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Geschrieben am

Der Strand verschattet langsam. Abendröte
umspielt das ferne Haus mit ihrer Glut.
Ein Steg schwankt über blauer Meeresflut
und hält ein Boot, das Platz zum Fliehen böte.   

Auf diesem Steg ein Paar und noch ein Dritter,
der seine Frau, die ihn nicht länger liebt,
behalten will und keinem andern gibt 
und drohend näherkommt wie ein Gewitter.

Und vorne kauert, stumm in sich vergraben,
von tiefem Weh vergrößert, seelenwund
der Liebende im Wissen, nie zu haben,

was er ersehnt, und wie ein schwarzer Hund
legt sich der ganze Strand zu seinen Füßen,
und unter ihm weicht jeder feste Grund.

 

 

Edvard_Munch_-_Melancholy_(1894-96).jpg

  • in Love 1
  • wow... 7
Geschrieben

Lieber gummibaum,

 

du hast dem "Boden unter den Füßen verlieren" ein Bild gegeben, gemalt aus Worten. Was das tatsächliche Gemälde gut unterstreicht.

 

Etwas verwirrt hat mich der "dritte" auf dem Steg, den ich nicht sehen kann. Und nicht verstehe. Ist es der Schatten des schlechten Gewissens oder der Wunsch des nicht mehr geliebten?

 

Auf dem Steg sehe ich hinter dem Paar, eine auf den Hügeln stehende Windmühle oder ein Haus mit mir unbekannten Stangen...

 

Du bist ein wunderbarer Wortverweber. S1 schon für sich ein Genuss (bei dem zur Flucht Platz bietendem Boot dachte ich an aktuellere Dramen) Wie du das Boot beschreibst, als Möglichkeit zu fliehen, ist ein großer Coup, irgendwo schlummert die Möglichkeit, leider unbeachtet. Damit würde sich ein Ausweg und eine Hoffnung öffnen, würde sie nur sichtbar werden.

Das bedrohliche der dritten Person, das aufziehende Unheil das darinnen schwingt (Gewitter) lässt schlimmes ahnen.

Und vorne vom tiefen Weh vergrößert! Im Bild genauso wie in der Aussage und im Empfinden!

Das ist groß geschrieben!

 

Trefflich geschrieben zur Eröffnung des neuen Munchmuseums! Und diesem Maler mehr als würdig!

 

Beeindruckend an seinen Bildern finde ich wie aktuell und auch zeitgenössisch sie erscheinen obwohl sie so alt sind.

 

 

Vielseitig lässt sich das Bild interpretieren. Nicht zwingenderweise müssen die Personen einen Bezug zueinander haben, wie zum Beispiel den von dir beschriebenen, es kann sich bei dem Steg auch um eine Erinnerung handeln oder ein Wunschbild. 

für mich interessant ist die Gegenüberstellung, der Traurigkeit, ja ich würde fast von depressiver Verstimmung sprechen aber zumindest einer stillen in sich gekehrten Nachdenklichkeit im Vordergrund und der frühlinghaften, Beziehung zweier Menschen. Dieser Kontrast zweier Gefühlebenen, deren Vorhandensein die andere gegensätzliche noch in ihrer Intensität verstärkt, vertieft. Ausgedrückt auch in den Farben, das Weiß des Frauenkleides und den fast sumpfhaften Farben im Vordergrund. Auch die klar konturierten Figuren am Steg im Gegensätze zu den ölhaften schlierigen Flecken. Klare Linen von Küste, Steg und dem amorph verlaufendem von Strand und Wasser.

Spannend!

 

Liebe Grüße

Sali

 

Geschrieben

Hallo Gummibaum,

der letzte Vers erinnert mich an den Schluss von Rilkes Panther. 

Ich sehe auf Munchs Bild ein Paar, das sich verabschiedet. Der sich nähernde Dritte ist der Ruderer des Bootes.

Die Hauptfigur, vollkommen desinteressiert, erinnert in seiner Einsamkeit an eine Figur von Edward Hoppers in "Nighthawks".

Jeder sieht jedes Bild anders. 

Am besten finde ich deine lyrische Interpretation des Strands.

Liebe Grüße

Carlos

 

 

  • Gefällt mir 1
Geschrieben

Hallo gummibaum,

 

mir gefällt dein Sonett zu  diesem Bild sehr gut!

 

Für Munk war die Malerei ein wichtiges Ventil und er hat die Natur zum Spiegel menschlicher Empfindungen und Emotionen  gemacht und da  sich in diesem Bild seine eigene Lebenssituation wiederspiegelt, sind die  beschriebenen Zusammenhänge naheliegend, wie sich auch in Wikipedia nachlesen lässt.

 

Aber auch ohne das Hintergrundswissen spricht dieses Bild in seiner Darstellung für sich.

 

 

Was mich etwas  stört ist "möglicherweise" das "vorne" in Vers 9.

Mir fällt aber auch keine bessere Lösung ein, von daher  kann ich es als notwendig einsortieren und das minimale Stutzen auch wieder ausblenden.

 

LG,

Mi

Geschrieben

Danke für die Likes.

 

Euch, liebe SalSeda, lieber Carlos und liebe Miserabelle

danke ich für die schönen Kommentare, SalSeda auch für die besonders intensive Beschäftigung mit Gedicht und Gemälde.

 

SalSeda, deine Verwirrung ist völlig berechtigt, denn die dritte Person ist, wie Carlos richtig sagt, der Ruderer.

Ich war von der Eifersucht, die Interpreten in der gelben Farbe des Bootes sehen, verleitet, eine andere Geschichte als das bevorstehende Ablegen des Bootes zu erzählen.

 

Auch dein Einwand, Miserabelle, gegen „vorne“ macht Sinn, zumal es kein „hinten“ im Gedicht gibt. Man könnte gut „am Ufer kauert“ oder so schreiben.

 

Liebe Grüße von gummibaum

  • Gefällt mir 1

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