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Geschrieben am

Lass mich bitte eine Sekunde schweben,
lass mich bitte eine Sekunde leben,
atmen und auch fliegen, 
lass mich ruhig danach liegen,
lass mich ruhig danach fallen,
denn was wäre ein Tiger
ohne seine Krallen?
 

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Geschrieben

Hallo, Just_Markus,

 

Schwebzustand und Leblosigkeit in einem im Titel ist schon eine gute Einleitung, obwohl mich das zusammengesetzte Wort eher in eine andere Richtung denken ließ: nicht so ernste Gedanken.

 

Das Gedicht gefällt mir, es steigert sich von Zeile zu Zeile: Das Schweben wird zum dramatischen Leben (hier kann man sehr viel weiter denken). "Atmen und fliegen" (sich erschöpfen), und danach die Bitte, sich ausruhen zu dürfen, weil man wirklich bis an seine Grenzen gegangen ist. 

 

Dann folgt wieder eine Steigerung: "lass mich ruhig danach fallen".

 

Ich würde das Gedicht hier enden lassen, weil mich das Ende aus diesen sehr harmonischen, einheitlichen Zeilen jäh herausreißt, und ich den Anschluss nicht finde. Die Krallen, der Tiger - sie kommen zu plötzlich, und ich kann sie in den vorangegangenen Zeilen nicht finden (auch nicht dazwischen). Was ist es, was ich verstehen sollte?

 

Gerne gelesen! LG Nesselröschen

Geschrieben

Hallo @Nesselröschen
Erstmals freut es mich natürlich dass du das Gedicht gelesen und dich dann noch zu so einem großen Teil damit auseinander gesetzt hast  
Ich kann dir gerne meine Intention, die an vielen Stellen meiner Meinung nach gar nicht so gut ist wie deine Interpretation, erläutern  
Das lyrische Ich ist abhängig von dem Gefühl zu Schweben, es braucht es zum Leben und zum atmen, es wird dadurch in einen Art fliegenden Zustand versetzt. Dieses Gefühl kann für jeden Subjektiv sein, aber hier insbesondere ist Liebe als auch generell Aufmerksamkeit gemeint. (V. 1-3) 
Es weiß, dass das lyrische Du ihm dieses Gefühl geben wird, aber weiß auch, dass das lyrische Du es gar nicht braucht oder danach vermutlich nicht länger brauchen wird. Es drückt das zu erst so aus als wolle es bloß, dass man es kurz alleine lässt. Doch dann drückt es aus, dass dieses in Ruhe lassen für es wie ein fallengelassen werden ist. Es braucht dieses lyrische Du und es wird schnell verletzt durch die Unaufmerksamkeit des lyrischen Dus. (V. 4-5)
Doch dann zeigt sich die Irrationalität des lyrischen Ichs, welche das gebe ich auch gerne zu ausgelassen werden könnte. Es versucht sich einzureden, dass es Normal sei, denn jeder Tiger würde ja auch mal Kratzen. Es sei normal, dass das lyrische Ich verletzt und in Schmerzen liegt für nur so ein bisschen Aufmerksamkeit und Liebe. Es relativiert eine grausame Tat, wenn es sagt: es ist doch typisch für einen Tiger, einem Raubtier, einem Tier was Beute jagt und nicht Tierfreund ist, der Tiger gleicht einem Menschen, der andere Menschen aufgrund ihrer Gefühle ihres Körpers beraubt, seine Beute zu Kratzen. (V.6-7)
Ich hoffe, dass dir das einiges etwas erklärt hat. Hab das jetzt sehr schnell geschrieben, ich hoffe man versteht alles. Wenn nicht, kannst du mir gerne nochmal schreiben  

Schönen Abend noch, 

Gern Gelesen, 
Markus  

Geschrieben

Lieber @Just_Markus,

 

du beschreibst hier eine starke und gefährliche Abhängigkeit von einem anderen Menschen. Ja, du hast recht, ich hatte es harmloser, und v.a. das Verhalten des LI nicht fremdschädigend, gelesen. Aber, wenn es beim Kratzen oder Beißen bleibt und nicht in einem heimtückischem Angriff aufgrund von Rache-nehmen-wollen endet, ist es noch ok und verständlich.

 

Danke für die Erklärung! Ich finde es dennoch schön, dass es auf verschiedene Arten gelesen und gedeutet werden kann: Jeder pickt für sich das heraus, was ihm selbst guttut.  Ein Gedicht soll mich nach dem Lesen bereichern oder zumindest mir das Gefühl geben, dass ich mit meinem Empfinden nicht allein da stehe. Ich kann deine Zeilen gut nachvollziehen!

 

Lieben Gruß

Nesselröschen

 

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