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Wagemut eines Klosterbruders


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     Zur Abschlussprüfung des Philosophiestudiums in  Saluzzo macht mir eine zusätzliche sprachliche Barriere zu schaffen, die mich aber veranlasst, insgeheim in mich hinein zu lächeln. Professor Padre Piras ist 87 Jahre alt und unterrichtet das Fach Ethik. Er tut es als Einziger in Italienisch. Schon seinem Unterricht kann ich kaum    folgen, weil meine Kenntnisse noch nicht ausreichen, sein genuscheltes Italienisch zu verstehen. Bei der Prüfung, die ich in diesem Fach bei ihm ablegen muss, stellt er die Fragen an mich so lispelnd, dass ich im   Endeffekt nichts, aber schon gar nichts verstehe. Ich weiß aus den Begegnungen mit ihm, dass er auch schon schlecht hört. Ihm hingegen ist bewusst, dass ich fremdsprachig bin. Also macht er es mir und sich selbst leichter, indem er seine Fragen so stellt, dass ich sie mit si oder no beantworten kann. Ja oder nein kann ich in  Italienisch sagen, seine Fragen verstehe ich trotzdem nicht. Also sage ich ganz einfach auf gut Glück einmal „Si! und einmal „No!“ Offensichtlich bin ich dabei nicht  allzu oft daneben, sodass ich die Prüfung bestehe. Am Aushang sehe ich anderntags, dass meine Note in Ethik gerade noch vor nicht bestanden rangiert. Und?
Bei der Motorisierung fühle ich mich eingeschränkt. Ich habe keinen Führerschein und bin somit fast der   Einzige, der von der individuellen Bewegungsfreiheit ausgeschlossen ist. Ich ersuche um die Genehmigung, den Führerschein machen zu dürfen. Und mein Magister findet das lobenswert und bestärkt mich darin. Zunächst beschränke ich mich auf den A-Führerschein, den ich zu diesem Zweck brauche, um auch zu jenen zu gehören, die einen der Motorroller lenken können und dürfen.
Ich lerne also den theoretischen Teil in der Fahrschule. Die Praxistests vor der Prüfung kann ich mit einem versierten Kollegen machen. Dazu nimmt er mich auf einem der Motorroller mit.
Allerdings kommen wir in der ersten engeren Kurve fast zu Fall, weil ich mich aus Angst nach außen lehne. Mein Praxislehrer Fra Giorgio, kann das ins Schleudern gekommene Fahrzeug gerade noch auffangen. Trotzdem – oder gerade deswegen – schaffe ich die abschließende Prüfung anstandslos und erhalte daher dieselben Rechte wie meine Mitbrüder. Auch ich kann jetzt auf eigene Faust Ausflüge nach Turin hinunter machen. Ich bin sehr erleichtert. Allerdings fehlt mir noch die Übung, und ich fahre mit unserem Magister am Soziussitz so schnell in die Garage, dass ich im letzten Moment    buchstäblich fünf Zentimeter (oder sind es nur zwei?) vor der Wand zum Stehen komme. Wie froh bin ich, dass er ein großmütiger Ordensmann ist und viel Gottvertrauen hat.

Frohe Ostern!

 

Gesprochen von Ina Biechl

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Guten Morgen lieber Ego, 

große Freude hat mir das Lesen dieser Episode bereitet, danke schön. 

Zwei Prüfungen sehr unterschiedlicher Art hast du, mit einer Prise Glück und Wagemut, erfolgreich abgelegt. 

Früher waren die Straßenbahnen in Turin gelb, so habe ich es in Erinnerung.

Liebe Grüße 

Carlos Larrea

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vor 2 Stunden schrieb Carlos:

Guten Morgen lieber Ego, 

große Freude hat mir das Lesen dieser Episode bereitet, danke schön. 

Zwei Prüfungen sehr unterschiedlicher Art hast du, mit einer Prise Glück und Wagemut, erfolgreich abgelegt. 

Früher waren die Straßenbahnen in Turin gelb, so habe ich es in Erinnerung.

Liebe Grüße 

Carlos Larrea

Lieber Carlos,

danke Dir, dass Du meine Kurzgeschichten so aufmerksam liest/hörst. Das mit den gelben Straßenbahnenhabe ich nicht in Erinnerung, weil ich ausschließlich auf mein Fortbewegungsmittel konzentrierte. Und: da waren auch Frauen drinnen, was freilich meiner weiteren Entwicklung keinen Abbruch tat.

LG Egon

vor 30 Minuten schrieb Herbert Kaiser:

Habe bei dieser erfreulichen Episode an Don Camillo denken müssen... 

 

LG HERBERT 

Lieber Herbert, danke für's Gustieren meiner Gschichterln. Im Nachhinein betrachtet war ich der Zusammenschluss von Don Camillo und Beppone in einer Person.

LG Egon

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vor 11 Stunden schrieb Carlos:

Guten Morgen lieber Ego, 

große Freude hat mir das Lesen dieser Episode bereitet, danke schön. 

Zwei Prüfungen sehr unterschiedlicher Art hast du, mit einer Prise Glück und Wagemut, erfolgreich abgelegt. 

Früher waren die Straßenbahnen in Turin gelb, so habe ich es in Erinnerung.

Liebe Grüße 

Carlos Larrea

Guten Abend, lieber Carlos,

was mir heute abends beim Film "Was vom Tag übrig blieb" auffiel: wie dieser Butler ließ ich nie andere Gedanken an mich heran, nicht einmal solche an gelbe Straßenbahnen in Turin. 

Was mich jedoch tatsächlich interessiert: warst Du tatsächlich im Piemont, In Turin, und das warum, wann und wie lange?

Liebe Grüße Egon

P.S.: Ich mache meinem Namen alle Ehre: "Ego"ist oder ichbezogen wie meine Kurzgeschichten alle sind.

Torino_Citta_Stemma.jpg

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