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Ein Jahr später geht Papa trotz seines künstlichen Beines in den Wald, um Bäume umzuschneiden, zu holzen. Ich schwelge in großer Freude, weil er mich, den erst Vierjährigen, zum Zusammentragen der Äste mitnimmt. Wie er das seiner Frau, meiner Mutter, erklärt hat, das weiß ich nicht. Ich bin jedenfalls Feuer und Flamme und freue mich auf dieses Abenteuer. Folgsam – wie sonst nie – gehe ich neben meinem Vater. An der Hand kann er mich nicht halten, weil er Handsäge und Schlegel mitführen muss. Ich bin daher stolz auf diese ganz neue Selbständigkeit und trage vergnügt die zwei Keile.
Weil er wegen seiner Prothese ohne Stütze nicht steil bergan gehen kann, hat er sich einen Baum am ebenen Waldboden zuteilen lassen. Ich verfolge aufmerksam, wie er es anstellt, den Baum zu fällen. Zunächst schneidet er eine Kerbe in den Stamm, damit der in die richtige   Richtung fällt, wie er mir erklärt. Dann setzt er die Säge an der anderen Seite an und fällt mit unermüdlichem Schneiden und Einschlagen der von mir mitgebrachten Keile den Baum. Dabei muss er immer aufpassen, nicht selbst hinzufallen. Das könnte verhängnisvoll werden und uns beide in große Schwierigkeiten bringen.
Gebannt schaue ich ihm zu und verfolge genau, wie das funktioniert. Aber ich bin auch unternehmenslustig und kraxle den Hang hinauf. Unvermutet kann ich mich nirgends mehr anhalten und stürze hinunter vor die Füße meines Vaters. Der bekommt einen riesigen Schrecken, merkt aber bald, dass ich nur einen kleinen Kratzer      abbekommen habe. Da sagt er mir eindringlich: „Sag der Mama ja nichts! Die schimpft sonst wieder. Sie regt sich nur unnötig auf.“ Ich mag meinen Papa, der mir so viel mehr Freiheit lässt, sehr. Daher halte ich mich genau an seinen Wunsch und schweige bedingungslos. Das schweißt uns beide zusammen und besorgt mir manches Augenzwinkern von seiner Seite, worüber ich mich jedes Mal unglaublich freue.

 

Papa_Holzen_SW.jpeg

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Hallo Egon,

 

das der kleine Egon mächtig stolz ist kann ich sehr gut verstehen.

 

Mein Enkel ist letztens vier Jahre geworden und ist stolz wie Bolle, wenn er auf der Baustelle helfen darf. Mein Sohn baut bei mir an.

 

 

Du schreibst einen autobiografischen Text in der Ich - Form. Für mein Dafürhalten würde ich eher/mehr in der Kindersprache schreiben, da einige Formulierungen so kleine Kinder nicht kennen. Aber das ist nur meine Meinung, die nicht die richtige sein muss.

 

 

LG Sternwanderer

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Liebe Donna (ich trau mich ganz einfach), danke für Dein Einfühlungsvermögen, das Du mir mit Deiner Parallelschilderung zeigst. Ich freu mich über Deine positive Reaktion.

Allerdings: wenn ich in der Kindersprache schreiben würde, müsste ich meine Empfindungen von außen interpretieren, sonst bliebe manches, meiner Meinung nach Wichtiges ungesagt.

Liebe Grüße

Egon

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Lieber Egon,

 

danke für dein Teilhabenlassen an Deinen Erlebnissen, ich wünschte mir manchesmal, ich hätte das ebenfalls gemacht, all die vielen Dinge die ich bei meiner Oma erleben durfte, sie war mein LEBENSMENSCH, es gab niemals ein lautes Wort sondern nur Liebe im Übermaß....

Sie fehlt mir jeden Tag und es gibt keinen einzigen, an dem ich nicht voll Dankbarkeit an sie denke oder wie sie wohl dies oder jenes machen würde - sie schrieb ebenso Gedichte und bis mir dies meine Tante (heuer 96!!) vor etwas mehr als drei Jahren erzählte, wusste ich davon gar nichts, eigenartig oder? Erst dadurch dachte ich mir, also das probierst du auch einmal und kam so erst überhaupt dazu zu schreiben.. (es ist als hätte sich nunmehr eine Art Tor geöffnet aus dem es nur so herausströmt)

 

Liebe Grüße in Deinen Tag!

Uschi

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Liebe Uschi,

Dein Kommentar veranlasst mich, eine weitere positive Erinnerung an meinen Vater zu beschreiben. Er, der Handwerker, der uns als "Ehebaar" gratuliert, schreibt uns unter anderem:

"Darum macht es beide richtig,

das ist im Leben immer wichtig,

Euer Aufenthalt ist nur kurz und klein,

dafür soll er in guter Erinnerung sein."

Das war sein Hochzeitsgeschenk.

Alles Liebe

Egon

 

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