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Goldhochzeit

 

Die gold´ne Hochzeit ist was Feines,
es droht nun nimmermehr was Kleines,
das nach der Schwangerschaft laut plärrt
und kreischend an den Nerven zerrt.

 

Ne gold’ne Hochzeit, die ist schön,
man kann Verwandte wiederseh´n,
die dann an schön gedeckten Tafeln
mit großer Gier gefräßig schwafeln.

    

Verwandte, die sind gern dabei,
denn das Buffet ist kostenfrei.
Und wird das Tanzbein keck geschwungen,
dann scheint die Feier sehr gelungen.

 

Das Jubelpaar sitzt meist dazwischen
an dekorierten Gasthaustischen.
Man hält frenetisch schöne Reden,
die, wenn sie lang sind, nichts für jeden.

 

„Die Lotte und der Ottokar,
die hocken nunmehr 50 Jahr‘
im trauten Heim ganz eng zusammen
und überstanden manche Schrammen.“

 

Ein Satz, der ist vielleicht gelogen:
„Sie haben sich niemals betrogen
und haben niemals fremd geküsst“

(der Herrgott weiß, ob es so ist).

 

Wir wollen dies auch nicht vertiefen,
Gerüchte kann man nicht verbriefen.
Man weiß nur, dass der Ottokar
ein wirklich schlimmer Finger war.

 

Und es verrät der Ottokar:
„Ich weiß noch, wie es damals war,
als ich mit eignen Hüftgelenken
das Bein mir tat beim Twist verrenken.

 

Selbst meine Jubelbraut, die Lotte,
war früher eine kesse Motte,
da hatte sie noch alle Zähne
und eine rote Löwenmähne.“

 

Geknutscht, das haben beide gerne
an schummeriger Gaslaterne.
Statt Zungenkuss bei Licht aus Gas,
ruh’n heut die Zähne nachts im Glas.

 

Ganz ohne Zähne ist der Kuss
mit leerem Mund kein Hochgenuss.
Es gibt jetzt nur noch kleine Küsschen
so ab und an noch auf das Schnüsschen.

 

Sie sind jetzt alt und etwas faltig,
auch beider Harndrang stört gewaltig.
Doch wird die Scham hinweg gefegt,
es werden Windeln eingelegt.

 

Zum Aldi, für den Billigkauf,
geht es nicht mehr per Dauerlauf.
Drum haben sie sich aufgerafft
und Rollatoren angeschafft.

 

Zurück zur Feier. Es wird munter
und auch die Stimmung kunterbunter.
Der Pfarrer trinkt, wie an Silvester,
bereits das 6. Gläschen Trester.

 

Urenkel toben ums Buffet,
der Pfarrer spricht von Glück und Weh,
von guten und von schweren Zeiten,
das Essen droht vom Tisch zu gleiten.

 

Der Onkel Fritz schreit: „Tobet nicht!
Nicht, dass der Tisch zusammenbricht!“

Schon sind die Schüsseln abgerutscht
und über das Parkett geflutscht.

 

Man kann das Missgeschick nicht fassen,
doch scheint die Stimmung ausgelassen.
Der Wirt hat schnell und höchst versiert
noch eilends Curry-Wurst serviert.

 

„Wir fahren...“, singt man als Kehraus,
„…heut‘ mit der Straßenbahn nach Haus.“
Doch hat das Jubelpaar noch Bock
und wünscht sich den Rollator-Rock.

 

Die Gäste drum herum im Kreis,
die klatschen sich die Hände heiß.
Man ist sich einig, sei’s wie’s sei,
sie sind auch nächstes Mal dabei,…

…die Kinder, Neffen, Onkel, Tanten,
dann wird die Hochzeit diamanten.
"Wenn unser Herr ein Einseh’n hätt‘,
dann bitte nicht am Pflegebett!"

 

 

@Copyright Melda-Sabine Fischer – Näheres zu ihrem Autorenleben siehe Profil

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vor 23 Minuten schrieb alter Wein:

Die von Dir beschriebenen Szenarien kommen leider immer näher.

Bedanke mich für Deinen "Goldenen" Einblick!

Hallo, liebe Mathi, @alter Wein, da konnte ich ja schon mal einen Fahrplan für eine etwaige Feier liefern, nach dem Du Dich verhalten könntest bzw. wie eine solche Feier ablaufen sollte. Ich warne nur immer bei solchen Gelegenheiten vor der "buckligen Verwandtschaft". Die ist immer für Überraschungen gut und lässt sich zuweilen nicht in planbare Strukturen verschieben .

 

Liebe Grüße von Melda-Sabine

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Am 9.4.2022 um 14:17 schrieb Elisabetta Monte:

Danke für den Spaß, liebe Melda- Sabine.

Auch wenn ich ja selbst nicht mehr allzuweit von diesem Szenario entfernt bin, habe ich mich königlich amüsiert.

Gern geschehen, liebe @Elisabetta Monte. Ich selbst werde wohl nie Teilnehmer an meiner Goldhochzeit sein, es sei denn, ich finde noch schnell einen heiratswilligen, vermögenden Pensionär (...der müsste mir das aber vorher durch seine Kontoauszüge nachweisen). Zudem müsste ich 119 Jahre alt werden und auch er dürfte vorher nicht das Zeitliche segnen .

 

Melda-Sabine

 

 

Am 9.4.2022 um 16:37 schrieb perca:

ist eine durch und durch gelungene, anrührend-boshaft gereimt Nummer, die jeder Jubläums-Familienfeier den Schrecken nimmt und niemandem die Gelegenheit bietet, beleidigt davonzurauschen. Tadellos! Elf von zehn möglichen Punkten!

Besten Dank @perca für das große Lob. Ja solche besonderen Jubiläen verdienen es, einmal glossiert zu werden. Immer wenn Verwandte dabei anwesend sind, ergeben sich ohnehin oft kuriose Situationen, bei denen man Augen und Ohren offen und den Bleistift gespitzt halten muss.

 

Liebe Grüße von Melda-Sabine 

 

 

Am 9.4.2022 um 21:32 schrieb Ostseemoewe:

Ich hatte große Freude über diese Jubelfeier zu lesen und mir Gedanken zu machen was so alles auf mich zu kommt. 

Liebe Ilona, liebe @Ostseemoewe. Man muss solche Festivitäten wirklich auf sich zukommen lassen. Planen kann man zwar die Struktur einer solchen Feier, aber deren Ablauf wird durch die besonderen Charaktere der Anwesenden bestimmt. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf diejenigen zu richten, die bereits mit Tupper-Dosen anreisen.

 

Ich wünsche schon mal präventiv "Gutes Gelingen".

 

Melda-Sabine

 

 

Am 10.4.2022 um 10:25 schrieb Amadea:

Goldene Hochzeit,

welch goldenes Glück.

zum Glück ist's noch viel zu weit von mir weg,

dass ichs wahrhaben wollte.

Ach, liebe @Amadea, man sollte an den geschlossenen Bund fürs Leben eigentlich auch in jedem Jahr zweisam denken und ihn freudig feiern können. Verwandte und Freunde werden uns noch oft genug die Haare vom Kopf fressen. Nun ja, wenn es dann irgendwann für alle ein gemeinsames fröhliches Miteinander geben sollte, ist dagegen auch nichts einzuwenden.

 

Liebe Grüße von Melda-Sabine

 

 

Auch an die weiteren, likenden Jubelfeier-Gäste ein herzliches Dankeschön: @Pegasus, @Josina, @Berthold, @Gina, @Dionysos von Enno, @Donna, @Margarete und @Carlos.

 

Bleibt alle gesund! - Melda-Sabine

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Hallo liebe Melda, 

etwas, was mich bei diesem Gedicht einfällt, besser gesagt, etwas, das ich empfinde, ist, bei allem Lustigen, eine gewisse Melancholie. 

Vielleicht rührt das daher, dass die Institution Ehe schon längst nicht das ist, was es früher war. 

Ich fasse mich kurz, ein Gefühl, dass es irgendwie zu einer nicht wieder kehrende Vergangenheit gehört. 

 

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Da magst Du recht haben, lieber @Carlos. Die Ehen unserer Eltern waren noch Ehen bis zum Tod, sie haben gehalten, trotz mancher Tiefen, die es zu überstehen galt. Heute trennt man sich viel zu leicht, teilweise aufgrund von Situationen, in denen man eigentlich zusammen halten müsste.

 

Gleichwohl will ich hier nicht darüber richten, ich kann nur bestätigen, dass die Institution Ehe im Laufe der Jahre wirklich gelitten hat.

 

Danke für Dein Feedback

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