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Geschrieben

Hi Nina,

 

erstmal danke für den Hinweis. In der letzten Zeile war beim Editieren ein falsches Wort - das "in" - stehen geblieben. Vorher hatte ich da eine Silbe zuviel im Pentameter.

 

Ansonsten greift der Text ja nur eine wichtige Funktion des menschlichen Bewusstseins heraus, dass sich darin die Welt spiegelt.

 

Wie gut sie das tut, kann man sich fragen. Und sicher auch, ob das Bewusstsein nur das tut, wie du automatisch angenommen hast. 

 

Na und dann steckt noch die Frage im Text, wann und wie sich die Welt gegen das Spiegeln so heftig wehrt. Das könnte auch eine Unterstellung sein ;-).

 

Du hast also Recht, der Text stellt vor allem Fragen.

 

LG Lé

Geschrieben

Lieber Lé,

 

schön, mal wieder ein Distichon von dir zu lesen! Deine eigenwillige Formatierung finde ich ganz ansprechend. Ich denke, das kann man hier ruhig so machen.

 

Du hast beide Verse holodaktylisch, also in einem ziemlich rasanten Tempo gestaltet. Weil mir außerdem einiges an (möglicherweise verzichtbarem?) Baumaterial auffällt, habe ich mir überlegt, was ich evtl. rausnehmen würde.

 

"Bist" braucht eine Doppelsenkung, weil das Hilfsverb nicht kräftig genug scheint, einen zweisilbigen Fuß zu stützen. Also ließe ich "doch" stehen und würde "nur" rausnehmen, damit der Hexa rhythmisch etwas mehr Biss bekommt. Im Pentameter stören mich die Reime, deswegen habe ich auch da mal was anderes probiert:

 

Bist doch der Welt ein Spiegel, 
             in dem sie sich schaut, und gefällt ihr
nicht -  das Bild, das sie sieht, 
             schlägt sie ihn wütend entzwei.

 

Ob es dir mit den Veränderungen noch gefällt, kann ich natürlich nicht sagen und lass mich da gerne überraschen.

 

LG Claudi

 

 

  • Danke 1
Geschrieben

Hi Claudi,

 

ich gebe zu, ich habe über die beiden Fragen schon nachgedacht  sowohl über die Frage, ob ich den Hexameter holodaktylisch haben möchte, also auch über die Frage "Gesicht" oder "Bild".

 

Die Zeilen waren im Erstentwurf gesamtheitlich daktylisch, und ich habe sie dann erst im nächsten Schritt in ein Distichon umgewandelt, anfangs sogar mit Fehler eingestellt - t t t.

 

Inhaltlich hänge ich aber sowohl am "doch", als auch am "nur", und nehme die Geschwindigkeit hier gern, verzichte auf die Variation im Takt.

 

Ähnlich ist es beim "Bild". Das ist zwar rythmisch interessant, aber zu unpersönlich für den zweiten Teil des Pentameters.

 

Dort gäbe es noch die Variante "zürnen" statt "wüten". Was meint ihr?

 

Danke für die intensive Auseinandersetzung mit dem Text.

 

LG Lé.

 

 

P.S. Aber: für das Wort "bricht" gabe es vielleicht Ersatz. Wie ware es mit "schlägt" oder "wirft" oder ....?

Geschrieben

AHA

Holodaktylisch...da steht mir ja noch einiges bevor! 

Wieder ein neues Wort gelernt!

 

 

Habe die beiden Versionen mal fast nebeneinander gestellt: bricht/wütend und wirft/zürnend/ 

bricht /zürnend und /wirft /wütend lass ich mal, kann man sich auch so denken..

 

Bist doch der Welt nur ein Spiegel, 
             in dem sie sich schaut, und gefällt ihr
nicht -  das Gesicht, das sie sieht, 
             bricht sie ihn wütend entzwei.

Bist doch der Welt nur ein Spiegel, 
             in dem sie sich schaut, und gefällt ihr
nicht -  das Gesicht, das sie sieht, 
            wirft sie ihn zürnend entzwei.

 

Mein Verständnis vom Text:

 

Es gibt da 3 Möglichkeiten

 

1. ) Das was man in der Psychologie Übertragung nennt,(eine unbewusste Übertragung der eigenen verdrängten Gefühle aus der Vergangenheit). Also bestimmte Gesten Handlungen oder Redewendungen erinnern uns an ein negatives Erlebnis aus der Kindheit. Da es eben unbewusst ist, erkennen wir nicht dass unsere Reaktion auf die Person nichts mit der Person zu tun hat, also die Reaktion ist eigentlich eine Reaktion auf das Ereignis aus der Vergangenheit. Die Reaktion kann negativ oder positiv sein.

 

2. ) oder wie man früher sagte: man sieht im Andern das was man an sich nicht wahrhaben will, also die eigenen negativen Eigenschaften: also ein Geizhals, der sich nicht für einen solchen hält meint in seinem Gegenüber einen geizigen Menschen zu sehen.

 

3. ) Dann gibt es noch die bekannten Spiegelneuronen im Gehirn (das ermöglicht gesehene Handlungen zu imitieren und wie selbst erlernte zu integrieren): sie stellen ein Resonanzsystem dar, das uns z.B. wenn jemand schlechte Laune hat, wir uns quasi "anstecken" und dann selbst schlecht gelaunt sind.

 

 

In allen Varianten ist jeder Mensch allen anderen Menschen ein Spiegel.

 

Bei 1.) werden wir auf die Person verletzt reagieren und als Reaktion darauf auf sie wütend, durch die Wut möchten wir den anderen auch verletzten, also den Spiegel emotional zerschlagen.

bei 2. ) der Typ regt einen so auf, dass wir zu streiten beginnen, also verbal den Spiegel zerschlagen (denn der Streit geht mit Sicherheit am Kern vorbei)

bei 3. ) richtet sich falls es sich um Wut handelt diese nicht gegen die Person die uns angesteckt hat sondern wird eher als diffuse Wut empfunden, das Ziel kann dann irgendwas irgendwer  (und dass es eventuell den nächsten der ins Zimmer kommt trifft ) .. aber eher nicht unbedingt  den Spiegel.

 

also kommen für mich nur 1 und 2 in Frage,

am ehesten  Nr. 1 weil hier das höchste emotionale Energiepotential drin steckt.

 

Und deshalb bin ich für die Wortvariante:

wirft / wütend

 

falls meine Holobeleuchtung  irgendwen interessieren sollte

 

liebe Grüße

Sali

 

 

 

 

 

 

Geschrieben

Liebe Sali,

 

schön dass du dich zu Wort meldest.

 

Auch wenn du in Sachen Metrik (noch) nicht fertig ausgebildet bist, ist doch dein Sprachgefühl und deine Fähigkeiten, Texte zu lesen, und umsichtig zu deuten sehr wertvoll und gefragt - wie du sicher weißt.

 

Du wirfst in deiner psychologischen Sichtung die vielfältigen Probleme, Verzerrungen und Verwerfungen hervor, die das gegenseitige Bespiegeln mit sich bringt. Diese Dimension des Textes macht ein großes Feld auf ;-).

 

"wirft wütend" hört sich schon ziemlich nach mir an. Ich muss darüber wohl mal schlafen.

 

LG Lé.

Geschrieben

Lieber Lé,

 

Am 17.5.2021 um 10:22 schrieb Létranger:

Bist doch der Welt nur ein Spiegel, 
             in dem sie sich schaut, und gefällt ihr
nicht -  das Gesicht, das sie sieht, 
             schlägt sie ihn wütend entzwei

 

Du bist bzw. ich bin die Welt (nicht nur für mich, sondern auch für die Welt bin ich die Welt). Wenn ich den Spiegel entzwei schlage (die Welt verurteile), muss ich auch mich verurteilen und nicht gut heißen.

 

Im engeren Sinne geht es um das Bild, das wir nach außen abgeben(?).

 

"wirft wütend entzwei" gefällt mir auch - es ist lebhafter.

 

LG Nesselrose

Geschrieben

Liebe Nesselrose.

 

Bei diesem kleinen Text überrascht mich, wie vielfältig und verschieden er verstanden wird. 

 

Beim Schreiben war ich sehr stark der Perspektive eines LI nahe, dass sehr enttäuscht und frustriert mit sich selbst spricht. Es interpretiert die wahrgenommene "negative Reaktion der Umwelt (das Zerschlagen des Spiegels) als Antwort darauf, dass es der Welt den Spiegel vorhält (die Wahrheit spricht ?!).

 

Aber der Text ist offensichtlich sehr vielfältig in seinen Deutungsmöglichkeiten, das spricht ja dann für ihn ;-).

 

LG  Lé. 

  • in Love 1
Geschrieben

Hi Lé,

 

Das LI bleibt im Hintergrund.

Ist es ein anzunehmender allwissender Autor, der ein fiktives LD aufklärt? Im Grunde erklärt sich dieser aber selbst seine schnöde Welt und zimmert sich eine Lebensweisheit zurecht, sodass ich davon ausgehe, dass das LD = LI ist.

Fühlt sich auch der Leser als Du angesprochen? Ich kann in Erwiderung natürlich nur für mich und nicht für die Welt sprechen. Das ist jedoch der springende Punkt.

Als allgemeingültige Lebensweisheit fiele der Vierzeiler  bei mir durch. Er beschreibt ein momentanes Stimmungsbild des LI`s, und mehr nicht. Dieser spiegelt mir seine düstere und subjektive Weltsicht, nach dem Motto " die ganze Welt ist doof, sie ist mir nur ein intoleranter Spiegel, dem ich genügen muss, eine kalte Welt, die mich zerschlägt, wenn ihr nicht gefällt, was sie sehen will etc." 

Nur eine völlig "entindividualisierte" Welt könnte letzendlich so einheitlich und platt  reagieren, wie sie das Li hier empfindet und beschreibt. Zu solch einer existenzbedrohenden Welt, die geprägt sein muss  von blinden Phasen tiefer Verzweiflung, Angst, Wahnvorstellungen  oder Depressionen mag ein undifferenziertes Weltbild  aber durchaus passen.  Auch für die Implementierung einfach gestrickter Handlungsmuster und Feindbilder mag die dahinterstehende Denke herhalten.

Welches Individuum aber wollte sich in tiefenentspannter Situation ernsthaft dieser Kernaussage anschließen weil es nur noch von reaktiven Wesen und Spiegelbildern als "Gesamtwelt" umgeben ist?  

In der Psychologie und z.T. in der Gerontologie müssen solche Weltbilder immer wieder aufgebrochen werden, die den Patienten dahingehend bestärken, dass er sehrwohl ein Individuum sein darf, allen Unkenrufen einer bedrohlich empfundenen Welt zum Trotz.  

gerne  gelesen, Amadea

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  • Gefällt mir 1
Geschrieben

Lieber Lé,

 

einen ehrlichen Spiegel halten viele nicht aus. Sie machen ihn -wie hier- lieber kaputt, als auf der Grundlage der Wahrheit an sich arbeiten, damit sie weniger hässlich sind.

 

Gern gelesen.

 

Gruß von gummibaum

  • Gefällt mir 1
Geschrieben

Hallo Amadea @Amadea

@gummibaum

 

Genau zwischen diesen beiden Polen, die ihr beiden, in euren Antworten  aufruft, steht dieser Text.

 

Ich verstehe ihn auch so, wie Amadea ihn verstanden hat. Er ist für mich keine philosophische Äußerung, sondern ein Selbstgespräch eines LI, im anklagenden Lamento-Ton öffentlich geäußert. Dafür wird in dem Text ja auch einiges an emotionalisierenden Worten und scheinbaren Füllworten investiert. 

 

Das LI hat wohl schon den einen oder anderen philosophischen oder psychologischen Wortschatz aufgeschnappt, aber das ist ja nicht selten in unseren Zeiten.

 

Andererseits könnte die Sicht des LI auch Anspruch darauf erheben, bestimmte Aspekte der Situation zutreffend zu beschreiben - so wie es Gummibaum hervorhob.

 

Gruß von Lé.

 

 

Geschrieben

Hallo Fietje,

 

geschrieben ist es hier ja erstmal  anders herum: der Mensch ist der Spiegel - das Spiegelbild ist dann das, was man in  seinem Verhalten erkennen kann. Das ist vielleicht  ein bisschen spitzfindig, aber es könnte wichtig sein. Denn, wenn man die Botschaft vom Sender unterscheidet, dann kann man sich die sinnlose Aggression vielleicht sparen ;-).

 

LG Lé.

Geschrieben

Hallo, Lé,

 

vor 5 Stunden schrieb Létranger:

Denn, wenn man die Botschaft vom Sender unterscheidet,

Du meinst, die Botschaft isoliert sehen? Als nicht vom LD kommend und folglich nicht von einem selbst - das macht es einem leichter, wäre aber nicht richtig! Botschaft angekommen: Sich an die eigene Nase fassen, kann nicht schaden, wenn es um die Eitelkeit der Welt geht. Das ist es, was ich aus deinem Gedicht lese.

 

Gefällt mir! LG

 

  • 1 Monat später...
Geschrieben

@Le

 

Grüße.

 

Den Inhalt kann man nicht verallgemeinern, das geht sehr schlecht. „der Welt“ ist ja ein Gesamtpaket, an Eigenschaften, die Unzählbar sind. Das auf eine Person gemünzt?

Also ist nur der Spiegel das „Du“

 

Demzufolge:

 

Aber der erste Versuch ein, (vermutlich schönes) Bild der Welt zu kopieren geht schief,

 

demzufolge das zweite Bild der Welt, die Zerstörung.

 

Perfekt, aber leider bin ich kein Spiegel dieser Welt.

 

Was machen wir jetzt?

 

Philosophie der tausend Wege.

Tschüss.

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