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Katzenaugen

 

 

Um sie zu vergessen, ging ich dahin, um zu sterben.
Ein gnädiges Schicksal jedoch, lähmte mich lieber für Monate ans Bett,
in immer längeren Zeiträumen
Bei guter Verfassung jagte ich mit meiner Patrouille Wilddieben hinterher.
Überhaupt die Wildnis ließ mich die wildesten Tiere vergessen,
um deren Geschmeidigkeit ich stets den Verstand verlor,
denn meine einzige Schwäche ließ kein Nein zu,
wenn das ganze Wesen und der Kennerblick Ja! schrien.

Meine Liebe für Raubkatzen ist geblieben, denn ihre Rachsucht war doch ein Eingeständnis ihrer tiefen Hilflosigkeit.
Sich stark zu fühlen, wenn auch bloß als Illusion, war zu schön, um es durch Annäherung zu opfern.
Damit zu kokettieren, bei einem insgeheim hübschen Gesicht ständig
irgendwelche Verehrer abzustoßen, dies war schon eine schöne Bestätigung.
Wie gesagt, ich bin ein Jäger und meine ganze einfühlsame Phantasie
gilt diesen Edelkatzen, deren böse Blicke dich wie ein Menü mustern.
Zwischen den vergleichbar Gnädigen humaner Art und den Ungnädigen
tierischer Art, war mir letztere Sorte lieber, da wenigstens klar blieb,
das es hier um Leben und Tod ging.
Nicht um Liebe und Leiden, jenem Element, welches sich durch das Unglück
atomar beschleunigt und das geistige Gefüge zerfetzt, schlimmer als die Krallen
eines schwarzen Panthers...

Doch leider war ich nie ein beliebter Frauentyp gewesen und meine schon zurückhaltenden
taxierenden Blicke pumpten nur die Angst in ihre süßen Gesichter.
Dann, durchdrungen von der Erkenntnis, durch Attraktivität Macht über mich
zu haben, schürzten sie verächtlich die Lippen, doch ich tat ihnen nie den Gefallen und war schneller, so das sie schon meinen Rücken erblickten,
als ihre verachtenden Dolche ein weicheres Ziel suchten: meine Seele!
Sie psychologisch zerbrechen käme nicht in Frage.
Der Energieaufwand und die Angst gaben ihrem Instinkt recht.
Ich war ein Menschenumgeher und wenn es erlaubt gewesen wäre, auch ein gerechter Richter.
Einsamkeit macht komplex und lange Durststrecken schärfen bloß die Sinne und Instinkte.
Meine bullige Gestalt ließ bloß die Kraft ahnen, die in mir gefangen war,
wie in einem kulturellen Käfig, der mit aufrichtig wirkendem Vorwand seine Insassen ideologisch knebelt.

Manchmal träumte ich noch in stickigen Nächten unter dem Moskitonetz,
sie zu streicheln.
Gewahre ihre milchigen Elfenbeinschenkel, welche leuchten und dazu verführen,
sie überall zu küssen, wo ihr weicher Flaum vor Sehnsucht miaut.
Einfach nur dies auskosten und nicht mit ihnen schlafen...
Ihre geschmeidigen Oberflächen erkunden, mit geschlossenen Augen,
bis damit die sehnsüchtige Haut träumen lernt und die natürlichen Rundungen
und Wege entlangläuft, allein geführt von ihren Kurven und Windungen,
Innenflächen und Spannungen...

Es war ein herrlicher Sonnenuntergang im Dschungel!
Meine Jagdgefährten brieten sich bestimmt Speck mit Bohnen, indes ich diesen Trampelpfad hinunterstürzte, dem Buschdieb hinterher.
Meine bulligen Bluthunde spannten ihre fetten Nacken.
Groß wie Kälber passten sie zu mir und sie verstanden mich fast schon durch Blicke.
Er zog sein Messer doch mein Stiefel trieb es ihm grob aus der Hand.
Ich war mindestens doppelt so schwer und ich sah in seinen Augen bereits die Gewissheit,verloren zu haben.
Jene Gewissheit, der ich so entgegenfieberte.
Ein endgültiger Augenblick der Schutzlosigkeit, welcher ich aus den scheinbar stolzen Blicken ängstlicher Frauen kannte...
„Du bist ein Tier JO! Ich komm mit deiner Einstellung gegenüber Menschen nicht klar, ich will einen lieben Kerl und du liebst die Frauen zu sehr...“
Ja, vielleicht sollte ich mich umorientieren, aber bei dem da nicht!
Meine volle Körperwucht und der Ellbogen in den Solarplexus riss ihn um und so lag er dann, wie ein Käfer auf dem Rücken, dass zerdellte Maul sperrangelweit offen.
Er wollte frech werden und ich musste ihm die Lunte auspusten bis es spritzte,
was ich zuvor wegen den Stechmücken vermeiden wollte.
Wer nicht will der hat und mit Wildschmugglern braucht man nicht zimperlich umzugehen.
Ich fesselte ihn wie einen Kartoffelsack und lud ihn ächzend auf den Rücken.
Schweißgebadet stieg ich den Trampelpfad wieder nach oben,
wo noch die Lichtung zu erkennen war und die Böschung in den letzten Sonnenstrahlen aufleuchtete.

Zikaden zirpten, Tukane flatterten und Nistvögel kreischten oder zwitscherten aufgeregt.
Irgendwo verzog sich das fette bunte Schimmern einer Boa,
aus deren umklammernden Leibesmitte ein erwürgtes Äffchen mich aus stumpfen Knopfaugen anstarrte.
Ja, nirgendwo ist der Tod so allgegenwärtig wie hier, so ehrlich wie das wirkliche Dasein.
Ohne Superstars über Nacht, ohne eine ewig sonnige Britney Spears, welche Psychotabletten braucht um weiter zu funktionieren.
Kein Bürger=Meister und keine Beamtengesetze!
Jenen Funktionären und Schmarotzern eines korrupten Systems,
Überbleibsel eines Rechtsstaates, welche die Lachnummer Demokratie abzogen, bevor sie dem gegängelten Volke die Lügenhaut ihrer Scheinexistenz überzogen.
Dort wird der Tod weggekehrt, verleugnet, alte Menschen ausgesperrt,
die früher noch im Haushalt halfen oder die Enkelkinder erzogen.
Wodurch sie noch was über die Vergangenheit wussten und Verständnis empfanden, für Ältere und Schwächere.
Nicht so verflucht verkommen und verwöhnt, wie diese kleinen Markentussen,
die mit ihren kurzen Röckchen in Bars daherwinken, aber dann zu heulen beginnen,
wenn man ihren kleinen Milchbusen aus dem PushUp schmuggelt.

Die Rüden wurden unruhig und knurrten fürchterlich.
Eine Hündin hätte keine permanente konzentrierte Aufmerksamkeit zugelassen.
Ich kannte das schon...
Langsam drehte ich mich mit meiner Last um und erblickte einen schwarzen Schatten.
Einen großen Schatten, aus dem sich zwei grün phosphoreszierende Augen herausschälten.
„Grünen Augen soll man nicht trauen..“ Sei still, du dummer Verstand!“
Du hast mir schon immer in den unpassendsten Momenten den Spaß verdorben.
Diesmal fuhr der Schrecken in mein Herz, als ich das glänzende Muskelspiel der großen Raubkatze erblickte.
Oh ja, du Königin der Nacht. Werde ich dein süßes Abendmal sein?

Mit der freien Hand hielt ich mit aller Kraft die tobenden Hunde
mit eingehakten Halsketten zurück und mit der anderen trug ich immer
noch den wiedererwachten Händler auf dem Genick gepackt.
Mein schweres Jagdgewehr hing unter ihm am Rücken.
Ich taxierte mit plötzlich unnatürlich aufkeimender Ruhe die Distanz und erkannte,
das der Panther in fünf Sprüngen bei mir wäre.
Das war zu knapp, um meine Last abzuwerfen, das Gewehr vom Rücken zu nehmen, zu entsichern um noch zum Zielen zu gelangen.
Meine Finger tasteten zitternd vor Kraftanstrengung zu den Verschlüssen der Hundehalsbänder.
Der Panther setzte zum Sprung an und ich schrie: "Fass!"
Wie von der Schleuder geschnellt warfen sich meine treuen Gefährten der Raubkatze entgegen.

Unglaublich geschmeidig wich sie dem ersten Rüden aus
und geriet an den Zweiten.
Sie hatte das stinkende Blut des Dummkopfs auf meinem Rücken gewittert.
Bedenkenlos hätte ich ihn geopfert, aber zuvor musste ich ihm die Fingerchen plattklopfen,
etwas über die Struktur des Händlerrings zu erfahren.
Mit Sicherheit steckten korrupte Richter und hohe Beamte dahinter
und bloß die kleinen Fische mussten im Gefängnis zur Abwechslung mal ihre Zuckerärsche hinhalten.

Manche denken, ihr Tun sei besonders sinnvoll im Leben, doch ich war schon von jeher
ein Taugenichts,zufrieden mit dem nötigsten und einem gesunden Schlaf.
Der Nacken des Panthers zuckte, als er den großen Hund fasste und ihn durch die Luft wirbelte.
Wie ein Kleidungsstück von Pater Mendez, wenn er mal wieder einer Lieblingsschülerin in der Mission private Orgelstunden gab.
Von den Tasten hin zum abtasten sozusagen.
Ich warf die vor Angst zappelnde Marionette auf eine fesche Astgabelung,
dass der eingedrückte Bauch zu furzen begann, indes mein Repetiergewehr
in meine Hände flog und sein rasendes Ziel suchte.

Der Zweifel brannte in meinem Inneren, ob ein Warnschuss besser wäre,
oder ein Streifschuss das Tier noch blutrünstiger werden ließ, als es schon war.
Nein! ich musste es töten, egal wie!
Der Hund am Boden hörte auf zu wimmern, da sich der Panther dem anderen Hund zuwandte,  
welcher sich in seinem glänzenden Nacken verbissen hatte.
So jagten sie an mir vorüber, ohne das ich es gewagt hätte, einen Schuss abzugeben, da mir das Leben meiner Hunde zu wertvoll war.
Dann blieb der eine Rüde auf der Strecke und der andere verzog sich mit einem schuldbewussten Blick in meine Richtung, ins Seitengebüsch.
„Keine Bange, Jungs! Es ist keine Schande, vor einem so schönen
weiblichen Wesen mal den Schwanz einzuziehn.“

Ich war natürlich während des Gerangels hinterhergerückt, um ihn zielsicher
zu erwischen.
Der Panther blutete ebenfalls an mehreren Stellen.
Sein offener, schäumender Rachen mit den Elfenbeinzähnen zuckte heftig,
indes die blau schimmernden Seitenflanken zitterten.
Seine ganze elegante Erscheinung war gespannt wie eine tödliche Feder
in dunkler Nacht.
Die grünen Augen irisierten wie zwei giftige Sterne und darin sah ich das Rätsel einer Existenz
ohne Erbarmen.
Sein oder Nichtsein! Töten oder Sterben!
Etwas Getriebenes, herrenloses und unbeständiges, ja freies, um jeden Preis.
Er würde nie wieder er selbst sein können, hinter Gittern.
Genau wie ich hinter den Gittern menschlicher Verkommenheit.
„Bitte geh... Geh! und lass mich dich nicht töten.
Die Kugel ist schneller...
Wenn sich dein Auge verengt, krümmt sich mein Finger.
Das Ende deines Sprunges erlebst du nicht mehr...“

Vermutlich roch er meine Sicherheit.
Ich vermag selbst das Salz in der Suppe riechen und würze mein Gericht ohne zu probieren.
Der Duft geliebter Frauen und vieles mehr, erfreute stets meine geschärften Instinkte.
Kluges Tier! Meine Selbstsicherheit und vor allem die Tatsache,
das ich unverletzt und ohne Panik vor ihm stand, ließ es weitere hässliche Schwierigkeiten ahnen.
Die Hunde waren gut gewesen, vermutlich war einer von ihnen nicht mehr zu flicken.
Dann, wiederwillig und mich stets im Auge behaltend, bewegte sich das grüne Gleißen aus meinem Blickfeld, wie zwei magische Flammen vom vestalischen
Tempel geweihter Jungfrauen.

Der Panther drehte den Kopf und huschte zurück ins Herz der Umnachtung.
Beim zuckenden Leib des einen Rüden blieb er stehen.
Ich sprang in die Mitte des Weges, bereit, ihn dennoch zu töten.
„Du wirst nicht einen Freund von mir fressen!
Ich habe Prinzipien, nicht wie der feige menschliche Abschaum
in den Städten!“
Dann vereinte sich die geschmeidige Kontur wieder mit ihrem dämonischen Element,
der inzwischen bedrückend stillen Dunkelheit und verschwand...

Einen Gnadenschuss später vergrub ich mit meinem Jagddolch
den treuen Hund und sein Gefährte jaulte dabei kläglich, wie jedes fühlende Wesen,
welches begreift, dass das Leben eine endlose Vergewaltigung ist,
eine illusionäre Seuche, welche dich erst mit Kraft verwöhnt,
bevor du von Geburtstag zu Geburtstag merkst, wie dein Körper dir immer weniger gehorcht.
Wenn Verluste dich vermehrt umgeben, bis du nackt und schwach
um die letzte Erleichterung winselst, deinem Verrecken!

Dann schulterte ich den geknebelten Sprenkelpisser und begab mich zum Lagerplatz,
doch meine Kumpels stürmten mir bereits entgegen,
denn sie hatten ja den Lärm vernommen.
Endlich durfte ich mit sattem Magen die Sterne betrachten und träumen, wie ich es jede Nacht tat.
Dort liegt die Zukunft der Menschheit, mit Raumschiffen, Stationen und weiteren
besiedelten Planeten.
Doch diese Entwicklung ist auch nichts anderes als eine Wiederholung der Wiederholung.

Nochmals leckte ich mir über die salzigen Lippen um die Tränen wegzuwischen,
wenn ich an ihre Rosenlippen dachte, jener Dämonin ohne Herz
für meinen Seelenschmerz.
Doch alles wird erträglich, allein schon, indem man weiter ist, ganz grundlos.
Die Jahre bleichen die Erinnerungen aus und zuletzt hat man sich selbst mit vergessen.
Ein langes Leben ist vermutlich ein blindes Leben.
Man muss blind werden, um daran nicht kaputt zu gehen!
Hier im Urwald bin ich nie allein und niemand stört sich an meinem Äußeren.
Der Wald akzeptiert jeden der stark ist und der eins ist, mit dem Leben.
Ich bin ein Teil von ihm geworden,
genauso unverstanden und unbeachtet wie seine Pflanzen und Tiere.
Kein Rädchen im künstlichen Produktionsprozess vermag mir mehr Erfüllung geben.


© j.w.waldeck 24.02.2007

 

 

 

 

 

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