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Geschrieben am

Finstere Zeiten

Die Rede eines Nachgeborenen - in Erinnerung 
an Berthold Brechts "An die Nachgeborenen"

 

 

Wie soll man unsere Zeiten nennen
wenn nicht finster? 

 

Das arglose Wort ist töricht. 
Der Lachende hat 
die furchtbaren Nachrichten
nur schnell vergessen.

 

So ist es längst,
dass ein Gespräch über Bäume 
fast ein Verbrechen ist,
weil es ein Schweigen 
über das Unheil der Welt einschließt!

 

Es ist wahr: ich bin gut versorgt.
Aber ich weiß: das ist nur ein Zufall. 
Ich bin nur im richtigen Lande geboren.
Zufällig bin ich verschont. 

 

Was in den alten Büchern steht, 
gilt nicht für unsere Tage:
Sich aus dem Streit der Welt zu halten
 - nützt nichts. 
Das kurze Leben ohne Furcht verbringen
 - wird nicht gelingen.
Auch ohne Gewalt auskommen
 - hilft keinem.

 

Wie soll man diese Zeiten nennen
wenn nicht finster?

 

Hört ihr 
den Unterton 
in meiner Stimme 
den ergebenen leisen
die Sprache der Ohnmacht 
das Wissen um das Misslingen?

 

Doch neue Menschen wird es nicht geben
die auftauchen werden aus den Fluten 
in denen wir untergehen.

 

Du aber - wenn es so weit sein wird
dass der Mensch sich hilft - 
gedenke unserer
mit Nachsicht.
 

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Geschrieben

Hallo Le,
"finstere Zeiten" hat es schon immer gegeben und wird es (leider) vermutlich auch in der Zukunft geben,
weil der "Mensch" schnell vergisst und zu oft sich selbst der Nächste ist.
Ob wir "in den Fluten untergehen" und ob daraus "neue Menschen" auftauchen, wird die Zukunft bringen.
Ich glaube, dass die Menschheit es schafft solange auf der Erde zu überleben, bis einige in der Lage sind auch "anderswo" zu überleben. Was anderes bleibt uns sowieso nicht übrig.
Gern Mitphilosophiert und LG
Perry
 

Geschrieben
vor 43 Minuten schrieb Létranger:

Doch neue Menschen wird es nicht geben
die auftauchen werden aus den Fluten 
in denen wir untergehen.

 

Ich SEHE die Generation unserer Kinder.. sie sind wunderbar! Sie sind FREUNDLICH..  Sie werden das nötige hinter sich lassen und die Herausforderungen ihrer Welt meistern und unserer mit Nachsicht bedenken wie wir es nicht können.. 

 

Ein ganz großartiges Werk ! DU BIST ein Zentralgestirn...

 

mes compliments

 

D. 

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Geschrieben

Grüß dich Lé,

du hast schon soviel Lob bekommen, dass ich ruhig sagen kann, was ich denke, ohne Angst dich zu verletzen.

Ich mag keine politische Gedichte. 

Ich mag die politischen Gedichte von Pablo Neruda nicht.

Von keinem Dichter. 

Du tust dir Unrecht, wenn du dich für die Ungerechtigkeit der ganzen Welt, für die ganze Welt verantwortlich fühlst. 

Wir reden von "Welt", aber in Wirklichkeit gibt es viele verschiedene Welten. China und Indien, wo die meisten Menschen leben, sind grundverschiedene Welten.

Kein Chinese und kein Inder macht sich solche Gedanken. Und ein indischer Millionär empfindet keine Reue wenn Millionen seiner Landsleute in höchster Armut überleben. Und dass ein Armer auf der Straße stirbt lässt die Inder kalt, das ist Karma. 

Ich habe einmal in Paris eine Demo von Schwarzen, von der Müllabfuhr erlebt. Sie haben dabei gesungen und Musik gemacht und getanzt. 

Ich saß auf der Terrasse eines Cafés am Place Saint Sulpice. Ich hatte das Gefühl, ich und alle die um mich herum waren waren Krüppel, Zombies, Halbtoten: Soviel Leben strahlten diese lachenden Afrikaner! 

Ich hoffe, du hast Verständnis für meine spontanen Äußerungen.

 

 

 

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Geschrieben

Ach Carlos,

 

wenn ich zwischendurch ein "politisches" Gedicht schreibe, versuche ich es in der Überzeugung zu tun, dass es ein nichtpolitisches Leben in der Welt der Vielen gar nicht gibt.

 

vor einer Stunde schrieb Carlos:

Ich mag keine politische Gedichte. 

 

Ich verstehe dich gut. Ich mag sie auch nicht, die politischen Gedichte, mag sie nicht andauernd oder oft lesen, mag sie nicht, wenn sie besserwissererisch, meinungsbildend, agitatorisch oder vordergründig sind, selten, wenn sie nicht von mir sind ;-),

 

vor einer Stunde schrieb Carlos:

Du tust dir Unrecht, wenn du dich für die Ungerechtigkeit der ganzen Welt, für die ganze Welt verantwortlich fühlst. 

 

Das tue ich nicht - keine Sorge, aber die Frage der Mitschuld und Mitverantwortung ist dennoch dauerhaft gestellt. Schon 

Matthias Claudius schrieb im 17.Jahrhundert im "Kriegslied": "s'ist Krieg, s'ist Krieg, und ich begehre / nicht schuld daran zu sein."

 

vor einer Stunde schrieb Carlos:

Wir reden von "Welt", aber in Wirklichkeit gibt es viele verschiedene Welten. China und Indien, wo die meisten Menschen leben, sind grundverschiedene Welten.

 

Nein Carlos, die getrennten Welten gibt es nur in unseren kleinen Köpfen.

 

Damit kommen wir auch tatsächlich zum entscheidenden Fragenkomplex. In der Kulturgeschichte der Menschheit gibt es wohl: die Liebe und Solidarität innerhalb des Familienclans und kalte Gleichgültigkeit gegen über Fremden bis hin zum Völkermord (den man auch schon bei Schimpansen beobachtet hat); ebenso die Übernahme von Verantwortung für den Planeten (z.B. bei nordamerikanischen Urkulturen) und die völlige Gleichgültigkeit gegenüber den "Ressourcen".

 

Ob das alles natürlich (von Gott) gegeben  und festgelegt ist, oder einfach zufällig gewachsen, weiß keiner. 

 

Sicher erscheint mir aber der Befund, dass unsere Kultur vor die Herausforderung der Zeit gestellt ist, das Überleben der Menschheit in einer dichtbevölkerten Welt zu meistern.

 

Kann das durch mehr Solidarität, Gemeinsamkeit, und Mitverantwortung gelingen? Oder löst sich das Problem, von selbst, in dem die menschliche Bevölkerung der Erde wieder so stark schrumpft, dass kulturelle Clangesellschaften völlig ausreichen.

 

Wir reichen diese Fragen sicher noch einige Generationen lang weiter. Also schmeckt mir auch mein Kaffee, mein Weißbier, mein Kuchen immer noch ;-).

 

Dennoch: der Rückzug ins Private ist nicht die Lösung. Im Privaten sind viele Menschen gute Menschen.

 

Selbst die Beteiligten und Verantwortlichen an den Massenmorden in Hitler-Deutschland waren privat nette Menschen. Ich denke an "Die Banalität des Bösen" von Hannah Ahrendt.

 

LG Lé.

 

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Geschrieben

Hanna Ahrendt...

Eine meiner Lieblings Denker. 

Das Essay, das du erwähnst, schrieb sie nachdem sie bei dem Prozess gegen Eichmann in Jerusalem zugegen war. Eichmann war ja in Argentinien von dem israelischen Geheimdienst gefunden und entführt worden.

Hanna Ahrendts Behauptungen brachten ihr heftige Kritik von Seiten der Juden, sogar enge Freunde distanzierten sich von ihr.

Ich denke wie sie.

 

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Geschrieben

Hallo Lè

 

Danke für Dein engagiertes Gedicht.

 

Am Nachhaltigsten wirken auf mich diese beiden Strophen:
 

Doch neue Menschen wird es nicht geben
die auftauchen werden aus den Fluten 
in denen wir untergehen.

 

Du aber - wenn es so weit sein wird
dass der Mensch sich hilft - 

gedenke unserer
mit Nachsicht.

 

Es wird keine neuen Menschen geben .... das alte Modell wird nur weiterhin "upgedatet" werden. Die Frage ist, mit welchen Updates.

Ich bin von Natur aus ein sehr empathischer und hilfsbereiter Mensch und bin früher viel politisch aktiv gewesen.

Aktuell ist es so, dass ich auf die politische Großwetterlage ähnliche Kriterien anlege, wie an meine private Kleinwetterlage: Das ,was ich stärken möchte und blühen sehen möchte, dahin lenke ich meine Gedanken, mein Empfinden und meine Aktivität. Das Bekämpfen der alten entsetzlich krassen und verhärteten Strukturen halte ich persönlich für kontraproduktiv und Energieverschwendung.

 

Im Stärken des wirklich wachstumsorientierten und liebevollen Miteinander wird eine neue Welt erblühen und die alte absterben, abbröckeln.

 

Es gibt in der nachwachsenden Generation viele Dumpfbacken, die völlig dem Konsum verfallen sind - und es gibt wundervoll engagierte junge Menschen, die eine neue Werteorientierung in vielfacher Weise leben.

 

Was Deine letzte Strophe angeht -- dass der Mensch dem Menschen ein Mensch sei .... : Ich lebe an der Donau und hier kommt es regelmässig zu entsetzlichen Überschwemmungen. In diesen Ausnahmesituationen, die an die Substanz - körperlich und materiell -gehen (abgesoffene Wohnhäuser bis hin id ersten Stockwerke) ist der Mensch dem Menschen ein solcher . Ein unglaubliches Engagement tut sich da auf -- jedeR hilft , nicht nur die einschlägigen Institutionen. Es wird Kaffee gekocht, Brotzeit bereitet, Decken bereitgestellt usw. usf. .

 

Die Menschen wollen .... sich mitteilen ...auch ihr Geben und ihr Herz.

Woran scheitert dies. Was macht sie _ was macht uns so frustriert ?

 

Mit dieser Frage entlasse ich mich in den Tag

 

Liebe Grüße

 

Sternenherz

 

 

 

 

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Geschrieben

Hi Lé,

 

einen besseren Kommentar als den von Sternenherz kann ich mir nicht wünschen.

 

Er beweist dass  deine letzten Zeilen im Jetzt, in der Vergangenheit und auch in der Zukunft liegen.

 

Das Zentrum deines Gedichtes liegt für mich hier:

 

Hört ihr 
den Unterton 
in meiner Stimme 
den ergebenen leisen
die Sprache der Ohnmacht 
das Wissen um das Misslingen?

 

erinnert mich an meine Zeile: erschaue hilflos die Vernichtung.

 

Ja, wir sind ohnmächtig, ohne Macht. Und das fühlt sich gar nicht gut an, weil wir ja gerne planen, machen, wirken wollen.  Mir kommen da immer wieder die Worte aus dem Desiderata in den Sinn: sei dir gewiss, die Welt entwickelt sich wie sie soll.

Und ich sehe es so wie Sternenherz, wohin wir unseren Focus richten, darein wir unsere Energie legen das wird Realität. Da gibts ja viele schöne Sprüche: Man muss das Gute tun damit es in der Welt sei...... der kleine Bruder von gut gemeint ist schlecht gemacht  etc...

Und viele kleine Realitäten ergeben eine Macht. Aber, was wissen wir schon vom großen Wirken?

Dass wir mir unserem kleinen Kanu im Strudel des Wasserfalls ganz kurz vor dem Punkt sind wo es runter geht, hat inzwischen die große Mehrheit begriffen und ruft nach Erlösung, aber wenns dann um Benzinpreise geht ...  um Einschränkung der eingebildeten Freiheit...  da schau ich auch ohnmächtig zu... nur Veränderungen durchlaufen leider auch langwierige Prozesse und sie laufen nach einem bestimmten psychologischen Schema ab. Ein wichtiger Faktor ist die Zeit. Nur leider haben wir die in den letzten 60/70 Jahren nur dazu genutzt dass die Vernichtung noch ein bisschen eher eintritt. Umso enger die Schlinge, desto enger der Kreis umso schneller gehts.....

 

..... denn mit dem engsten Kreise höret der Weiseste auf!

 

Liebe Grüße

Sali

 

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Geschrieben

In der Stadt in Lateinamerika, wo ich herkomme, hat die Bevölkerung in den 70. Jahre, durch die Einwanderung von Menschen aus dem Lande, stark zugenommen. Da fingen diese Menschen an, umgebene Ländereien, Haciendas zu besetzen.

Man hat versucht, sie zu vertreiben, aber sie haben zusammengehalten.

Nach etwa einem Jahr haben junge Politiker angefangen, sich für die Interessen dieser Leute einzusetzen. Sie hatten also ein Lobby. Irgendwann haben die Behörden diesen Menschen das Recht anerkannt, das Grundstück, auf dem jeder ein Jahr lang ununterbrochen ausgeharrt war, als Eigentum zu betrachten.

Da war es aus mit der Solidarität. Jeder hat angefangen auf seinem Grundstück ein Häuschen zu bauen, das schöner sein sollte, als das der Nachbarn.

Es war nicht leicht da zu leben, es gab ja keine Infrastruktur. Und man durfte nie das Haus ganz alleine lassen, denn wenn man ein paar Stunden weg war und zurück kam fand man eine ganze fremde Familie drin wohnen.

Soviel zum "Solidarität".

 

 

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Geschrieben

Kulturell? oder aus der Notwendigkeit heraus?

Immerhin gingen schon die Neanderthalmänner gemeinsam auf Mammutjagd und ein Clan hat sich eine Höhle geteilt weil ein einzelner schwer überlebensfähig gewesen wäre.

Es ist das alte Lied: Gemeinschaft vs. Individualität bzw in diesem Fall Egoismus.

Beides existiert. (ausser im alten Kommunismus  ) Wenn ich da an die chinesischen Einheitsklamotten denke.... ein interessantes Beispiel übrigens: wie kann Individualität sich behaupten, ausdrücken überleben in der Gleichmacherei? Oder anders herum: Wieviel Freiheit verträgt ein Mensch! Kulturell sehe ich da eher die unterschiedliche Elastizität des Gewebes das eine Gemeinschaft zusammenhält.

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Geschrieben
vor 3 Stunden schrieb SalSeda:

Kulturell? oder aus der Notwendigkeit heraus?

Immerhin gingen schon die Neanderthalmänner gemeinsam auf Mammutjagd und ein Clan hat sich eine Höhle geteilt weil ein einzelner schwer überlebensfähig gewesen wäre.

 

Hi Sali,

 

da sehe ich keinen Widerspruch. Mit "Kultur" meine ich all das, was durch schriftliche, mündliche oder gestische Überlieferung von Generation zu Generation weitergegeben wird. Das ist nicht nur bei Menschen, sondern bei vielen intelligenten Lebensformen vorhanden. In unserer Gegend, und im nahen Wäldchen,  wo es viele Hundehalter gibt, haben beispielsweise innerhalb weniger Generationen die Krähen die Fähigkeit erworben, sich ihr Nahrungsangebot um Hundeleckerli zu erweitern. Sie lernen von den älteren Vögeln durch Zusehen das Betteln und Wegelagern und fügen dieses Verhalten so der lokalen Krähenkultur hinzu.

 

Es gibt wohl fast überall auf der Welt eine Liebes - und Solidaritätskultur für nahestehenden Menschen und Gruppenmitglieder. Alles was darüber hinausgeht, ist schwieriger dauerhaft einzurichten. Aber wir müssten es lernen.

 

Gruß Lé.

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