenn man bis zum Abschied gar nicht daran denken müsste und sich noch ganz "unbelastet" auf die letzten gemeinsamen Stunden einlassen könnte. Das macht den Abschied irgendwie noch schlimmer, dass das Gefühl des Abschieds dem eigentlichen Akt vorausgeht und man das Zusammensein nicht voll und ganz bis zum Ende genießen kann.

 

Mir fällt jetzt leider auch kein Sprichwort ein, das du meinen könntest. Aber es ist schon beachtlich, wie viele Sinnsprüche es zum Thema "Abschied" gibt, quer durch alle Sprachen. Das ist wohl eines der universalen Themen, in denen Menschen aus aller Welt sich verstehen können. Da sagt mal noch einer, Literatur müsse sich mit Politik und gesellschaftlichen Problemen beschäftigen. Das darf sie freilich auch und wenn es gut gemacht ist, lese ich das auch gerne, aber letztendlich ist es flüchtig und bis fast zur Nichtigkeit spezifisch. Abschied, Sehnsucht, Liebe, Tod, Verdauungsprobleme - das sind Themen, die alle Menschen an allen Orten, zu allen Zeiten bewegen. Warum nicht darüber schreiben?

 

Am 8.5.2021 um 06:55 schrieb Nesselröschen:

Ein sehr schönes Gedicht! Das LI möchte bleiben und spielt mit dem Gedanken, es wirklich zu tun. Auch mir gefällt es, dass die ganze Umgebung mit eingebunden ist. Wirkungsvolle Metaphern, wie die "harten Hände" zeigen, wie hart und unabdingbar der Abschied wirklich sein kann; auch, dass sie nach draußen weisen, passt sehr gut und ermahnt, nun endlich zu gehen.

Mich freut es sehr, dass die die Metaphorik so gut gefällt. Vielen Dank, dass du die Fensterklappen-Metapher so schön durchleuchtet hast!:thumbup:

Ja, klare Kanten, Strenge und Härte zeigt uns die Notwendigkeit, zu gehen; das lässt sich in der Tat in dieser Metapher und in den mahnenden Uhrzeigern erkennen. Überhaupt sind Sachzwänge meist erbarmungsloser als unsere schlimmsten Feinde.

 

Am 8.5.2021 um 06:55 schrieb Nesselröschen:

Dass der Gedanke "in den Wänden spielt" zeigt, wie man sich an alles klammert, das einem noch Halt geben könnte, einen zurückhalten könnte - dann, wenn sogar das LD einem hinaus helfen will.

Solche Gedankenspiele spuken dann gerne mal durch die Wände und du hast recht: Man hofft heimlich, dass einem irgendetwas zurückhält. Auch dafür kann die Wand tatsächlich sinnbildlich stehen. Ist schon bezeichnend, dass man selbst wohl nicht die Entscheidung treffen kann, zu bleiben. Es sind Sachzwänge, die einen zum Gehen bewegen und es könnten wohl nur Sachzwänge sein, die einen zurückhielten.

 

Am 8.5.2021 um 06:55 schrieb Nesselröschen:

Die Doppeldeutigkeit des letzten Kusses "für die Katz" lockert die allzu traurige Stimmung, und ich finde diesen Vers super gelungen!

Cool! Schön, dass diese Auflockerung dich nicht stört!:smile:

 

Am 8.5.2021 um 06:55 schrieb Nesselröschen:

PS: Der Titel "Aus der Welt" kann auch doppeldeutig gelesen werden: Nicht aus der Welt sein oder, es wird alltäglich Vorkommendes aus der Welt erzählt ...

Stimmt! Sonst bin ich nicht so begabt darin, einen passenden Titel zu finden, aber hier mag ich den Titel wohl auch wegen dieser Doppeldeutigkeit.:smile:

 

Am 8.5.2021 um 07:40 schrieb Rita Lin:

ich bin beeindruckt. Von Anfang bis Ende eine tief bewegende  Darbietung des Haderns und Ringens mit einem ungewollten Abschied. Besser kann man das wohl kaum in Verse fassen. 

Klasse auch der sinnbildliche "Kuss für die Katz".

Wow! Vielen Dank, lieber* Rita Lin!:scared:

Dass du gar beeindruckt bist von meiner Darstellung einer Alltagsszene, hätte ich nicht zu hoffen gewagt. Jedenfalls bin ich beruhigt, dass das Hadern und Ringen so deutlich angekommen ist.:smile:

 

*Ich stolpere jedes Mal ein wenig, weil in deinem Namen ja "Rita" vorkommt, weswegen ich dich unwillkürlich mit weiblicher Anrede ("liebe Rita Lin") ansprechen möchte, aber da bei dir unter dem Bildchen "Autor" und nicht "Autorin" steht, wähle ich dann doch die männliche Anrede. Wenn das für dich nicht OK ist, musst du nur bescheid sagen.:smile:

 

Am 8.5.2021 um 07:58 schrieb Sonja Pistracher:

Schließe mich gerne allen Vorrednern an lieber @Schmuddelkind. Einfach wunderschön in diesem facettenreichen Abschiedszenario. Deine dichterischen Qualitäten haben in jeder Hinsicht Niveau und liegen vor allem genau auf meiner Linie, die mir viel Freude und Genuss beim Lesen schenkt.  

Vielen lieben Dank, liebe Sonja. Da dir meine Gedichte ja meist so viel Freude bereiten und ich deine Kommentare dazu immer gerne gelesen habe, aber v.a. weil ich dich in diesem Forum als netten, freundlichen, bescheidenen und empathischen Menschen kennengelernt habe, fällt es mir schwer (wie passend zu diesem Gedicht!) von dir Abschied zu nehmen.:sad:

 

Habe schon mitbekommen, dass du demnächst hier deine Zelte abbaust und das bedauere ich sehr, wenngleich ich es zwar nicht in den Details (die mich wahrscheinlich nichts angehen), aber doch in der Idee verstehen kann. Das Privatleben hat immer Vorrang. Daran gibt es nichts zu rütteln. Ich wünschte mir, dass es keine solchen Sachzwänge gäbe, die dich zu diesem Schritt bewegen, aber natürlich steht es mir nicht zu, dir eine solche Entscheidung abzusprechen oder auszureden. Ich kann nur hoffen, dass wir uns vielleicht irgendwann mal wieder über den Weg laufen und du in der Zwischenzeit mit der Gewissheit lebst, dass es richtig ist, hier nicht zu sein, solange du weg bist.

 

Ich wünsche dir alles, alles Gute.

 

LG

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