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Geschrieben am

An diesem gottverdammten Morgen,

plagen mich schon wieder Sorgen.

Wo nehm' ich was zum Essen her,

ich habe keinen Groschen mehr.

 

Das Leben hat mich ausgebeutet.

Wenn es an der Türe läutet,

jagt ein Schrecken durch die Glieder:

Der Exekutor, nicht schon wieder!

 

Doch er ist es, will mich pfänden,

ich stehe da mit leeren Händen. 

Nun werd' ich auch noch delogiert,

ich wollt's verhindern, hab's probiert.

 

Das Leben ist 'ne schlimme Bürde,

sprach da wer von Menschenwürde?

Ich bin so mutlos und verdrossen,

die Menschheit hat mich ausgestoßen. 

 

Heuer kommt der Winter bald,

die Nächte sind schon bitterkalt. 

Mein Lager ist in diesen Nächten,

neben Hauseingang und Lüftungsschächten.

 

Ich schleiche mich in Suppenküchen,

würd' am liebsten mich verkriechen.

Wenig nützt mir dieser Wahn,

den letzten Stolz legt Hunger lahm.

 

Niemand hat mit mir Geduld:

'Der Sandler hat ja selber Schuld!.

Die Polizei will mich verjagen,

ist es ihr peinlich, mich zu plagen?

 

Wo soll ich mich denn nur verkriechen?

Ich kann mich selbst bald nicht mehr riechen!

In einem Tunnel, schlecht versteckt,

wurd' ich von Hooligans entdeckt.

 

Die trieben mit mir üblen Scherz,

ich spür' noch ihrer Tritte Schmerz.

Sie machten sich dann doch davon,

noch lang erklang ihr grölend' Hohn.

 

Ich glaub' nicht an Gerechtigkeit,

denn kalt lässt Prasser solches Leid.

Endlich kommt die schwarze Nacht,

nie wieder bin ich aufgewacht. 

 

 

Glossar:

Heuer = dieses Jahr.

Groschen = Untereinheit der ehemaligen österreichischen Währung Schilling.

Exekutor =  österreichisch für Gerichtsvollzieher.

Sandler = österreichisch für Penner oder Stadtstreicher.

Hooligans = randalierende Jugendbande.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

'

 

  • Gefällt mir 3
  • Traurig 3
Geschrieben

Hallo Alfredo,

das Gedicht gefällt mir sehr, weil es sich erstens wunderschön rhythmisch liest, und zweitens, weil es die Situation eines Obdachlosen meiner Meinung nach wirklich gut beschreibt: Von Stunde zu Stunde versucht man, dem Tode zu entkommen, hangelt sich mühsam durchs Leben, und am Ende ist doch er, der Tod, die einzige und lang ersehnte Rettung - denn mit jeder Sekunde Leben wachsen nur Selbsthass, Scham, Leid und das Gefühl, von aller Welt zutiefst verabscheut zu werden. Der ärgste Feind wird zum Retter, sozusagen.

...dieses Dilemma ist definitiv eines Gedichtes würdig.

 

Viele Grüße,

Hase

 

  • Gefällt mir 2
Geschrieben

Nichts Neues sagst du uns da, Alfredo.

Zu allen Zeiten gab es am Rande der Gesellschaft existierende Gruppen. Die Bettler im Mittelalter waren richtige Armeen.

Vielleicht gibt es in der Schweiz keine? In Luxemburg sehr wahrscheinlich nicht...

Ich glaube nicht, dass Menschen in so einer Situation das geringste Interesse an Lyrik haben.

Auch Lepra Kranken gehörten zu solchen Randexistenzen. 

1903 wurden alle Leprakranken Kretas, und später aus ganz Griechenland, auf der Insel Spinalonga zwangsuntergebracht. Heute ist sie eine touristische Attraktion. 

Man könnte auch in einem Gedicht einen zum Tode verurteilte zu Wort kommen lassen, am besten kurz vor der Hinrichtung. 

Ohne soweit zu gehen, lassen wir jemand sich lyrisch äußern, der gerade vom Arzt einen Krebs diagnostiziert bekommt.

 

 

Geschrieben
vor 1 Stunde schrieb Carlos:

Nichts Neues sagst du uns da, Alfredo.

 

Nun, vielleicht nichts Neues, lieber Carlos, aber dennoch sehr aktuell und einfühlsam geschrieben.

 

vor 1 Stunde schrieb Carlos:

Ich glaube nicht, dass Menschen in so einer Situation das geringste Interesse an Lyrik haben.

 

Lyrik kann vielleicht nicht gesund machen, aber seelisch Wunder bewirken.

 

vor 1 Stunde schrieb Carlos:

Man könnte auch in einem Gedicht einen zum Tode verurteilte zu Wort kommen lassen, am besten kurz vor der Hinrichtung. 

Ohne soweit zu gehen, lassen wir jemand sich lyrisch äußern, der gerade vom Arzt einen Krebs diagnostiziert bekommt.

 

Warum nicht?

 

Sorry, lieberCarlos, ich habe auf deinen Kommentar sehr emotional reagiert. Auf mich hätte er verletztend und wertend gewirkt.

 

Vielleicht war das gar nicht in deinem Sinn und doch wollte ich das anmerken.

 

Lieben Gruß, Letreo

Geschrieben

Ich finde dieser Text liest sich erst einmal sehr rhythmisch. Dann hast du realistisch geschrieben ohne Schnörkel aber auch nicht mitleidheischend. Eine alltägliche Sorge, die  das Li hat. Eine Darstellung, die vielleicht nicht unbedingt ein Obdachloser liest, aber allen Lesenden nachdenklich werden zu lassen. Wie oft beklagen sich Menschen, wenn sie nicht das Brot bekommen, dass sie sich gerade wünschen, wo es doch 1000 Sorten davon gibt, oder eine ganz ausgefallene Sorte von Butter oder Wurst! Da könnte man noch so viele Bsp. bringen. Auch solche Themen sollten nicht unter den Tisch fallen, finde ich.

es grüßt Pegasus

  • Gefällt mir 2
Geschrieben

Ich kaufe regelmäßig die Zeitschrift 'Kupfermuckn' die Obdachlose bei uns (Oberösterreich) verkaufen. Darin werden viele Schicksale von sozialen Außenseitern beschrieben.

Das hat mich zu einem fiktiven Lebenslauf eines 'Sandlers' inspiriert. Ob jetzt die armen Teufel selbst Schuld haben an ihrem Schicksal oder nicht, ist eigentlich 

zweitrangig. Leid bleibt Leid. Übrigens: Alle Menschen müssen sterben, vielleicht sogar du, wahrscheinlich auch ich!

Ich freue mich sehr über die unterschiedlichen Kommentare. Danke.

LG Alfredo

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