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Geschrieben am

Gedichte

 

rinnen mir wie Rotz aus der Nase

springen aus den Augen wenn ich dusche

unter Stapeln unbezahlter Rechnungen

habe ich sie gefunden

und aus dem Toaster poppen sie hoch

auf angekohltem Papier

Lange Gedichte

fallen aus der Besenkammer entgegen

die kurzen

schlafen selig im Geheimfach

des Bügeleisens

 

Doch im geliebten deutschen Wald

sind sie fast ausgerottet

(Eichendorff Overkill)

Auch im windigen Zürich finden sich

selbstverständlich keine

oder im lieblichen Saaletal

 

Allerdings

in manchen Quartieren

unserer Vorstädte

treffe ich sie häufig

und in den Abfalleimern

der Bushaltestellen

blühen sie auf

Aus den unbedeutenden Gärten

unbedeutender Häuser

unbedeutender Menschen

winken sie mir zu

verzweifelt

ungesprochen

und undurchfühlt

Bin ich denn der einzige

der das sieht

 

In den Fußballstadien

habe ich übrigens fast nie Gedichte geschrieben

nicht auf der Friedrichstraße

oder in der Staatsoper

Schon eher an Orten

an denen man gut

allein sein kann

an speckigen Kantinentischen beispielsweise

oder noch besser

auf dem Klo

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  • Schön 1
Geschrieben

Dein Gedicht finde ich unheimlich gut lieber Onegin.

Für mich steht es zwischen dem späten  Neruda von "Canto General" und Bukowski. 

Ich finde es gut, wenn ein Dichter Einblick in die Genese seines lyrischen Schaffens gewährt.

Im ersten Vers ist ein kleiner Tippfehler. 

Liebe Grüße 

Carlos

Geschrieben

Hallo Onegin,

 

Ein Gebet an den Gott der kleinen Dinge

 

Der Dichter der kleinen Dinge, denn die großen sind schon oft bedichtet worden. Ja, sie springen einen an oder lugen zaghaft hervor.

 

Und egal was man gerade tut, plötzlich tauchen Verse auf, beim bügeln wie beim Essen machen (bei mir fatalerweise unterm Autofahren, eine ziemlich gefährliche Neigung die mir schon einige Zettel wegen zu schnellen Fahrens einbrachten und die ich unbedingt unterdrücken muss, kann ja keiner mehr bezahlen  )

federleichte nette Zeilen kommen mir da in den Sinn

und vergesse so zuweilen leider gänzlich wo ich bin.

 

Ich erinnere mich an ein sehr bemerkenswertes, da ging es um einen Zettel der am Weg lag, ich weiß leider nicht mehr wer es schrieb und bekomme es auch nicht mehr zusammen.  Mist dass ich es nicht mehr raussuchen kann, er wäre ein schönes Pendent hierzu.

 

 

In allem liegt Poesie und Dinge die scheinbar nichts miteinander zu tun haben zu verknüpfen ist auch eine Kunst,  Material das nicht zusammenpasst einen inneren Halt zu geben, dem für das menschliche Ohr Stummen eine Stimme schenken und dem Unscheinbaren einen Bühnenstrahler. All das kannst du, weil es erst in dann aus deinen Augen quillt, weil das Lied in deinen Ohren klingt und dein Mund die Melodie summt.

Sehe weniger Bukowsky, viel mehr großes weites Herz mit einem starken Willen, ein rebellisches Aufbegehren Bist du Wassermann?

 

 

P..s: ein klein bisschen trotzig fast,  anklagend den Wiederkäuern gegenüber, aber trotzdem gefällt es mir obsoleten Wald und Wiesenreimer der versucht die allem inhärente Würde zu zeigen 

 

Liebe Grüße

Sali

  • Schön 1
Geschrieben

 

 

Hallo Onegin,

 

 

oft kommen sie ganz plötzlich die Ideen.,Einfälle Inspirationen.

Gut das immer genug Papier da ist!

Im ersten Vers denke ich mir, sollte es sicher heißen rinnen mir WIE nicht wir.

Dein Gedicht hat mir sehr gefallen

HG Josina

 

Geschrieben

Hallo Onegin,

 

wenn eine sich einlässt und ins Gespräch geht,

dann ist alles Rohstoff für ein Gedicht.

 

Das hast Du ganz wundervoll in Worte gefasst -

  am Schönsten finde ich die kurzen Gedichte aus dem Geheimfach   des Bügeleisens.

 

Kurz habe ich mir auch gedacht,

es mit einem LI zu tun zu haben,

dass die Welt nur mittels Gedichten erfahren _ aushalten kann -

sich sozusagen eine lyrische Schicht zwischen sich und die Ereignisse geschaffen hat.

 

Auf jeden Fall ein unglaublich bereicherndes und sehr mitreißendes Gedicht.

 

Viele Grüße

 

Sternenherz

  • Gefällt mir 1
Geschrieben

hallo Ihr alle @Carlos @Sternenherz@Oilenspiegel@SalSeda@Josina@Claudi@alter Wein@Dionysos von Enno@Miserabelle

 

Vielen Dank für ds Drüberlesen und für die sehr freundlichen Kommentare und den Hinweis auf meinen Schreibfehler.

 

Das Verfertigen von Gedichten kann einem völlig in den Bann schlagen. Salseda fährt zu schnell Automobil, Rilke verkriecht sich in einem "Schloss", das nicht anderes ist als ein Häuschen mit Türmchen und dichtet die Sonette  an Orpheus. In der zweiten Strophe kommen dann die Anspielungen auf die Tradition, Eichendorff ist klar, Zürich und die liebliche Saale sind Anspielungen auf zwei Gedichte von Gottfried Benn "Glauben Sie, Zürich, zum Beispiel" und "Jena vor uns im lieblichen Tal"  ) In der Strophe 3 geht es dann um das, was mir das Wichtigste in der Poesie ist: Ein Stimme zu sein für das Verdrängte und Zukurzgekommene, für das Unintegrierte und Unentfaltete in uns.  Strophe 4 ist dann ein PLädoyer dafür, dass Lyrik erst dann zu sich selbst kommt, wenn sie vom Einzelnen ausgehend  den Einzelnen anspricht. 

 

Zitat

Sehe weniger Bukowsky, viel mehr großes weites Herz mit einem starken Willen, ein rebellisches Aufbegehren Bist du Wassermann?

Was für freundliche Dinge du mir da unterstellst, Sali, und ich bin nicht einmal Wassermann, sondern Widder.

 

So dacht ich

 

Onegin

  • Gefällt mir 2
Geschrieben

 

Carlos meint den KGB, Комитет государственной безопасности, dt. Komitee für Staatssicherheit) , den sowjetischen In- und Auslandsgeheimdienst, der von 1954 bis 1991 bestand.

 

Ich persönlich bevorzuge allerdings das KdW und da besonders seine oberste Etage...  und vielleicht noch die KfW, aber das Kopernikus-Gymnasium ist ein echter no-go  

 

 

  • Gefällt mir 2
Geschrieben

Ah - okay.
Danke für die Übersetzung von Carlos' Kryptologie, Onegin.

 

Ich dachte, es sei eine mir unbekannte politische oder sonstwie bekannte Vereinigung. Kommunistischer Hochschulbund und Katholische Hochschulgemeinde erbrachten auch nix ... also googelte ich.

 

Im KdW wäre ich auch mal gerne wieder . In Ermangelung dessen halte ich es einfach mit dem kgV - das hat mir in Mathe immer viel Freude gemacht.

 

liebe Grüße

Geschrieben

Hallo, Onegin,

 

dir ist eine gute Beschreibung dessen gelungen, was auch anderen beim Gedichteschreiben und auf der Suche nach passenden Worten, Versen und Reimen passiert: Man wird an allen möglichen Orten von ihnen verfolgt und geplagt, dass man es kaum noch aushalten kann; sie verselbständigen sich und sind wahre Plagegeister!

 

Habe ein wenig gerätselt, warum das Gedicht nicht in der Humorecke steht: Es ist dir ernst damit (es nervt)!

 

Damit zusammen hängt, dass ich für mich das Gedicht in zwei Teile teile: Die ersten beiden Strophen sprechen vom LI, die dritte schon von einem (oder mehreren) typischen untalentierten LD (aber, es muss nicht so sein; es kann auch sein, dass auf die Banalität der Wörter, die einen umschwirren und vergewaltigen, hingewiesen wird):

 

Am 17.11.2021 um 09:22 schrieb Onegin:

Aus den unbedeutenden Gärten

unbedeutender Häuser

unbedeutender Menschen

winken sie mir zu

verzweifelt

ungesprochen

und undurchfühlt

Bin ich denn der einzige

der das sieht

 

Und zuletzt: "auf dem Klo" - oje! Die kann man gleich dort lassen! ...

 

Ich habe mich gut amüsiert, danke!

 

Lieben Gruß Nesselröschen

Geschrieben

Hallo Nessselröschen:

 

Zwei Gedichte? Nein doch eher eines, MIt dem "Allerdings" als erstem Wort der Strophe drei wird diese an den voranstehenden Text gebunden. Dann zieht sich auch noch das Thema der Gedichte, die an einem "niedrigen" Ort entstehen, durch alle vier Verse hindurch. Vom Rotz zum Klo, von der Besenkammer bis zum Abfalleimer usw, auch die unbedeutenden Häuser unbedeutender Menschen gehören in diess Reihe.Jedoch wären sie tatsächlich unbedeutend, würde sich das Li nicht so sehr über das Schicksal jener Poeme erregen, die von diesen "unbedeutenden" Menschen handeln. Diese nehmen sich vielleicht so wenig wichtig, dass sie nicht auf den Gedanken kommen, in sich hineinzuhören, und ein Liebes- oder Abschiedsgedicht auf sich zu beziehen. Sie haben vielleicht keine Sprache für sich, obwohl sie sich unbewußt nach ihr sehnen. IHre Gedichte bleiben daher unausgesprochen und undurchfühlt, existieren nicht wirklich. Das LI  möchte ihnen zu dieseer Sprache verhelfen, ist mit dieser Aufgabe aber allein. ("Bin ich der E inzige,,,")

 

Die vierte Stophe schlägt dann wieder ein anderes Kapitel auf: Gedichte sind meistens keine Massenunterhaltung, sie sichten sich vom Einzelnen an den Einzelnen und man darf sich von Ihnen auch nicht zu viel erwarten. Gedichte sind etwas, das man auf dem Klo schreibt. Das Klo ist der ultimative niedrige Ort. Damit wendet siich das Gedicht auch gegen eine Tradition, die im Dichter und im Gedicht, etws Göttliches, Priesterlichres, irgendwie Höheres sah, Rilke und George wären hierfür Beispiele aus dem 20. Jahrhundert. 

 

 

LIebe Grüße

 

Onegin

 

 

  • Danke 1
Geschrieben

Sehr gut, lieber Onegin.

 

Durch Kreativitäts-Inkontinenz rinnen dem LI ständig die Gedichte wie Rotz aus dem Kopf, am zuverlässigsten auf dem Klo. Sie diffundieren durchs Haus und lagern sich je nach ihrer Beschaffenheit auf oder in geeigneten Möbeln ab.  

An früher inspirierenden Orten haben andere Dichter die Schätze der Inspiration längst ausbeutet. Gedichte stecken in den Kernzonen der modernen Kultur auch im Müll und nur das LI hört sie jammern. Aber in den Randzonen und Abseiten findet es Überdauern und sogar Neues mit aufschließender Aussage.  

 

(Diese Kultur schaffende Aktivität der Peripherie wird ja auch von J. Lotman betont.)

 

Sehr gern gelesen.

Grüße von gummibaum

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