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Was können wir tun?


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Was können wir tun?

Als ich die lange verwahrte Kiste
öffne, fällt mir ein Büchlein in die Hand.

Darinnen stehen Zeilen von dir, die klingen in mir,
als redest du sie gerade in diesem Augenblick.

Geschrieben steht dort Lob und Tadel,
so bleibe ich in der Summe unerlöst.

Und dieses Bild aus deinen letzten
Tagen zeigt dich ganz mutlos ohne Kraft.

Was tat ich nicht, was sagte ich nicht,
um dich am Leben zu halten?

Mein finsteres Licht war nicht hell genug,
um deine letzten Tage auszuleuchten.

Das Bühnenstück Leben verlangt
demütige Schauspieler, die nichts fragen,
sondern ihre Rolle ausfüllen ohne Kenntnis
der Regie und des Drehbuchs.

Wie eine Anmaßung erscheint mir das,
die man keinem Hund länger zumuten sollte.

Die mit der Wahrheit hausieren gehen,
nenne ich vorschnell und leicht blendbar.

Manches erscheint plausibel,
mehr aber auch nicht.

Wer die Wahrheit hat, kann nur ein Lügner sein,
das ist meine spät erfahrene Erkenntnis.

Propheten sind Menschen wie wir,
nur mit einer dünneren Haut.

Dessen Lüge das Leben aber leichter macht,
dem sollte gewiss verziehen werden.

Mehr kann ein Mensch wohl nicht tun,
als immer wieder ans Gute glauben zu machen.

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"Dessen Lüge das Leben aber leichter macht,
dem sollte gewiss verziehen werden."
 

 

"Betrogen zu werden, sagen die Leute, ist ein großes Unglück, aber nicht betrogen zu werden, das allergrößte." (Erasmus von Rotterdam in "Lob der Torheit").

Das Leben wäre kaum zu ertragen, würden wir uns ständig "die Wahrheit" sagen.

 

Dein Text enthält eine Reihe reifer Gedanken z. B. über die Hilflosigkeit, das Schicksal eines geliebten Menschen zu wenden, über die Art und Weise des Auftretens auf der Bühne des Lebens, über Wahrheit, die keine ist, es aber vortäuscht u.a. m.

Eine anregende Lesefreude mit viel Tiefgang!

 

Herzlichen Gruß

Carolus

 

 

 

 

 

 

 

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Liebe @Hera Klit,

 

Nach dem Intro der ersten vier Strophen beginnt eine Sammlung bemerkenswerter und blendender Aphorismen, die mit dem Intro und der fragenden Überschrift erst einmal in einen Zusammenhang gebracht werden wollen.

Das Intro bleibt für mich im Raume hängen. Fühlt sich das LI verantwortlich vllt.  auch schuldig für den Tod einen gestorbenen Menschen? Eine Pflegesituation? ein Suizid? Welche Kiste wird da gerade aufgemacht?

Was können wir tun? - Der LeserIn wird mit einbezogen in die sich anschließenden Gedanken. Eine Aufforderung sich an der Diskussion zu  beteiligen, obwohl die Ausgangssituation verschleiert bleibt und nicht weiter aufgelöst wird. Was können wir tun, wenn wir nicht wissen, worum es gehen will.  

Im weiteren präsentieren sich Gedankensplitter der Erkenntnis. D.h. als LeserIn folge ich keiner Quintessenz einer philosophischen Erkenntnis. Ich arbeite auch nicht an der gedanklichen Lösung einer problematischen Ausgangssituation.  Ich folge einem lyrischen Ich, welches (auktorial) die Dinge beschreibt und sie gleichzeitig reflektiert.  Einzeln sind die "Aphorismen" ab Strophe 5 ungemein stark, im Kontext nehmen sie sich ( für meinen Geschmack) ein wenig von ihrer Kraft und Entfaltungsmöglichkeit,  weil sie eben keiner Fragestellung oder einem  philosophischen  Gedankengang  folgen, sondern der Spontaneität eines sprudelnden Geistes. Alles lässt sich aus dem Zusammenhang heraus brechen und für sich einzeln interpretieren. Das macht den Text offen und stark, zeigt zugleich aber auch seine Schwäche auf.

 

Meine Lieblingsstelle:

 

"Das Bühnenstück Leben verlangt
demütige Schauspieler, die nichts fragen,
sondern ihre Rolle ausfüllen ohne Kenntnis
der Regie und des Drehbuchs."
 

Wollte ich mir einen solchen Schauspieler herauspicken, z.B. der, der mit der Wahrheit hausieren geht, so ist dieser vorschnell und leicht blendbar, gerade weil er seine Rolle ausfüllt, ohne sie zu hinterfragen. Gleichzeitig ist diese Figur auf der Bühne des Lebens für die Wahrheit unerlässlich. Das Licht wirkt nur durch die scharfe Kontur eines Schattens.

 

sehr gerne gelesen, und mitreflektiert

Amadea

 

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vor 25 Minuten schrieb Amadea:

Liebe @Hera Klit,

 

Nach dem Intro der ersten vier Strophen beginnt eine Sammlung bemerkenswerter und blendender Aphorismen, die mit dem Intro und der fragenden Überschrift erst einmal in einen Zusammenhang gebracht werden wollen.

Das Intro bleibt für mich im Raume hängen. Fühlt sich das LI verantwortlich vllt.  auch schuldig für den Tod einen gestorbenen Menschen? Eine Pflegesituation? ein Suizid? Welche Kiste wird da gerade aufgemacht?

Was können wir tun? - Der LeserIn wird mit einbezogen in die sich anschließenden Gedanken. Eine Aufforderung sich an der Diskussion zu  beteiligen, obwohl die Ausgangssituation verschleiert bleibt und nicht weiter aufgelöst wird. Was können wir tun, wenn wir nicht wissen, worum es gehen will.  

Im weiteren präsentieren sich Gedankensplitter der Erkenntnis. D.h. als LeserIn folge ich keiner Quintessenz einer philosophischen Erkenntnis. Ich arbeite auch nicht an der gedanklichen Lösung einer problematischen Ausgangssituation.  Ich folge einem lyrischen Ich, welches (auktorial) die Dinge beschreibt und sie gleichzeitig reflektiert.  Einzeln sind die "Aphorismen" ab Strophe 5 ungemein stark, im Kontext nehmen sie sich ( für meinen Geschmack) ein wenig von ihrer Kraft und Entfaltungsmöglichkeit,  weil sie eben keiner Fragestellung oder einem  philosophischen  Gedankengang  folgen, sondern der Spontaneität eines sprudelnden Geistes. Alles lässt sich aus dem Zusammenhang heraus brechen und für sich einzeln interpretieren. Das macht den Text offen und stark, zeigt zugleich aber auch seine Schwäche auf.

 

Meine Lieblingsstelle:

 

"Das Bühnenstück Leben verlangt
demütige Schauspieler, die nichts fragen,
sondern ihre Rolle ausfüllen ohne Kenntnis
der Regie und des Drehbuchs."
 

Wollte ich mir einen solchen Schauspieler herauspicken, z.B. der, der mit der Wahrheit hausieren geht, so ist dieser vorschnell und leicht blendbar, gerade weil er seine Rolle ausfüllt, ohne sie zu hinterfragen. Gleichzeitig ist diese Figur auf der Bühne des Lebens für die Wahrheit unerlässlich. Das Licht wirkt nur durch die scharfe Kontur eines Schattens.

 

sehr gerne gelesen, und mitreflektiert

Amadea

 

Vielen Dank für deinen umfassenden Kommentar liebe Amadea.

 

 

Ich sage es mal kurz so:

 

Am Anfang wird die Erinnerung an einen sehr nahestehenden Menschen durch Fundstücke in einer Kiste hervorgerufen.

Dann macht sich das LI Vorwürfe, weil es glaubt nicht genug gesagt und getan zu haben in den letzten Tagen des geliebten Menschen.

Dadurch beginnt es nun generell und umfassend zu reflektieren, was uns Menschlein eigentlich möglich ist in dieser Existenz (Was können wir tun?).

Das Ergebnis seiner philosophischen Betrachtungen ist dann, wir haben alle keinen Zugang zur Wahrheit, deswegen ist es nur möglich,

an das Gute zu glauben und dies auch zu versuchen anderen zu vermitteln (besonders, wenn sie in Not sind, wie eben ein kranker und sterbender Mensch).

 

Mehr können wir womöglich nicht tun, das ist die Antwort des Gedichtes auf die eingangs gestellte Frage, aber das kann schon sehr viel sein,

denn unser Leben besteht zum Großteil ohnehin nur aus Gedanken und wenn die positiv sind ist das meiste erreicht.

 

Nochmals vielen Dank für deine Anerkennung und deine Beschäftigung mit meinem kleinen Gedicht.

 

Liebe Grüße

Hera

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vor 11 Stunden schrieb Carlolus:

"Dessen Lüge das Leben aber leichter macht,
dem sollte gewiss verziehen werden."
 

 

"Betrogen zu werden, sagen die Leute, ist ein großes Unglück, aber nicht betrogen zu werden, das allergrößte." (Erasmus von Rotterdam in "Lob der Torheit").

Das Leben wäre kaum zu ertragen, würden wir uns ständig "die Wahrheit" sagen.

 

Dein Text enthält eine Reihe reifer Gedanken z. B. über die Hilflosigkeit, das Schicksal eines geliebten Menschen zu wenden, über die Art und Weise des Auftretens auf der Bühne des Lebens, über Wahrheit, die keine ist, es aber vortäuscht u.a. m.

Eine anregende Lesefreude mit viel Tiefgang!

 

Herzlichen Gruß

Carolus

 

 

 

 

 

 

 

Vielen Dank lieber Carolus.

 

Ich fühle mich von dir erkannt. Das hilft!

 

Liebe Grüße

Hera

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"Was tun?" 

So heißt ein bekanntes Essay von Lenin. 

Ich finde, liebe Hera, dass Amadea am besten dein Gedicht interpretiert hat. 

Ich teile Glasscheibes Meinung. 

Deine Intention ist gut und nachvollziehbar, aber du verlierst dich in zu viele klugen Aussagen. Natürlich kann jeder Leser was tolles für sich daraus picken... 

Carolus, zum Beispiel fühlt sich erinnert an "Stultitiae Laus", das großartige Werk von Erasmus. 

Neulich habe ich ein Gedicht für Klaus Zieschank geschrieben, ein Freund von mir, der in Argentinien ermordet wurde. 

Das Gedicht ist gut angekommen, weil ich beim Schreiben gar nicht an Leser gedacht habe: Ich habe mich direkt an ihn gewendet, mit ihm habe ich geredet. 

Es ist eine Sache zwischen ihm und mir, und ich wollte damit nicht an jene grausame Zeit der argentinischen Militär Diktatur erinnern, nein, ich habe mich an IHN erinnert und ich habe mit IHM geredet.

Ich hoffe du bist mir nicht böse wegen meiner destruktiven Kritik  

Liebe Grüße 

Carlos

 

 

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vor 3 Minuten schrieb Carlos:

"Was tun?" 

So heißt ein bekanntes Essay von Lenin. 

Ich finde, liebe Hera, dass Amadea am besten dein Gedicht interpretiert hat. 

Ich teile Glasscheibes Meinung. 

Deine Intention ist gut und nachvollziehbar, aber du verlierst dich in zu viele klugen Aussagen. Natürlich kann jeder Leser was tolles für sich daraus picken... 

Carolus, zum Beispiel fühlt sich erinnert an "Stultitiae Laus", das großartige Werk von Erasmus. 

Neulich habe ich ein Gedicht für Klaus Zieschank geschrieben, ein Freund von mir, der in Argentinien ermordet wurde. 

Das Gedicht ist gut angekommen, weil ich beim Schreiben gar nicht an Leser gedacht habe: Ich habe mich direkt an ihn gewendet, mit ihm habe ich geredet. 

Es ist eine Sache zwischen ihm und mir, und ich wollte damit nicht an jene grausame Zeit der argentinischen Militär Diktatur erinnern, nein, ich habe mich an IHN erinnert und ich habe mit IHM geredet.

Ich hoffe du bist mir nicht böse wegen meiner destruktiven Kritik  

Liebe Grüße 

Carlos

 

 

Vielen Dank lieber Carlos, natürlich bin ich dir nicht böse.

Aber für mich transportiert das Gedicht nach wie vor das, was ich Amadea geantwortet habe.

Der Kommentar von Carolus trifft auch den Sachverhalt genau, sodass ich mich da bestätigt sehe.

 

Natürlich wird es immer so sein, dass Menschen in einem Gedicht etwas Eigenes finden,

deswegen sollte ich mich künftig mit Interpretationen meiner Gedichte zurückhalten,

zumal man ja auch vieles unbewusst schreibt.

Es ist ja auch schön eine Vielfalt zu sehen. 

 

Liebe Grüße

Hera

 

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Liebe Hera,

 

du hast hier schon wertvolle Kommentare bekommen, ich möchte nur kurz einen oder zwei meiner Eindrücke erwähnen:

 

Der Teil des Gedichtes, der von der verstorbenen Person spricht scheint auch mir etwas losgelöst von den folgenden Strophen (ich könnte mir fast zwei Gedichte mit den Inhalten vorstellen - vielleicht auch, weil sich auch für mich der zweite Teil etwas zu sehr dehnt).

 

Diese Verse sprechen mich besonders an:

 

vor 20 Stunden schrieb Hera Klit:

Was tat ich nicht, was sagte ich nicht,
um dich am Leben zu halten?

 

... und das im Zusammenhang mit:

vor 21 Stunden schrieb Hera Klit:

Geschrieben steht dort Lob und Tadel,
so bleibe ich in der Summe unerlöst.

 

Ich verstand sie z.T. auch im Sinne von: "Was tat ich nicht alles ..." Andererseits - wenn sie nicht so gemeint sind, und das wahrscheinlich nicht - lesen sie sich wie ein Aufbäumen gegen den Tadel des Sterbenden, ein aufgebrachtes Zweifeln an dessen Worten. Es ist die Stelle, die mich länger gefangen hielt. -

 

Dem würde ich persönlich nicht zustimmen:

vor 21 Stunden schrieb Hera Klit:

Propheten sind Menschen wie wir,
nur mit einer dünneren Haut.

 

Die Propheten kommen in deinem Gedicht nicht gut weg!  Menschen mit einer dünnen Haut, hm ... (sind mir nicht uninteressant bzw., ich ziehe sie anderen vor). Sorry, das nur so als Fußnote!

 

Aber, auch den zweiten Teil - nicht nur den ersten - des Gedichtes mit den einzelnen philosophischen Gedanken finde ich interessant!

 

vor 21 Stunden schrieb Hera Klit:

Mehr kann ein Mensch wohl nicht tun,
als immer wieder ans Gute glauben zu machen.

Und, angesichts der "Propheten", ans Gute zu glauben!

 

Spannend war's!  Gerne gelesen!

 

Nesselröschen

 

 

 

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Vielen Dank für deinen ausführlichen und wohlwollenden Kommentar, liebes Nesselröschen.

 

vor 19 Minuten schrieb Nesselröschen:

Was tat ich nicht, was sagte ich nicht,
um dich am Leben zu halten?

Das meinte ich in der Art:

 

Was hätte ich noch tun und sagen können oder müssen, um dich am Leben zu erhalten.

 

Das ist kein Aufbäumen gegen den Tadel der Sterbenden (Das Geschriebene stammte auch noch aus früheren, gesunden Zeiten), sondern eine Selbstanklage, womöglich nicht alles Erdenkliche getan zu haben. Ich habe allerdings erfahren, dass eine lange Krankheit einer Partnerin einem schon ganz schön runterbringt. Meine Ärztin fragte mich, wie ich da alles überlebt hätte. Ich weiß es nicht. Aber bestimmt war ich dann am Ende auch nicht mehr 100% auf der Höhe.

 

 

Die Propheten betreffend möchte ich jetzt kein größeres Fass aufmachen. Was Nietzsche, den ich oft und gerne lese, von ihnen hielt ist ja bekannt. Trotzdem schrieb er dann noch den Zarathustra. Ich denke mal, wenn er älter geworden wäre, hätte er auch die Propheten bald in einem milderen Licht gesehen und vielleicht der letzten Zeile letztlich zugestimmt.

 

Liebe Grüße

Hera

 

 

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