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Geschrieben am

Zeynep

 

Du kamst jeden Sommer zur selben Zeit zurück,

vom schwarzen Meer weit her,

gemeinsam mit deinem Vater kamst du zurück

zu mir

und zu deinen Schwestern

und deiner Mutter

und zu mir.

 

So tranken wir zusammen das Licht und pflückten die Blumen jeden Sommers,

weißt du noch?

Wir aßen Eis und spielten im Garten;

zwar sprach ich kein Türkisch, und du nur schlecht Deutsch,

doch das machte ja nichts, denn wir hatten

unsere eigene Sprache,

sie entsprang mit den Quellen der Flüsse,

und die warmen Sonnenstrahlen legten sie in unsere Kinderherzen;

Allah hatte dich,

doch du und ich,

wir hatten den Sommer.

 

Dann eines Sommers klopfte ich an deiner Türe,

doch dein Vater wies mich ab,

er sagte es gehe dir nicht gut,

du seist traurig und brauchest Schlaf,

er sagte das sei, weil du eine junge Frau würdest.

Nun werde ich sicher nie erfahren, ob das stimmte,

oder ob er log, um mich loszuwerden,

doch wenn es die Wahrheit war,

warum konnte ich nicht zu dir?

Wir hätten doch zusammen junge Frauen werden können.

 

Dein Vater sagte du wollest mich nicht sehen,

doch daran glaube ich nicht.

Er wollte nicht, dass du mich siehst,

weil ich nicht an Allah glaube.

 

Deine Schwestern und deine liebe Mutter,

die du immer nur im Sommer sahst,

sie hatten sich der Macht deines Vaters entziehen können,

aber du, du warst noch so jung und wusstest nichts von der Welt,

und so ging er am Ende jenen Sommers fort mit dir,

fort ans schwarze Meer wie jedes Jahr,

doch diesmal bliebst du fort,

fort für immer.

Und ich habe dich seitdem nie wieder gesehen,

und auch deine Mutter und Schwestern haben dich wohl nie wieder gesehen,

und ich auch nicht.

 

Dein Vater ging mit dir ans schwarze Meer, nach Samsun;

sage mir, bist du glücklich dort?

Lachst du mit deinen Freundinnen und sprichst eine Sprache,

die ich nicht verstehe,

lebst du in einem großen Haus mit bunten Zimmern,

spielst du am Strand?

Oder ist deine schöne Haut schwarz geworden vom Baden im Meer?

 

Ich sehe dich in der Ferne, wie du in einer schwarzen Abaya

am schwarzen Meer stehst und

schwarze Tränen weinst

die unter dem Niqab unsichtbar werden für die Welt

doch das Meer fängt sie weich auf und spült sie zu mir,

ich kann sie schmecken.

 

Du darfst jetzt kein Gesicht mehr haben,

vielleicht zwang dein Vater dich bereits, zu heiraten,

obwohl du nicht liebst.

Du bist jetzt eine jener muslimischen Frauen,

deren Geheimnis ich nie werde ergründen können;

sie sind die schönen Sklavinnen der Männer,

sie müssen sie lieben und dürfen sie doch nicht beanspruchen,

müssen ihnen dienen wie unmündige Hörige,

sind nie bestimmt, in dieser Welt eine höhere Rolle anzunehmen,

als die der schweigenden Untertanin;

doch dann wieder, wenn sie ohne die Männer sind,

haben sie die lieblichsten und zartesten Gesichter,

tanzen sie blühender als die Wolken um die Sonne tanzen,

lachen sie, als sängen sie,

und sprechen sie süße Sehnsuchtsworte von Freiheit und erinnern sich ihres Willens,

der lange schon so traurig schweigt-

das alles, bevor sie heimkehren zu den Männern,

in Abaya und Niqab sehen sie aus wie kleine seelenlose Geister,

doch darunter glüht feuerheiß ein Wille,

der schweigen muss.

 

Bist du also jetzt

eine jener orientalischen Göttinnen,

unter deren Schleiern endlos die Tränenmeere fließen?

 

 

 

 

 

 

Oft gehe ich im Sommer an deinem Haus vorbei,

Zeynep,

und frage mich, ob du diesmal vielleicht wiedergekommen bist,

doch ich traue mich nicht, an deiner Türe zu klopfen.

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Geschrieben

Ein Werk das sehr tief geht und viele Fragen unbeantwortet lässt.

Du sprichst hier von einem Mädchen und du sprichdt sehr persönlich.  Ich mag es, dadurch verhinderst du Verallgemeinerung und das ist sehr wichtig. Ich arbeite seit 7 Jahren in der Flüchtlingshilfe und kenne.so unterschiedliche Lebensberichte von Frauen aus so verschiedenen Kulturen.  Deine Geschichte ist sehr schön und sensibel geschrieben. 

Liebe Grüße Ilona 

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