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Putz deine Brille Man!


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Ein Mann mit Westenpulli, roter Fliege, glatt nach hinten gegeltem Haaren und großer Brille blickt auf einen Hügel zu einem Haus. Er geht über die Straße und dann die Steintreppen hinauf zur Tür, dabei vergeblich nach einer Hausnummer suchend.

„Ist es das?“, er ließt die Namen auf der Türklingel:

Familie Coan.

„Ja. Okay….“, schnauft er nervös aus, zögert kurz, klingelt dann aber schließlich.

Ein paar Sekunden vergehen, Joshua öffnet die Tür. Blicke. Schweigen. Joshua hebt eine Augenbraue.

„Ja?“

„Sind… sind sie der Hausherr?“

„Der bin ich. Um was geht´s?“

Der nervöse Typ greift in seine Stofftragetasche.

„Wollen Sie mir was andrehen? Ich kaufe nichts!“

Heraus holt er ein Geldbündel und streckt es Joshua hin.

„Hier! Für Sie!“

Zögernd nimmt Joshua es entgegen. Wägt kurz ab, reicht es dann wieder zurück.

„Nein, nein! Nehmen Sie! Das ist für Sie!“

„Sind Sie von einer Bank? Ich brauche keinen Kredit!“

„Nein, äh, ja! Also ich arbeite bei einer Bank, aber ich will ihnen keinen Kredit andrehen.“

„Sondern?“

„Das ist für Sie! Nehmen Sie es! Und hier, dass bitte auch noch!“, der nervöse Typ holte vier weitere Geldbündel hervor und drängte sie dem verwirrten Joshua auf.

„Fünftausend sind das. Für Sie.“

„Sie… wollen mir Fünftausend Euro schenken?“

„Ja. Bitte nehmen Sie es als Friedensangebot an. Ich will keinen Ärger mit Ihnen! Nehmen Sie es als Widergutmachung! Als Entschädigung für den Ärger den ich Ihnen verursacht habe.“

Joshua schlitzte die Augen.

„Ärger… kennen wir uns? Was genau wollen Sie wieder gutmachen? Um was geht es hier eigentlich?“

„Also, wir kennen uns nicht. Nicht persönlich.“, versuchte der Typ einen Erklärungsversuch.

„Aber Ihre Frau hat mir von Ihnen erzählt.“

„Hat Sie? Aha… und weiter?“

„Also… also… ich hab mir Ihrer Frau geschlafen!“, platzte es aus ihm heraus.

Joshua hob beide Augenbrauen und wiederholte den Satz im ruhigen Tonfall.

„Sie haben mit meiner Frau geschlafen… wirklich….“

„Ja! Es tut mir schrecklich Leid! Ich bereue es zu tiefst! Sie können sich sicher sein, es war nichts ernstes! Nur ein Ausrutscher! Bitte verzeihen Sie ihr und auch mir! Behalten Sie das Geld bitte als Widergutmachung, wie schon gesagt. Ich… ich muss dann weg! Und bitte nicht böse sein, ja? Schönen Tag wünsche ich Ihnen… Wieder-wiedersehen.“, verabschiedete er sich und war auch schon weg. Joshua stand noch immer verwirrt an der Türschwelle, dann ging er rein.

Im Flur kam seine Frau ihm entgegen und bemerkte die Geldbündel in seinen Händen.

„Wo hast du dass denn her?“

„Von deinem Lover. Als Widergutmachung weil er mit dir geschlafen hat.“, sagte Joshua breit grinsend.

Sie machte einen Blick, wie aus allen Wolken, vom fallenden Ambos getroffen.

„Von meinem was? Hää? Wie bitte?“, sie nahm ihm das Geld ab und ging in die Küche.

„Keine Ahnung. Ich kannte ihn nicht. Irre! Das glaubt uns keiner wenn wir das jemandem erzählen.“

Es klingelte erneut an der Tür.

„Schon wieder? Hoffentlich will er nicht sein Geld zurück…“

Joshua öffnete. Jemand anderes stand lächelnd mit einer Bohrmaschine vor der Tür.

„Ist er das, Schatz?“, rief seine Frau aus der Küche durch den Flur.

„Nein! Es ist unser Nachbar, John Cohen! Er bringt unsere Bohrmaschine zurück!“

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Hallo, Joshua Coan,

 

die Geschichte gefällt mir wirklich sehr gut. Zwar kenne ich ähnliche Geschichten, aber du hast sie wirklich gut geschrieben, originell und der Einfall mit der Bohrmaschine am Ende, der setzt zum 'guten Gelingen' noch ein Sahnehäubchen auf den Kuchen. 

 

Ich kann bei deiner Geschichte auch noch 'hinter den Zeilen lesen', was ich ganz besonders mag, wenn ich das kann. Zum einen lese ich, dass der fremde Mann tatsächlich in einer Bank arbeitet - was wiederum deutlich aufzeigt, warum dieser glaubt, er könnte seinen Fehltritt (und den der Frau) mit Geld wieder gut machen. Ja, und wenn dieser so denkt, ist klar, warum er in einer Bank arbeitet ... und da 'schwingt' noch mehr 'im Hintergrund mit'. Banken, Banker, Bankangestellte - Geld - Geld verdirbt den Charakter ... und mehr.

 

Die Reaktion der Frau wiederum und die darauf folgende Reaktion des Ehemannes (interessant übrigens, dass das LI hier deinen Nicknamen trägt, das verstärkt die Wirkung der Geschichte und ich denke, dass genau das der Grund dafür ist, dass du es so gehalten hast, obwohl das, denke ich, nur hier im Forum so funktioniert) sagen mir auch einiges: Sie hat das LI nicht betrogen und er wiederum vertraut ihr wirklich. Denn das, was hier nicht geschrieben steht, erzählt mir davon. Keine eifersüchtige Reaktion seinerseits, sondern echtes Vertrauen, das ist - ungeschrieben - klar und deutlich.

 

Und dann der Schluss - John Cohen mit der Bohrmaschine, die er zurückbringt. Ich habe keine Ahnung, warum ich gerade die Bohrmaschine lustig finde. Es hätte irgend etwas anderes sein können - obwohl, wenn ich auch hier hinter den Zeilen lese, kann ich mir einiges dazu denken. So in die Richtung, dass auch ich nicht unbedingt erfreut bin, wenn Nachbarn bohren (verstärkt dadurch, dass bohren und bohren können zwei Paar Stiefel sind). Und wenn ich also daran denke und es mit der Tatsache der stattgefundenen Namensverwechslung kombiniere, dann frage ich mich, ob sich Joshua Coan (also das LI, nicht du) nicht vielleicht sogar ein wenig ... hmhm ... vielleicht ist der Nachbar ja auch eine Nervensäge, macht oft Krach und leiht sich ständig Dinge aus ... hmhm ... wer weiß ... (Jaja, meine Phantasie mal wieder.)

 

Aber deine Geschichte lässt eben meiner Phantasie genug Raum für eigene Gedanken dazu. Und, wie gesagt, das mag ich sehr!

 

Amüsiert und gerne gelesen (und ein bisschen dazu- und darum herum gedacht)! :classic_happy:

 

LG,

 

Anonyma

 

 

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Vielen Dank @Anonyma!

Es tut sehr sehr gut, verstanden zu werden! ☺️

Das mit der Bohrmaschine stammt aus meinem Unterbewusstsein, ganz am Schluss ist es mir spontan eingefallen. 

Mit dem Unterbewussten Blick würde ich es so deuten: Der Nachbar John Cohen bringt es nicht im Bett! Ironisch - er hat sich eine "Bohrmaschine" ausgeliehen, so wie seine Frau sich eine andere "Bohrmaschine" ausgeliehen hat für gewisse Stunden. Und um dem ganzen noch eins drauf zu setzen, stellte ich mir den Nachbarn als gut trainierten, hochgewachsenen Blonden vor - dessen Frau ihn mit einem eher schmächtigen Typen betrogen hat. 

LG JC

 

Hola @Carlos!

Da hast du recht! Doch das Geld wird er wohl nie sehen! Wenn ich die Geschichte weiter spinnen wollte, würde ich schreiben, dass Coan oder seine Frau am nächsten Morgen mit den Scheinen zur Bank gehen und sich das Geld aufs Konto einzahlen lassen... von genau demselben Typen der es ihnen gegeben hat! 

Wenn es sein Gewissen beruhigt... na dann ist der Bank-Typ doch eigentlich auch zufrieden am Schluss. Auch wenn überhaupt nichts richtig gelaufen ist. 

Vielen Dank für deine Gedanken zum Text!

LG JC

 

 

 

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