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Bunt

 

Er öffnete seine Augen und sah nichts außer kahlen Wänden, fahlen Gesichtern, farblosen Anzügen und leblosen Maschinen. Die Welt um ihn war trist, so grau und spröde. In einer Art auch unehrlich und gemein. „Wo bin ich hier gelandet?“ fragte er sich. „War das wirklich das was ich wollte?“ Diese Gedanken kamen ihm nicht das erste Mal.

Tief in seinem Inneren hatte er immer gewusst, dass diese Welt existierte. Und er nur die Augen schloss um ihr zu entrinnen. Dies funktionierte viele, sorglose und glückliche Jahre äusserst erfolgreich. Es gab mal eine Menge Farbtupfer in seinem Leben und diese waren nicht wie die Farben die hier vorherrschten, wie z.B. weiß gesprenkeltes Schwarz mit einer grauen Schattierung. Die Tupfer waren irgendwie – bunter...

 

„Früher“ seufzte er in sich hinein. Er konnte früher tun, was er wollte, konnte hingehen, wohin seine Lust und Laune ihn gerade trieb. Nun war er schon längst ein Gefangener in einem kalten, sterilen und öden Gefängnis. Er konnte sich nicht dagegen wehren - er dachte noch nicht einmal daran. Die Normalität, die im vorgegaukelt wurde, hielt ihn mit eisernen Klauen hier auf seinem Sitz. Der Gedanke an ‚früher’ ließ ihn zwar erschaudern und stimmte ihn melancholisch. Doch vermochte er ihn nicht dazu zu bewegen, aufzustehen und gegen diese Welt aufzubegehren.

 

Ein lautes Rattern von einer der Maschinen ließ ihn zusammenzucken und unterbrach jäh seinen Gedankengang. Die Idee, die sein Unterbewusstsein nun schon so manches Mal durchgespielt hatte, wollte sich jedoch nicht so schnell geschlagen geben. Sie drang mit aller Macht an die Oberfläche und rang seinem Mund noch einen letzten Seufzer ab.

„Früher war alles viel bunter...“

hauchte er in den, mittlerweile vom Rattern der Maschinen befreiten, Raum hinein. Lediglich ein emsiges Tippeln und Tappeln war sonst für alle noch zu hören. Doch das unterstrich den Sehnsuchtshauch viel eher als dass es ihn übertünchte.

 

Erschrocken über seinen Ausspruch hob er blitzschnell seine Hände zum Mund. Ihm wurde erst jetzt klar, dass es schon zu spät war, um die Worte zu unterdrücken. Sein Unterbewusstsein hatte gesiegt und er war sich sicher, nun den Hohn und die bohrend fragenden Blicke seiner Kollegen für alle Zeit gepachtet zu haben. Ebenso wie die Verachtung, die einem Träumer im Tristen nun einmal zuteil wurde.

 

Schließlich hob er den Blick und war erstaunt, dass der Mann am Schreibtisch gegenüber ihn nicht anstarrte sondern vielmehr beinahe katatonisch den Blick gesenkt hielt und seinen Mund das Wort ‚bunt’ formen ließ. Ein warmer, wohliger Windschwall schien über seinen Nacken zu rieseln, als wollte er von einer schönen Zeit in einem anderen Reich künden. All seine kleinen Härchen richteten sich auf – ein Gefühl, welches er schon jahrelang nicht mehr verspürt hatte.

 

Er wandte den Blick seinem Tischnachbarn zu. Dieser zeigte eine ganz ähnliche Reaktion. Die Lippen formten dasselbe Wort, doch schienen seine Gedanken noch weiter entfernt zu sein. Seine Augen strahlten förmlich in freudigem Glanz. Am Tisch nebenan waren ähnliche Verhaltensmuster zu erkennen und je mehr Tische er sich ansah umso größer wurde die Anzahl der Lippen die das Wort „bunt“ murmelten. Es dauerte nicht lange bis die stumme Welle den ganzen Raum überrollt hatte. Er kam sich vor wie in einem surrealistischen Bild, in dem die Flüsse aufwärts flossen und eins und eins nicht zwei ergaben.

 

Plötzlich überkam ihn der Drang aufzustehen und als er diesem nachgab, sah er, dass sich alle anderen im Raum ebenfalls aufrichteten. Er ließ sich nun mit den anderen treiben. Die sanfte Strömung führte sie zur Farbe und wieder zum Raum zurück.

 

„Es ist so schön bunt hier“ seufzte Martin glücklich...

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