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Wir Zwölf- bis Vierzehnjährigen suchen hier in Volders nach Abwechslung. Neben Schul- und Kirchenbesuchen brauchen wir Jungspunde Abenteuer, ich als Anführer mehr als alle anderen. Es ist mein Übermut, der mich  erkunden lässt, wohin eine frei zugängliche runde      Öffnung unter einem der Seitenaltäre der dem Heiligen Karl Borromäus geweihten Kirche führt. Von oben      betrachtet ist einfach alles finster. Daher interessiert es mich besonders, was da unten zu finden sein wird. Wie erwartet bin ich der Erste und – wie sich später herausstellt – Einzige, der dieses Wagnis auf sich nimmt. Schlank, wie ich derzeit bin, passe ich genau in diese runde Röhre. Ich lasse mich – mit den Füßen voran – hineingleiten. Wild entschlossen – wie kann man das   anders nennen – bremse ich den Gleitvorgang nicht und lasse mich hinunterfallen. Erst zweieinhalb Meter weiter unten komme ich zum Stehen oder – besser gesagt – zum Liegen. Mir wird etwas mulmig zumute, aber ich darf das meinen Kollegen, die einfach nur begierig sind zu  erfahren, was sich da unten verbirgt, nicht zeigen. Sie   haben nur instinktiv begriffen, dass ich ziemlich weit unten  gelandet bin.
Erst nach und nach begreife ich, dass es sich bei den gefundenen Gegenständen um Knochen handelt. Unbewusst erfasst mich dabei ein Gefühl zwischen Neugier, Verwunderung, Ehrfurcht und Erschrecken.
Ich melde meine Entdeckung hinauf zu meinen Kollegen und sage ihnen, dass ich diese Fundstücke durch das Loch hinaufwerfen werde, damit wir sie bei Tageslicht untersuchen können.
In diesem Moment übermannt mich jedoch die Panik, wie ich selbst wieder hinaufkommen werde. Mit     Schrecken wird mir bewusst, dass ich die zweieinhalb Meter, die ich vorher hinuntergefallen bin, in die Gegenrichtung überwinden muss. Ich finde keinen Mauervorsprung, der mir Halt beim Hinaufklettern bieten  könnte. Jetzt bin ich ganz entsetzt über meine gewohnheitsmäßige Unüberlegtheit. Wie soll ich durch dieses schmale Loch hinauf robben, wenn ich nicht einmal die Arme anwinkeln kann; Schön dumm, zum Genieren! Zugute kommt mir, dass ich dieses abenteuerliche Unterfangen nicht allein, sondern zusammen mit meinen Freunden gestartet habe. Wir denken jetzt gemeinsam darüber nach, wie dieses Problem zu lösen ist. Einem kommt ein Geistesblitz, die einleuchtende Idee, ein Brett für meine Bergung zu verwenden. Es   dauert eine Zeitlang, bis ein passendes Exemplar gefunden ist. Meine Schulkameraden lassen diese dicke Bohle zu mir herunter. Ich lege mich drauf und klammere mich daran fest. Ich bin der Geschicklichkeit und der Kraft meiner vielen Begleiter ausgeliefert. Zug um Zug hieven sie mich hoch. Etwas angekratzt richte ich mich, oben angekommen, auf und stehe etwas verdattert vor meinen Rettern.

Volders.jpg

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Lieber Egon,

 

eine schöne Episode deines jugendlichen Forscherdrangs Und was waren es nun für Knochen?

 

Mein Enkel und ich sind ab und zu in einer nahe gelegenen "Höhle" unterwegs. Es ist keine natürlich gewachsene Höhle, sondern ein stillgelegter Schieferabraum in dem wir uns gerne herumtummeln. Dort gibt es auch Knochenfunde, natürlich von Tieren. Schau:

 

DSC_0750.jpg.c7ffbf050acf72effde892d563296353.jpg

 

 

Das Skelett lag verstreut herum. Irgend jemand hat den Schädel, vermutlich von einem Reh, in die Nische gelegt.

 

 

LG Sternwanderer

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vor 12 Minuten schrieb Sternwanderer:

Lieber Egon,

 

eine schöne Episode deines jugendlichen Forscherdrangs Und was waren es nun für Knochen?

 

Mein Enkel und ich sind ab und zu in einer nahe gelegenen "Höhle" unterwegs. Es ist keine natürlich gewachsene Höhle, sondern ein stillgelegter Schieferabraum in dem wir uns gerne herumtummeln. Dort gibt es auch Knochenfunde, natürlich von Tieren. Schau:

 

DSC_0750.jpg.c7ffbf050acf72effde892d563296353.jpg

 

 

Das Skelett lag verstreut herum. Irgend jemand hat den Schädel, vermutlich von einem Reh, in die Nische gelegt.

 

 

LG Sternwanderer

Meine Antwort:

 

Die haben sich schon über die hinauf geworfenen Knochen Gedanken gemacht. Bei unserer gemeinsamen Begutachtung kommen wir dann überein, dass es sich um Teile von Kinderskeletten handeln muss. Weil uns bei dieser Überlegung gruselig wird, nehmen wir gerne das Argument von einem unserer Vernünftigsten, dem Kollegen Chiochetti, an: „Tröstet euch im Geiste der Wissenschaft, es war nur eine Katze!” Dabei belassen wir es dann auch. Später taucht doch die Vermutung auf, es wären tatsächlich die Überreste von Kindern, die   einer Epidemie erlegen und hier in einem Massengrab beerdigt sind. Die letzte Pestepidemie fand hier in Tirol jedoch schon zwischen 1611 und 1612 statt. Diese wurde       tatsächlich von dem Tiroler Maler Martin Knoller am    Hochaltarbild der Kirche thematisiert.
Der Bau der Karlskirche jedoch war 1620 begonnen und aufgrund der Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges erst 1654 fertiggestellt worden. Also entspringt diese Variante nur unserer Fantasie. Belegt ist hingegen, dass sich unter den Kirchenbänken einige Gruftkammern für Angehörige des Servitenordens befinden.

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Nun lieber Egon,

 

gerne habe ich deine Geschichte gelesen. In der Unbekümmertheit der Jugend, macht man so manche Tollheit.
Erinnert hat es mich an mein Erlebnis im Währingerpark 1180 Wien, der an den Jüdischen aufgelassenen Friedhof angrenzend ist, bzw. vormals das ganze Areal Begräbnisstätte war. Auch wir krochen durch eine verborgene Stelle der Friedhofsmauer um im abgeschlossenen Bereich über so mancherlei zu stolpern. Erst später erfuhren wir, dass dort auch noch Relikte aus dem Krieg wie Handgranaten und ähnliches verborgen waren.... die Unbekümemertheit eben!

 

Liebe Grüße in dein Wochenende,

Uschi

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Hallo, Egon,

 

mit deiner Geschichte hast du eine Kindheitserinnerung bei mir ausgelöst. Es war auf einer Hocketse (ein 'Fleckenfest', wird im 'Schwobaländle' so genannt). Ich war damals 8 Jahre alt. Außer mir gab es natürlich auch noch andere Kinder dort und wir spielten zusammen.

 

Das Dorffest fand auf dem Gelände des evangelischen Gemeindehauses statt. Ich wuchs dörflich auf, auch wenn der Ort 'technisch gesehen' zu einer Stadt gehörte, war er doch sehr ländlich. Dort gab es zwei Kirchen. Die ursprünglich katholische, sehr alte Kirche wurde nach dem zweiten Weltkrieg zur evangelischen, die ursprünglich evangelische wurde größtenteils durch Bomben zerstört und danach nie wieder aufgebaut. Lediglich die 'untere Hälfte' des Kirchturms war noch erhalten, natürlich nicht zugänglich. Aber auf dem Gelände befand sich das evangelische Gemeindehaus, das dort neu erbaut worden war.

 

Es gab auch Reste von weiteren Gebäuden und Mauerreste. Ein Junge führte uns andere Kinder zu einem ca. kinderfaustgroßen Loch, das sich in einem der Reste befand und meinte, er habe darin ein Skelett gesehen!

Natürlich waren wir alle super-neugierig und jeder von uns wollte unbedingt dort hineinsehen. Logischerweise war es darin total dunkel, aber da kam die kindliche Phantasie mit ins Spiel. Ich war überzeugt, 'etwas Weißes' zu sehen - und das musste doch ein Skelett sein!

Wir Kinder kamen darin überein, dass das das Skelett eines alten Ritters oder Burgfräuleins sein musste und überhaupt, dass es nachts hier bestimmt spukte!

Ich habe meinen Blick in das Mauerloch und das 'Weiße' tatsächlich noch in Erinnerung. Aber ich bin im Heute davon überzeugt, dass da in Wirklichkeit nichts war. Viel zu dunkel, man konnte da gar nichts sehen. Das würde ich als ein 'Kindergruppen-Phantasiephänomen' einstufen.

 

Nun, als Junge warst du offenbar ein bisschen 'tollkühn'? Ich als Mädchen jedenfalls wäre da niemals hinunter'geglitten/-gerutscht. Da war ich doch vorsichtiger und bedachter - oder vielleicht entsprach und entspricht das auch einfach mir. Ich bin kein ängstlicher Charakter, aber ich war schon immer für 'gesunde Vorsicht'. Und bin das immer noch.

 

Heute, als Erwachsener, mit entsprechender Lebenserfahrung, würdest du sicher vorsichtiger sein. Im Laufe des Lebens lernen wir, dass Tollkühnheit kein Synonym für Mut ist - sondern für, na ja, für 'Nicht-unbedingt-Klugheit', so möchte ich es durch die Blume ausdrücken. :wink:

 

Sehr gerne gelesen!

 

LG,

 

Anonyma

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Liebe Anonyma,

es freut mich, Dich zu Deinen Kindsheitserinnerungen zurückgeführt zu haben.

Ich war natürlich deppert und noch dazu ein depperter Angeber.

Trotzdem erinnere ich mich gerne daran, bin ich doch immer noch von dieser Art:

Der Chamäleon - immer Derselbe und nie der Gleiche

LG Egon

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Auch mir gefällt sehr gut deine Geschichte lieber Egon.

Obwohl "gefällt" nicht unbedingt das richtige Wort ist. Mir war es nämlich ziemlich mulmig beim Lesen der eigentlich Lebensgefährlichen Situation.

Ich wollte dich im Photo erkennen, da bin ich ziemlich gut, aber du hattest es schon markiert.

Liebe Grüße 

Carlos

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