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Wer höher steigt, als er sollte, fällt tiefer, als er wollte.
(Sprichwort)

 

Die Sonne brennt seit Wochen auf Häuserreihen nieder,
Beton, Asphalt und Menschen, sie kochen gleichermaßen
auf höchster Stufe gar, es verdampfen Hirn und Straßen,
was fehlt, das ist der Regen: Wann kommt er endlich wieder?

 

Der Regen strömt seit Tagen auf Häusermeere nieder,
Beton, Asphalt und Menschen versinken gleichermaßen,
das Wasser überflutet die Keller und die Straßen,
was fehlt, das ist die Sonne: Wann scheint sie endlich wieder?

 

Der Sturm, er tobt seit Stunden, reißt Häuserwelten nieder,
Beton, Asphalt und Menschen, sie liegen gleichermaßen
von der Gewalt des Windes zerbrochen auf den Straßen,
es fehlen Schutz und Obdach: Wo finden wir sie wieder?

 

Naturgewalten ringen des Menschen Hochmut nieder,
was bleibt, sind Klagelieder: Die Herrschaft kommt nicht wieder.

 

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Geschrieben

Liebe Anonyma,

 

wie schön dich wieder zu lesen!

Wenn auch mit so dunklen Zeilen.. obwohl.. wenn die Herrschaft nicht wieder kommt, könnten die Menschen endlich einen herrschaftsfreien Diskurs beginnen und vielleicht zu Sinnen zurück finden. (naja, man soll ja die Hoffnung nicht verlieren..)

 

Es ist schon seltsam, wie sehr wir den Naturgewalten ausgeliefert ist und wie wenig wir uns dies einzugestehen vermögen. Stattdessen versucht der Mensch seine Hilflosigkeit zu kaschieren, Macht vorzutäuschen und ihr letztlich zu erliegen.

So oder so, stets herrscht die Unzufriedenheit über das, was ist. Wenn es regnet, wünscht man sich Sonne, wenn die Sonne brennt vollführt der Nächste Regentänze und bei Sturm klammern sich alle an ihre sture Verleugnung der gegebenen Hierarchie. Ich bin ja sonst gegen hierarchische Strukturen, aber Naturgesetze stehen nun mal über dem Eifer eines kleinen Menschleins.

 

Der parallele Aufbau deiner Verse und Strophen hat auf mich einen umso eindringlicheren Charakter, zugleich stellt er gewissermaßen die Idiotie unseres Treibens bloß. Es drängt sich so hartnäckig auf, dass der Blick sich nicht einfach losreißen kann, der Verstand sich schwer tut Ausreden zu finden usw..

Gut, solche Gedichte kann ich nicht permanent lesen, aber ab und zu sitze ich vor solchen Werken und beginne wieder am Sinn des Lebens zu zweifeln.

Aber du gibst eine Hoffnung mit, auch wenn sie zunächst auf einer bitteren Einsicht beruht:

vor 30 Minuten schrieb Anonyma:

Naturgewalten ringen des Menschen Hochmut nieder,
was bleibt, sind Klagelieder: Die Herrschaft kommt nicht wieder.

Der Gedanke ließe sich fortspinnen. Wenn der Mensch denn seine Unterlegenheit endlich begreifen und annehmen würde, könnte er erneut nach einem Weg des Einklangs suchen.

Dass die Herrschaft nicht wieder kommt, kann auch eine Chance sein. Schließlich bedeutet Herrschaft letztlich auch eine große Bürde und Verantwortung, und der Mensch hat sich in dieser Hinsicht mit reichlich Schuld beladen.

Es wäre Zeit.. für einen Neuanfang.

 

Ich bin.. beeindruckt. Und ich frage mich gerade, ob die Menschheit nicht vielleicht verlernt hat, Demut vor der Natur zu üben. Ob wir der Herrschaft nicht überdrüssig sind, dass sie längst zu einer leidigen Gewohnheit geworden ist. Ich muss da noch drüber nachdenken :rolleyes:

 

Liebe Grüße Lichtsammlerin

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Geschrieben
vor einer Stunde schrieb Anonyma:

Die Sonne brennt seit Wochen auf Häuserreihen nieder,
Beton, Asphalt und Menschen, sie kochen gleichermaßen

 

vor einer Stunde schrieb Anonyma:

Der Regen strömt seit Tagen auf Häusermeere nieder,
Beton, Asphalt und Menschen versinken gleichermaßen,

 

Die harten Kontraste sind eindeutig und haben einen gemeinsamen Nenner: Den Menschen und seinen verursachten Klimawandel. Ja ich weiß, die Sonne wird auch ohne unser zutun, irgendwann alles vernichten, aber muss man denn so eifrig mithelfen?  

vor einer Stunde schrieb Anonyma:

Beton, Asphalt und Menschen, sie liegen gleichermaßen
von der Gewalt des Windes zerbrochen

Vor der Gewalt der Entfesselung der Elemente gibt es keinen Schutz. Und all diese Katastrophen wie von dir beschrieben sind Warnzeichen, wir folgen nicht dem Great Spirit, wie manch ein alter Indianer sagen würde. 

 

vor einer Stunde schrieb Anonyma:

Naturgewalten ringen des Menschen Hochmut nieder,
was bleibt, sind Klagelieder: Die Herrschaft kommt nicht wieder.

Mit dem letzten Abschnitt hab ich da so meine Problemchen... 

Ich hätte geschrieben: 

-Die Naturgewalt ringt den Menschen nieder (Hochmut muss hier nicht noch extra erwähnt werden)

-Was ihm bleibt sind Klagelieder (und fertig aus)

 

Mein Eindruck. 

Sollte ich damit gegen Matrix...äh Metrik-Gesetze verstoßen, dann ist das halt so! 

Die Form soll da brechen wo es nötig ist. Aber egal. Anderes Thema. 

 

Gern gelesen. Ich werde mich bei den nächsten Hitzerekorden daran erinnern. 

 

LG JC

 

 

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Guten Morgen Anonyma,

 

diese Woche bin ich sehr knapp an Zeit...

 

...deshalb nur (viel zu) kurz.

 

Ich mag deine formalen Experimente. Sie öffnen viel Spielraum, um Inhalte neu zu transportieren.

 

Hier ist dir das prima gelungen, und ich werde bestimmt nochmal mit mehr Zeit zu diesem Gedicht von dir zurückkehren. Da gibt es vom Handwerk her bestimmt was abzukupfern.

 

Ich habe das Thema auch gerade in einer (für mich neuen) (gewagten? Form) (jedoch bei weitem nicht so ausgefallen wir hier) bedichtet. Vielleicht, wenn es die Zeit wieder erlaubt...

 

Liebe Grüße

 

vom Gaukel

 

PS Fietje, du hast dich verschrieben. In der drittletzten Zeile muß es:

 

...Tja...Wow!...

 

heißen:smile:.

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Geschrieben

Liebe Lichtsammlerin,

 

ich freue mich auch sehr, dich wieder zu lesen! :classic_happy:

 

vor 23 Stunden schrieb Lichtsammlerin:

Wenn auch mit so dunklen Zeilen.. obwohl.. wenn die Herrschaft nicht wieder kommt, könnten die Menschen endlich einen herrschaftsfreien Diskurs beginnen und vielleicht zu Sinnen zurück finden. (naja, man soll ja die Hoffnung nicht verlieren..)

 

Wo Licht ist, ist auch Schatten. Aber es gibt Schatten eben auch nicht ohne Licht. Ich denke, ich werde, als ein 'Gegengewicht', demnächst ein positiveres Gedicht von mir einstellen. Das braucht nur noch ein bisschen Feinschliff, denn ich schrieb es bereits vor mehreren Monaten und finde jetzt, dass es da noch das eine und andere zu verbessern gibt. (Geht mir immer so, wenn ich ältere Werke von mir lese.) Aber es ist auf jeden Fall ganz anders als dieses hier. 

 

vor 23 Stunden schrieb Lichtsammlerin:

Es ist schon seltsam, wie sehr wir den Naturgewalten ausgeliefert ist und wie wenig wir uns dies einzugestehen vermögen. Stattdessen versucht der Mensch seine Hilflosigkeit zu kaschieren, Macht vorzutäuschen und ihr letztlich zu erliegen.

So oder so, stets herrscht die Unzufriedenheit über das, was ist. Wenn es regnet, wünscht man sich Sonne, wenn die Sonne brennt vollführt der Nächste Regentänze und bei Sturm klammern sich alle an ihre sture Verleugnung der gegebenen Hierarchie. Ich bin ja sonst gegen hierarchische Strukturen, aber Naturgesetze stehen nun mal über dem Eifer eines kleinen Menschleins.

 

Ich teile deine Abneigung gegenüber hierarchischen Strukturen. Und daher ist es zum Glück so, dass wir Menschen nichts an Naturgesetzen 'drehen' oder an ihnen 'herumwerkeln können. Sonst würden es (zu) viele tatsächlich tun. Erinnert mich an einen Politiker, der mal von Wissenschaftlern darauf hingewiesen wurde, dass es Naturgesetze gibt und der daraufhin meinte, warum man diese dann nicht einfach ändern würde? Jaja, das lässt zwar zum einen auf Arroganz schließen, aber zum zweiten (und vor allem) auf, ich nenne das mal so, intellektuelle Fähigkeiten ...

 

vor 23 Stunden schrieb Lichtsammlerin:

Der parallele Aufbau deiner Verse und Strophen hat auf mich einen umso eindringlicheren Charakter, zugleich stellt er gewissermaßen die Idiotie unseres Treibens bloß. Es drängt sich so hartnäckig auf, dass der Blick sich nicht einfach losreißen kann, der Verstand sich schwer tut Ausreden zu finden usw..

 

Das hast du sehr, sehr gut erfasst. Das 'Wiederholung ist Verstärkung'-Prinzip. Ich wollte 'Intensität' und diese braucht 'Raum', deshalb sind die Verse länger. Und ich brauchte den 'Raum' auch noch für anderes. 

 

Beton, Asphalt und Menschen. Zum einen in dieser Reihenfolge. Zum anderen symbolisiert das die Stadt.

Und genau um Natur und um Stadt geht es auch dabei:

 

Die Sonne brennt seit Wochen

Der Regen strömt seit Tagen

Der Sturm, er tobt seit Stunden

 

Immer kürzer - und immer gewaltiger. Naturgewalten.

 

auf Häuserreihen nieder,

auf Häusermeere nieder,

reißt Häuserwelten nieder,

 

Umgekehrte Reihenfolge. Kleinstadt, Großstadt, Weltstadt. Und immer weniger entgegenzusetzen ...

 

brennen, strömen, toben - und (nieder)reißen.

 

Wird immer schlimmer. Denn wir Menschen werden immer mehr und immer schlimmer. Immer mehr, immer größer (unsere Städte). Aber: Die Naturgewalten ebenfalls ...

 

vor 23 Stunden schrieb Lichtsammlerin:

Gut, solche Gedichte kann ich nicht permanent lesen, aber ab und zu sitze ich vor solchen Werken und beginne wieder am Sinn des Lebens zu zweifeln.

Aber du gibst eine Hoffnung mit, auch wenn sie zunächst auf einer bitteren Einsicht beruht:

 

Ich kann sie auch nicht permanent schreiben, aber ab und zu sitze ich da und verfasse ein solches Werk. Weil ich auch immer wieder zweifle. Und manchmal auch fast verzweifle. Inspiration für dieses Gedicht war eine Reihe von Videodokumentationen. Das wollte einfach aus mir heraus und so entstanden diese Zeilen.

 

Dennoch: Ich gebe die Hoffnung auch nicht auf. Denn auch meine Hoffnung liegt in der bitteren Einsicht - mit der Betonung auf Einsicht. Meine Lebenserfahrung sagt, dass es oft nur auf diese Art zur Einsicht führt: Wenn wir so ordentlich eins auf den Deckel bekommen, dass uns die Ohren klingeln und uns gar nichts anders übrig bleibt, als zu kuschen und den Kopf einzuziehen. So lange die Möglichkeit vorhanden ist, etwas 'kleinzureden' oder sich herauszureden oder wegzuschauen, so lange wird das getan. Wird es dann zu spät sein? Nein. Das Leben auf der Erde hat schon so viele Katastrophen überstanden, da wird auch die Katastrophe Mensch nicht dazu fähig sein, es restlos auszulöschen. Aber irgendwann wird es soweit sein, dass die Menschen der Zukunft nicht mehr so werden leben können, wie es heute noch der Fall ist. Aber das muss nichts Schlechtes sein. Ganz im Gegenteil. Weißt du, wir Menschen sind keine Spezialisten, nichts Besonderes, auch wenn das viele anders sehen. Wir sind 'Allrounder', sind 'Hans Dampf in allen Gassen'. Deshalb sind wir noch da und der Neandertaler nicht. Das ist der wirkliche Grund. Wir sind deshalb so anpassungsfähig. Kommen nirgendwo perfekt, aber überall irgendwie zurecht. Und das werden wir auch in Zukunft. 

Was mich persönlich schmerzt, ist Folgendes: Wir könnten uns das Ganze sparen. Und damit allen anderen Lebensformen auch. Wenn wir nur endlich mal damit aufhören würden, wie ein Kind trotzig mit dem Fuß auf den Boden zu stampfen und zu schreien: Nein! Ich will nicht zur Schule gehen! Ich will im Kindergarten bleiben und weiter spielen! 

Weil die Welt von zu vielen Menschen als der persönliche Spielplatz betrachtet wird. Da sitzen die meisten Menschen im Sandkasten, backen mit Förmchen, buddeln mit Schäufelchen und Eimerchen, werfen mit Sand nach den anderen Kindern, streiten sich und kratzen sich dabei und ziehen sich an den Haaren, hauen dem anderen Kind das Schäufelchen auf den Kopf, versuchen anderen das Buddelspielzeug zu klauen und rennen zu Mami (obwohl das heutzutage der Papi ist, aber das ist egal), um sich darüber zu beschweren, dass andere Kindchen mit ihnen genau das Gleiche machen wie sie mit ihnen ...

 

Ich fürchte, wir müssen am Kragen gepackt und in die Schule gesteckt werden - ob wir das wollen oder nicht. Wie heißt es so treffend: Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt! Und ich glaube, Mutter Natur ist gerade dabei, uns eine Moralpredigt zu halten und uns in die Schule zu stecken - der Ernst des Lebens wartet. Dass wir bei ihm ankommen und mit den Kinderspielchen aufhören.

 

vor 23 Stunden schrieb Lichtsammlerin:

Der Gedanke ließe sich fortspinnen. Wenn der Mensch denn seine Unterlegenheit endlich begreifen und annehmen würde, könnte er erneut nach einem Weg des Einklangs suchen.

Dass die Herrschaft nicht wieder kommt, kann auch eine Chance sein. Schließlich bedeutet Herrschaft letztlich auch eine große Bürde und Verantwortung, und der Mensch hat sich in dieser Hinsicht mit reichlich Schuld beladen.

Es wäre Zeit.. für einen Neuanfang.

 

Liebe Lichtsammlerin, ich glaube, dass wir keinen Neuanfang brauchen. Sondern endlich echten Fortschritt - der Menschheit selbst, inneren Fortschritt. Keinen äußeren, technologischen. Das sind nur unsere Spielzeuge. Zeit, dass wir sie aus der Hand legen und zur Schule gehen.

 

Um uns endlich auf den Weg zu machen. Auf den Weg zum Erwachsensein. Genau, wie du sagst: Wir müssen lernen, Verantwortung nicht ständig von uns zu weisen, sondern sie zu übernehmen. Lernen, zu verstehen, was Verantwortung ist. Damit wir ihr gerecht werden können. 

 

Psychologen sagen gerne, dass man sich nur für sich selbst verantwortlich fühlen soll. Und genau das ist die Wurzel der Probleme, dieses Denken. Die 'Ich-AG' als individuelles Allheilmittel. Das bei Milliarden von Menschen das Leben auf dieser Welt, die Gesamtheit, unter Überdosierung leiden lässt. Es ist das Denken eines Kindes, dieses egozentrische Weltbild. Davon müssen wir weg. 

 

vor 23 Stunden schrieb Lichtsammlerin:

Ich bin.. beeindruckt. Und ich frage mich gerade, ob die Menschheit nicht vielleicht verlernt hat, Demut vor der Natur zu üben. Ob wir der Herrschaft nicht überdrüssig sind, dass sie längst zu einer leidigen Gewohnheit geworden ist. Ich muss da noch drüber nachdenken :rolleyes:

 

Liebe Lichtsammlerin. Ich glaube, dass wir uns wirklich von den Vorstellungen von Demut und Hochmut verabschieden müssen. Von Dienen und Herrschen. Ich glaube, dass wir erst dann begreifen können, was wir wirklich sind: Ein Teil des Ganzen. Und jedes Teil, jedes, ist gleichwertig - denn, aus der Perspektive des Ganzen betrachtet, ist das Ganze nicht ganz, wenn irgendein Teil fehlt ... daher ist jedes realiter gleich wichtig. Gleichgewicht. Und Natur. :heart:

 

LG,

 

Anonyma

 

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Hallo, Joshua,

 

vor 22 Stunden schrieb Joshua Coan:
Am 24.1.2022 um 16:38 schrieb Anonyma:

Die Sonne brennt seit Wochen auf Häuserreihen nieder,
Beton, Asphalt und Menschen, sie kochen gleichermaßen

 

Am 24.1.2022 um 16:38 schrieb Anonyma:

Der Regen strömt seit Tagen auf Häusermeere nieder,
Beton, Asphalt und Menschen versinken gleichermaßen,

 

Die harten Kontraste sind eindeutig und haben einen gemeinsamen Nenner: Den Menschen und seinen verursachten Klimawandel. Ja ich weiß, die Sonne wird auch ohne unser zutun, irgendwann alles vernichten, aber muss man denn so eifrig mithelfen?  

 

Lieber Joshua, wir verursachen ihn nicht, das ist ein weit verbreiteter Irrtum bzw. Denkfehler. Aber wir beschleunigen ihn. Und das ist schlecht. Sehr schlecht. Denn, ohne unser Zutun würde der Wandel langsam genug vonstatten gehen, dass das Leben und somit auch wir ausreichend Zeit hätten, sich entsprechend anzupassen und darauf einzustellen. Komplexe Systeme. Wir pumpen da zu viel zusätzliche Energie hinein und das führt zu einer expandierenden Beschleunigung. Immer schneller - und wir werden da nicht mehr hinterherkommen. Alles, was wir jetzt noch tun könnten, wäre, unsere Energiezufuhr so drastisch, wirklich dramatisch zu reduzieren, dass sich die Veränderungen nicht weiter beschleunigen. Dann könnten wir es schaffen, gerade noch genug Zeit zu gewinnen, um das Schlimmste zu verhindern: Zu verhindern, dass es eskaliert und die nächste Eiszeit so viel schneller kommt, als wir fähig sind, uns irgendwie darauf vorzubereiten. In den Medien ist immer nur die Rede vom Eis an den Polen. Und viel zu selten wird der Golfstrom erwähnt. Dieser hat sich bereits verlangsamt. Und wenn er stoppt, dann wird die nächste Eiszeit herangaloppieren wie ein Rennpferd. Denn er ist es, der dafür sorgt, dass es hier in Europa so angenehme Temperaturen gibt. 

Wir leben aktuell nicht in einer Warmzeit, sondern lediglich in einer Zwischeneiszeit. Eine recht kurze (in globalen Zeitmaßstäben betrachtet) Periode zwischen zwei Eiszeiten. Und gerade arbeiten wir eifrig daran, die nächste so schnell herbeizuholen, wie es nur geht. 

Was auch immer die Politiker reden - es muss endlich etwas getan werden. Viel muss getan werden, wirklich viel, es sind drastische Maßnahmen notwendig, denn der Prozess ist bereits viel zu weit fortgeschritten. Für Herumlavieren und das Denken an künftige Wahlen ist keine Zeit mehr.

 

Sonst ist es so sicher wie das Amen in der Kirche, dass uns Menschen schon sehr bald der Arsch wirklich auf Grundeis gehen wird ... wortwörtlich. Leider glaube ich, dass genau das geschehen wird. Weil eben kaum jemand sich mit weniger zufriedengeben will. Weil eben so viele, zu viele nichts anderes wollen, als immer mehr. Immer mehr Bequemlichkeit, immer mehr Luxus. Weil zu viele Menschen das gleiche Motto haben: Nach mir die Sintflut! Hauptsache, ich habs gut, was oder wer nach mir kommt, ist mir egal.

Weil zu viele Menschen die Schuld und die Verantwortung auf andere abschieben: Die sollen zuerst, die sind ja schließlich schuld, die machen ja viel mehr kaputt als ich und verbrauchen viel mehr als ich und ich. Und ich. Und nach mir die Sintflut! Da beißt sich die Katze bildschön selbst in den Schwanz und beschwert sich, dass er wehtut.

 

vor 22 Stunden schrieb Joshua Coan:

Vor der Gewalt der Entfesselung der Elemente gibt es keinen Schutz. Und all diese Katastrophen wie von dir beschrieben sind Warnzeichen, wir folgen nicht dem Great Spirit, wie manch ein alter Indianer sagen würde. 

 

Ich verfolgte die Liveübertragung des Vulkanausbruchs auf La Palma. Ein ganz kleiner Vulkan, strombolianischer Ausbruch, auf einer kleinen Insel, der wiederum nur ca. 10% der Insel betraf. Und - nix. Nix zu machen. Außer der Lava und den Gasemissionen aus dem Weg zu gehen. Und abzuwarten und zu hoffen, dass es schnellstmöglich wieder aufhört. Tat es eher nicht, der Vulkan war 86 Tage am Ausbrechen. Global ohne Bedeutung, aber lokal? Da sah es etwas anders aus. Menschen verloren alles, ihre Häuser, ihr Hab und Gut, ihre Geschäfte, ihre Plantagen, ihre Fabriken ... und konnten absolut gar nichts dagegen tun.

 

Glücklicherweise kostete es keine Menschenleben, da die zuständigen Stellen rasch und unbürokratisch reagierten, die Bewohner des betroffenen Gebietes rechtzeitig evakuierten und auch danach mit Absperrungen und ausreichend Polizeipräsenz dafür sorgten, dass sich keine schaulustigen Touristen oder unvorsichtige Anwohner in Gefahr bringen konnten. 

 

Und in Sachen Naturkatastrophen globaler Ausmaße, da werden wir nichts anderes tun können. Nur werden dann natürlich sehr, sehr viel mehr Menschen fliehen müssen. Nur, apropo globales Ausmaß: Wohin? Und: Wenn ein Wo gefunden wird - wie viele werden da Platz haben? Wird nicht so einfach sein, wie auf La Palma. Da wird es nicht ausreichen, ein paar hundert Leute für ein paar Wochen in Hotels und Pensionen unterzubringen. Da werden Milliarden von Menschen woanders hin müssen - und das dauerhaft. Ja, ich glaube, ich muss da nichts weiter erklären ...

 

vor 22 Stunden schrieb Joshua Coan:

Mit dem letzten Abschnitt hab ich da so meine Problemchen... 

Ich hätte geschrieben: 

-Die Naturgewalt ringt den Menschen nieder (Hochmut muss hier nicht noch extra erwähnt werden)

-Was ihm bleibt sind Klagelieder (und fertig aus)

 

Mein Eindruck. 

Sollte ich damit gegen Matrix...äh Metrik-Gesetze verstoßen, dann ist das halt so! 

Die Form soll da brechen wo es nötig ist. Aber egal. Anderes Thema. 

 

Hochmut ist kein unersetzbarer Begriff. Ich wählte ihn zwar bewusst, aber er ist hier nicht in Stein gemeißelt. Und, wie du sicher weißt, stören mich Verstöße gegen *Lach* Matrix-Metrik-Gesetze nicht bzw. bei mir selbst schon, aber das ist etwas anderes. 

 

Ich persönlich denke allerdings nicht, dass ein Formbruch nötig ist. Aber ich werde über den Begriff 'Hochmut' noch einmal gründlich nachdenken und mich auf die Suche nach möglichen, passenden Alternativen machen. Vielleicht hast du ja auch einen Vorschlag?

 

Das Gedicht schrieb ich vor mehreren Monaten und ich habe es noch einmal überarbeitet. Ich gebe dir allerdings recht, nachdem du mich (berechtigt!) darauf aufmerksam gemacht hast, dass ich Hochmut nicht hinschreiben muss, da das Gedicht bereits insgesamt von ihr berichtet. Also - danke dafür!

 

Und natürlich auch fürs Lesen und für deinen Kommentar! :smile:

 

LG,

 

Anoyma

 

 

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Lieber Fietje,

 

vor 21 Stunden schrieb Fietje Butenlänner:

Liebe Poeten, es ist doch sagenhaft was hier so die letzten Tage eintrudelt, ein Werk nach dem anderen, ich komme vor Begeisterung kaum noch hinterher, diese wundersamen Septemmeter über die unbestreitliche Existenz der Naturgewalten, wow! Es ist, um damit JCs Gedanken metrisch zu erweitern, ein Septemmeter-Sonett, bestehend aus 2 Quartetten und 2 Terzetten, wobei ein Vers "speziell" platziert wurde, warum erschließt sich mir "noch" nicht.....

 

ähm - welcher Vers ist 'speziell platziert'? Ich sehe keinen und ich habe auch keinen anders platziert ... meinst du vielleicht den Titel? Ich war mal so frech und habe mir ein Sprichwort als solchen genommen. 

Ansonsten weiß ich wirklich nicht ... ? *Kopfkratz*

 

Mir geht es wie dir. Ich sitze hier und antworte. Und dabei rasen die Minuten, rechts unten am Bildschirm, in der Ecke, vor sich hin. Nach meinen Antworten hier muss ich erst mal pausieren. Aber ich werde heute Abend auf jeden Fall noch Kommentare schreiben. Ich komme auch zeitlich einfach nicht hinterher ... und dabei würde ich auch so gerne so vieles kommentieren ...

 

vor 21 Stunden schrieb Fietje Butenlänner:

V12,bzw T2V1: es fehlen Schutz und Obdach: Wo finden wir sie wieder?

 

Tja...Wo?

 

Eben. Darauf ging ich in meiner Antwort an Joshua bereits näher ein. Es werden zu viele sein, viel zu viele, die nach Schutz und Obdach suchen werden ... 

 

Und der Planet ist so klein ... ist er wirklich. Ein klitzekleiner Punkt, im Hinterhof einer kleinen Galaxie, irgendwo im Universum ... er ist endlich. Und alles, was wir haben. Tja, und was machen wir, statt ihn zu hüten und zu hegen und zu pflegen, statt behutsam und vorsichtig mit ihm umzugehen, damit wir ihn nicht kaputtmachen? 

 

Ach so, ja. Genau. Wir suchen uns einfach einen anderen! Mars, erdähnliche Planeten, Supererden! Wir werden einen finden! Auch wenn keiner da ist, jedenfalls nicht in erreichbarer Nähe, werden wir das trotzdem - weil wir ja schließlich wir sind!

Wir müssen nicht damit aufhören, uns selbst Märchen zu erzählen. Wir müssen nur endlich damit aufhören, an sie zu glauben.

 

Danke für deinen Kommentar und ganz besonders für dein 'hervorragend'. :classic_happy: Jetzt habe ich zwar rote Ohren, aber ich freue mich natürlich!

 

LG,

 

Anonyma

 

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Hallo, Gaukelwort,

 

vor 9 Stunden schrieb Gaukelwort:

diese Woche bin ich sehr knapp an Zeit...

 

...deshalb nur (viel zu) kurz.

 

das macht doch nichts. Ich freue mich über jede Rückmeldung. :smile: (Aber ich wünsche dir natürlich, dass du wieder mehr Zeit hast. Zeitdruck ist nie schön.)

 

vor 9 Stunden schrieb Gaukelwort:

Ich mag deine formalen Experimente. Sie öffnen viel Spielraum, um Inhalte neu zu transportieren.

 

Damit sprichst du mir tatsächlich 'aus der Seele', denn genau das ist der Grund, warum ich so gerne experimentiere. 

 

vor 9 Stunden schrieb Gaukelwort:

Hier ist dir das prima gelungen, und ich werde bestimmt nochmal mit mehr Zeit zu diesem Gedicht von dir zurückkehren. Da gibt es vom Handwerk her bestimmt was abzukupfern.

 

Das würde mich natürlich sehr freuen. Und wenn du etwas abkupfern möchtest - nur zu! Das ist ein wirkliches (und großes) Kompliment, für das ich mich daher noch einmal extra bei dir bedanken möchte. :classic_happy:

 

vor 9 Stunden schrieb Gaukelwort:

Ich habe das Thema auch gerade in einer (für mich neuen) (gewagten? Form) (jedoch bei weitem nicht so ausgefallen wir hier) bedichtet. Vielleicht, wenn es die Zeit wieder erlaubt...

 

Das würde mich wirklich interessieren! Du kannst mir ja auch einfach eine PN schicken, wenn es dir deine Zeit wieder erlaubt. Dann schaue ich sehr gerne bei dir im entsprechenden Thema vorbei.

 

 

LG,

 

Anonyma

 

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Geschrieben
vor 5 Minuten schrieb Anonyma:

Tat es eher nicht, der Vulkan war 86 Tage am Ausbrechen. Global ohne Bedeutung, aber lokal?

Da fällt mir noch was ein! In einer Talkshow hat ein Bergsteiger erzählt, wie er im Himalaya Bergsteigen war, zu der Zeit als der Irakkrieg stattfand und die Ölfelder gebrannt haben. Oben auf dem Berg ist ihm aufgefallen, dass das Eis einen schmierigen Beigeschmack hatte.... 

Und wir hatten vor einem Jahr einen schönen Saharasandhimmel. Alles ist miteinander verbunden. Auf die eine oder andere Weise. Mücken sind zwar lästig, aber wenn sie verschwinden, haben die Fische keine Larven und Eier mehr zum essen. Usw.... Der ganze Planet ist ein atmendes fühlendes Wesen. Und der Mensch wird zu einem bösartigen Tumor. 

 

Und um nicht zuletzt zu vergessen wie empfindlich diese Erde doch ist: ca.100 Atombomben reichen um das Sonnenlicht global für Jahrzehnte verschwinden zu lassen.  

Aber anderes Thema. 

 

✌️ JC

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Geschrieben

Lieber Joshua,

 

du hast natürlich recht, alles hängt miteinander zusammen.

 

Aber die Auswirkungen des Ausbruchs auf La Palma waren dennoch, global gesehen, so minimal, dass es wirklich nicht ins Gewicht fiel. Der Ausstoß an Gasen und vulkanischer Asche war regional (und wirklich begrenzt auf die 10% von La Palma, die betroffen waren) zeitweise richtig schlimm. Nur - es war ein wirklich kleiner Ausbruch. Auch wenn die Bilder spektakulär waren. Und die dabei freigesetzte Energie sowie die Menge an Auswurfsmaterial waren schlichtweg zu gering, als dass das weitere und/oder spätere Auswirkungen gehabt hätte, die anderswo auf dem Planeten zu verspüren gewesen wären.

 

Es gibt gravierende Unterschiede bei Vulkanen (ja, ich habe dabei viel über Vulkanismus und auch über geologische Prozesse dazugelernt). Und auch diverse unterschiedliche Arten von Eruptionen. Damit wirklich von globalen Auswirkungen gesprochen werden kann, hätte es sowohl ein weit größerer Vulkan als auch eine weit stärkere und andere Art des Ausbruchs sein müssen. Der Vulkan auf La Palma war zunächst als VEI 2 (Vulkanexplosivitätsindex) eingestuft worden. Dass er dann auf 3 hochgestuft wurde, hing nicht mit der Stärke der Eruptionen (der Explosivität) als solche zusammen, sondern mit der insgesamt ausgeworfenen Materialmenge. Es ist ein bisschen kompliziert und würde hier zu weit führen, aber es gibt sowohl innerhalb dieser Skala als auch außerhalb von ihr noch eine Menge anderer Kriterien und eine weitere Skala. 

 

Da gab und gibt es ganz andere Kaliber. Große Vulkane, mit plinischen Ausbrüchen. Dann knallts, und zwar mächtig. Und dann wird es global. 

 

Und natürlich gibt es da auch noch die Supervulkane. Der Yellowstone beispielsweise. Der ist ultra-plinianisch. Wenn der richtig, d. h. mit voller Wucht, hochgehen sollte, dann - ich sags mal so. Als das letzte Mal eine Naturkatastrophe solchen Ausmaßes stattfand, starben die Dinosaurier aus ... und nicht nur die. Derartige Ereignisse werden als die 'Big Five', die 'Großen Fünf' bezeichnet. Die hatten Massenaussterben zur Folge. Und - da können auch keine 100 Atombomben mithalten. Wirklich nicht. Aber, wie dem auch sei: Das Leben überlebte diese Katastrophen. Und regenerierte sich. Allerdings brauchte es dazu auch lange.

 

Es ist wiederum unsere Hochmut, die uns glauben lässt, wir hätten die Macht, die allen anderen Katastrophen überlegen ist. Dass wir alleine die Größten sind, dass wir alleine es schaffen können, alles auszulöschen.

 

Von dieser Vorstellung müssen wir uns dringend verabschieden. Denn auch aus dieser Vorstellung heraus spricht unser Hochmut. 

 

Das macht unser Handeln nicht weniger falsch, bitte mich hier nicht missverstehen! Es ist falsch. Denn wir können bedenken, was wir tun. Vulkane oder Asteroiden aus dem All nicht. 

 

LG,

 

Anonyma 

 

P.S.: Und ich wollte eigentlich aufhören. Müsste eigentlich aufhören ... ach, egal, sei's drum. Dann esse ich eben heute später ... 

 

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Geschrieben

Moin, Monsieur Fietje,

 

vor 13 Stunden schrieb Fietje Butenlänner:

. . . . .⍨ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ich versuche mich zu erklären Madame Anonyma.

 

>>Wer höher steigt, als er sollte, fällt tiefer, als er wollte.<<  . . so kann ich es meinen, denn, es sind ja Hexa- nicht Septemverse, srry.

..⌢⌢

 

ah, also hast du doch den Titel gemeint. Alles klar. 

 

vor 13 Stunden schrieb Fietje Butenlänner:

Die Sonne brennt seit Wochen II auf Häuserreihen nieder,
Beton, Asphalt und Menschen, sie kochen gleichermaßen
auf höchster Stufe gar, es verdampfen Hirn und Straßen,
was fehlt, das ist der Regen: Wann kommt er endlich wieder?

 

 Hexaverse, ebenda Balladenverse im Sonettstyle mit triolettenhafter Beimischung sich wiederholender Verspassagen. Die metrische Drückung stets mittig mit gelungenen Zäsuren (II), du teiltest die Verse in jeweils 2 dreitakttige Passagen auf, dieses wundersam wohlklingend im Kreuzreim.

 

Pssst - umarmender Reim, nicht Kreuzreim. :wink:

 

Kennst du das Versmaß 'Alexandriner'? Ich habe ihn leicht 'modifiziert'. Ein gutes Beispiel ist das sehr bekannte Gedicht von Andreas Gryphius:

 

Es ist alles eitel

 

Du sihst/ wohin du sihst nur Eitelkeit auff Erden.
Was dieser heute baut/ reist jener morgen ein:
Wo itzund Städte stehn/ wird eine Wiesen seyn/
Auff der ein Schäfers-Kind wird spielen mit den Herden.

 

Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein:
Wo jetzt noch Städte stehn, wird eine Wiese sein,
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden.

 

13, 12, 12, 13 - die Silbenzahl. Charakteristisch für den Alexandriner ist genau die von dir erwähnte Mittelzäsur. Unterschied zu meiner Variante: 

 

Du siehst, wohin du siehst, II nur Eitelkeit auf Erden.

 

Die Sonne brennt seit Wochen II auf Häuserreihen nieder,

 

Beim Alexandriner folgt die Mittelzäsur immer auf eine betonte Silbe. Ich wollte die 'Teilung' der Verse verstärken (im Sinne von Mensch-Natur), daher erweiterte ich um eine Senkung. So folgt bei mir die Mittelzäsur immer einer unbetonten Silbe. Ich finde, dass die eine Silbe schon einen deutlichen Unterschied macht.

 

Zugleich wollte ich aber auch die Tatsache verstärken, dass der Mensch ein Teil der Natur ist, auch wenn das gerne mal geleugnet oder ignoriert wird. Daher wählte ich durchgehend klingende Kadenzen:

 

Was dieser heute baut, II reißt jener morgen ein:

 

Beton, Asphalt und Menschen, II sie kochen gleichermaßen

 

Der Alexandriner ist ein Versmaß, das mir persönlich ganz besonders gut gefällt. Ich würde fast so weit gehen, zu sagen, dass er in mancher Hinsicht sogar mein Lieblingsversmaß ist (obwohl ich ihn seltener verwende, aber das liegt daran, dass er ja auch passen muss und besonders im letzten Jahr war das irgendwie nicht der Fall - bis auf dieses Gedicht hier. Und, du kennst mich ja, ich kann das 'Herumbasteln' nicht lassen ...)

 

Dieses Versmaß kommt aus Frankreich. Stichwort: Französisches Barocksonett. Andreas Gryphius zeigt, wie sehr der dreißigjährige Krieg, durch seine Schrecken und Gräuel, die Dichtkunst dieser Zeit prägte. Bei Gryphius ist ja auch mit 'Eitelkeit' nicht das gemeint, was wir heute darunter verstehen. Zu seiner Zeit bedeutete Eitelkeit 'Vergänglichkeit/Vergeblichkeit'.

 

vor 13 Stunden schrieb Fietje Butenlänner:

Deine Kadenzen unbetont, bleiben im folgendem Vers in ihrem Silbenlaut identisch, wow:

 

Der Regen strömt seit Tagen II auf Häusermeere nieder,
Beton, Asphalt und Menschen II versinken gleichermaßen,
das Wasser überflutet II die Keller und die Straßen,
was fehlt, das ist die Sonne: Wann scheint sie endlich wieder?

 

Das macht alles sehr wohlklingend, es sind die Wiederholungen und das indentische Spiel deiner Kadenzen, welches deine Hexaverse kontinuierlich schippern lassen, wenn auch nicht bei ruhiger See. Das Thema ließe es nicht zu und die Intensität deiner Silben lässt bei diesen steten Gleichklang diesbzgl. auch keine Langeweile aufkommen. Ein So-nett Balladensound, indem irgendwie Tri' enthalten ist:  

 

Dankeschön - aber ich muss das Lob mit Andreas Gryphius teilen. Denn natürlich war sein Gedicht meine 'Inspirationsquelle' und er ist daher daran 'beteiligt'. 

 

Ja, Wiederholungen, identische Kadenzen. Wofür ich mich aber ebenfalls bedanken möchte (denn das ist meiner 'Feder entsprungen', ist für dein Lob bezüglich der Intensität meiner Silben. Da ich wusste, dass ich für 'Gleichklang' sorge, musste ich entsprechend Vorsorge tragen. Denn, wie du richtig erwähnst, liefe mein Gedicht sonst Gefahr, langweilig zu klingen. Wenn du mir also sagst, dass mir das gelungen ist, dann freue ich mich sehr.

 

Und ja, die Zahl Drei. Gedichte sind Musik und Musik ist Mathematik. Mhm, das lernte ich von einem Musiker. Und er hat recht. Drei Quartette. Drei Hebungen - drei Hebungen. 2 x 3 = 6. 

 

vor 14 Stunden schrieb Fietje Butenlänner:

Beton, Asphalt und Menschen 3x

gleichermaßen 3x

Straßen 3x

Wochen/Tagen/Stunden  stets V1

was fehlt/ es fehlen 3x'

 

Genau, auch dabei die Drei. Und auch bei Sonne, Regen und Wind (Sturm). Und auch bei Häuserreihen, Häusermeere, Häuserwelten. Bei Wochen, Tagen, Stunden. 

 

Aber: Die Zahl Zwei ist auch dabei. In den Quartetten sind es ja zwei Reime, die ein Reimpaar umarmen. Hirn und Straßen - Zwei. Keller und Straßen - Zwei. Schutz und Obdach - Zwei. Das heroic couplet (der Name der beiden letzten Verse) bildet den Abschluss. Dort finden sich auch Naturgewalten - Menschen = Zwei. Ein zerstrittenes Paar, aber es gehört zusammen. Wusstest du übrigens, dass das herioc couplet eine ähnliche Rolle einnimmt, wie z. B. der Hexameter oder das Epigramm in der elegischen, antiken Dichtung?

 

vor 14 Stunden schrieb Fietje Butenlänner:

Jetzt gnädige Frau, Liebwerte, kommt dein Break. Why not 2 Quartetts and 2 Trioletts?

 

Naturgewalten ringen II des Menschen Hochmut nieder,
was bleibt, sind Klagelieder: II Die Herrschaft kommt nicht wieder.

 

so?:

es fehlen Schutz und Obdach: Wo finden wir sie wieder?

Naturgewalten ringen II des Menschen Hochmut nieder,
was bleibt, sind Klagelieder: II Die Herrschaft kommt nicht wieder.

 

Why not - das ist die richtige Sprache. Das Sonett folgt zwar im Versmaß dem französischen Alexandriner, aber der Aufbau dem englischen Sonett. Drei Quartette und ein heroic couplet. Und die durchgehend klingenden Kadenzen, ja, die folgen nun wiederum August Wilhelm Schlegel und dem deutschen Sonett.

Oh - da ist sie ja schon wieder, die Drei? 

Des Rätsels Lösung: Ich wollte ein 'europäisches Sonett', gewissermaßen ein Sonett in Richtung  'kosmopolitisches' Gedicht.

 

vor 14 Stunden schrieb Fietje Butenlänner:

So wäre zusätzlich die rein optische Darstellung, ebenda 2 Quartetten und 2 Terzetten für ein Crazy-Sonett dargestellt, aber nein, du hast es anders formiert, und diesbzgl. fragte ich mich warum....

Du trennst die letzten beiden Verse quasi ab, eben die Naturgewalten. Ich kann das verstehen, aber es ist ansich für das menschliche Schicksal unlogisch. Insofern fehlte den Trioletten auch ein Gang hin zur Melange, zur Auflösung von These und Antithese, was ja typisch Sonett wäre. Ok, jetzt sagtst du, es ist ja eher Ballade, dann sage ich wiederrum, das Leben ist eher Sonett!

 

Ich denke, ich habe ja jetzt erklärt, warum es so aufgebaut ist, wie es ist. Ich sage daher nicht, es ist ja eher Ballade. Ein heroic couplet enthält keine Synthese (würde ja auch überhaupt nicht zum Thema passen, denn im Gedicht kommen Natur und Mensch nicht wieder zusammen, da findet keine Versöhnung oder Wiedervereinigung statt), sondern eine Conclusio, ein Fazit. Naturgewalten und Menschen befinden sich übrigens im gleichen Vers. Aber der letzte Vers, der Abschluss, der macht eben wirklich Schluss. Was bleibt - sind Klagelieder. Und genau das ist das Gedicht ja auch ... :wink:

 

vor 14 Stunden schrieb Fietje Butenlänner:

>>es fehlen Schutz und Obdach: Wo finden wir sie wieder?<<

 

Dieser Vers ist m.A.n. eben  "speziell"  platziert, optisch.

 

Ja, wo finden wir Schutz und Obdach wieder? Jetzt, in dieser neuen Welt? Heute?

 

Ja, in der dritten Strophe wird es 'stürmisch':

 

Der Sturm, er tobt seit Stunden,II reißt Häuserwelten nieder,

es fehlen Schutz und Obdach: Wo finden wir sie wieder?

 

Der Sturm bewirkt Veränderungen, lieber Fietje, das bleibt nicht aus. In den ersten beiden Quartetten ist es schlimm genug, aber nicht ganz so 'dramatisch'. Hier, im dritten Quartett, befinden sich zwei Verben dieser Art im ersten Vers: tobt und reißt. In den ersten beiden Quartetten ist es jeweils nur eines: brennt - strömt. 

 

Auch im zweiten Vers ist das so. Zum einen die Doppelung dessen, was fehlt und zum anderen hat sich auch die Fragestellung verändert. In Quartett eins und zwei wird gefragt: Wann. Hier wird gefragt: Wo. Das ist ein deutlicher Unterschied. Wann, das setzt die Annahme voraus, dass es so sein wird. Dass die Sonne wieder scheinen und der Regen wieder aufhören wird. Das ist im dritten Quartett nicht mehr der Fall. Die Sicherheit/Gewissheit (Schutz, Obdach) ging verloren. Nicht wann, sondern wo, das ist hier die Frage.

 

Der Inhalt folgt einer weiteren Art von Dreiteilung. Denn im englischen Sonett geht es nicht um These-Antithese-Synthese, sondern um inhaltliche Steigerung plus Conclusio/Fazit. Sonne - schlimm. Regen - schlimmer. Sturm - Katastrophe.

Gefolgt vom 'Ergebnis': Alles futsch. 

 

vor 14 Stunden schrieb Fietje Butenlänner:

Ich sags mal so: im Sonett! These/Antithese/Synthese ist das Leben, Ballade auch, ja, Tri wie Trinität'tär auch, gewiß, oder wie das heißt, aber in der Erkenntnis der unberechenbaren Naturgewalten, in ihrer Akzeptanz ihrer Kraft und Schönheit, ist das Leben schöön.

 

Ja, lieber Fietje, Kraft und Schönheit. Als ich die Video-Liveübertragung des Vulkanausbruchs auf La Palma verfolgte, da war ich hin- und hergerissen. Denn natürlich taten mir die Menschen, die davon betroffen waren, die ihre Häuser, ihr Hab und Gut, Arbeitsplätze, Geschäfte etc. verloren, furchtbar leid. Aber die Aufnahmen des Vulkans waren trotzdem faszinierend, spektakulär und - wunderschön (besonders bei Nacht - wow). Besonders optisch spektakulär war der Anblick der Lavaströme und der Eruptionssäulen. Aber letztere waren auch akustisch spektakulär. In einem Fall war so viel Druck dahinter, dass der Vulkan wie ein startendes Düsenflugzeug klang - und ebenso laut war und das, obwohl sich die Kamera in mehreren Kilometern Entfernung vom Kegel befand. Ich musste die Lautstärke ordentlich reduzieren. Über Stunden, unglaublich. Werde ich nie vergessen, weder die Bilder noch die Töne. (Aber ich saß natürlich gleichzeitig auch vor dem Bildschirm und mir taten die Anwohner wieder furchtbar leid, die diese Lautstärke dort vor Ort ertragen mussten. Sie konnten sie ja nicht verringern. Ich bin persönlich sehr empfindlich, was Lärm anbetrifft  - ich glaube, ich wäre buchstäblich verzweifelt und von der Insel 'geflohen'. Denn es war natürlich beständig laut, nur einmal war es eben wirklich extrem.)

 

vor 14 Stunden schrieb Fietje Butenlänner:

PS: deswegen musste nicht umstellen... um Gottes Willen nein, aber ich musste etwas zu deiner tollen Lyrik und zu deinen Missverständnis schreiben.

 

*Schmunzel* 

 

Mir bleibt nur noch, mich noch einmal bei dir zu bedanken, dafür, dass du dir die Zeit genommen und deine Gedanken mit mir geteilt hast. :classic_happy:

 

LG,

 

Anonyma

 

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