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Der Farbenmischer

 

 

Ein leiser Fluch hangelt sich durchs Geäst. Es ist ein beschwerlicher Weg, denn es ist dunkel geworden im Wünschewald.

Wie soll er bloß die Regenbogenwelt wieder erreichen, aus der er herunter gepurzelt war. Er, der Winzling. Ja, so heißt er.

Einfach nur Winzling, da kein Name der kleinsten Person in der Jenseitswelt gerecht würde.

Und dort wurde es ihn auch verboten zu fluchen, doch was sollte er machen.

 

Irgendwoher muss sein Mut kommen und mit Schimpfwörtern geht das bestens.

 

Wo steckt der Silbermond nur?! Nirgends ist er zu entdecken.

 

Seinen hellen Lichterschein könnte Winzling gut gebrauchen!

 

Die Strahlen sind so gleißend, dass die Irrlichter dumm aus der Wäsche gucken, wenn der Mond zu leuchten beginnt.

Er gewann seinerzeit auch den Leuchtwettstreit unter den Monden und ist seither der Star in der Welt des Jenseits.

Die hin und her hüpfenden Irrlichter durften bei dem Turnier der Extraklasse nicht mitmachen, obwohl sie sehr, sehr hell leuchten.

Zum einen sind sie weder Stern noch Mond und schon längst kein Planet, da nützt auch das verführerisch strahlende Hell nichts,

dem schon so manches Wesen hinter her gelaufen ist – und sich verirrt haben.

 

Diese ständige und absichtliche Irreführung ist auch der Grund für das Nichtmitmachendürfen im Konkurrenzgebaren.

Aus dem Fluch ist ein sehnsuchtsvolles Seufzen geworden.

 

Wie kommt Winzig bloß raus aus der Finsternis,

die voller Geheimnisse ist und wie gelangt er wieder zu seiner Farbpalette auf der oberen Seite des Regenbogens?

Wenn er es nicht schafft, wer soll bloß an Ultimo die Farben neu mischen, damit der Regenbogen nicht verblasst!
Nicht auszudenken, was passiert, wenn es den Regenbogen nicht mehr geben würde.

 

Die Brücke von der einen Welt in die andere wäre zerstört!

 

Das Jenseits würde Tränen über Tränen vergießen und die vielen, vielen Seelen wären auf ewig verloren.

Bei dem Gedanken muss der Kleine weinen. Kleinste Tränen, die kleiner sind als ein Staubkorn, rinnen das zarte Elfenbeinschimmergesichtchen herunter.

Sie benetzen die Zweige dicht an dicht und wachsen sich zu einem Füllhorn ähnlichem Gebilde aus, das jeden Moment überzuquellen droht.

 

Doch wie ein Wunder rinnt nichts über den Rand.

 

Winzling erinnert sich einer alten Sage, von der schon oft berichtet wurde.

Es soll einen Schmetterlingsnebel geben, in den man hineingehen soll, wenn man verzweifelt ist.

Dieser Nebel birgt das Zuhause eines einzigen Falters, den es seiner Art noch gibt.

 

Das des Sommervogels!

 

Er soll den Wesen in der Welt der Magie helfen, die in höchster Not nicht weiter wissen.

Doch wo ist der Nebel?! Winzig schaut sich planlos um. Nirgends kann er einen Hinweis entdecken. Und so trippelt er einfach los.

Es ist ein riskanter Balanceakt durch das Ästewirrwarr des Baumes, bis er endlich an dem Stamm angekommen ist. Seine alte Borke ist rundherum aufgebrochen und sieht wie eine Leiter aus. An ihr klettert das Kleinstwesen herunter und versinkt in einem Blätterhaufen, aus dem es sich leicht heraus wühlen kann.

 

Aufatmen!

 

Noch immer weiß Winzig nicht, in welche Richtung er gehen soll. Er hockt sich auf taufrisches Moos, um seine Gedanken zu sammeln und sich selbst Mut zuzusprechen.

Während er da kauert, geht endlich der sehnlich erwartete Mond auf und sein silbrig scheinendes Licht fällt auf ihn.

 

Nur spärlich, weil es ist für den Lichtschein nicht einfach war, das Dunkel im Wünschewald zu durchbrechen. Das Licht scheint ein Kraftort für Entschlossenheit zu sein.

Denn schnell geht der Kleine los, immer seinem Stupsnäschen nach, mit dem Strahl als treuer Begleiter und Wegweiser zurück in die Welt des Jenseits.

 

Und plötzlich steht er vor einer merkwürdig wabernden Wolke. Das muss dieser Schmetterlingsnebel sein!

Der Ort, in dem er den mysteriösen Sommervogel leben soll und durch dessen Hilfe er wieder zurück nach Hause gelangen kann.

Doch nirgends kann Winzig ein Schlupfloch durch den Nebel finden. Verzagt läuft er auf und ab. Schaut immer wieder den Tränen nahe an dem überdimensionalen Nebelschleier rauf und runter.

 

Seine Kräfte schwinden dahin.

 

Zu anstrengend war der Marsch durch die Ungewissheit im Wald der Wünsche,

mit der Angst im Nacken nie wieder nach Hause zu kommen und dem Wissen, dass dann der Regenbogen dann nie wieder leuchten würde.

 

Er ist schließlich der einzige, der das Mischen der Farben auf der Palette beherrscht und hat nun begriffen, dass er sein Können unbedingt an einen Nachfolger weitergeben muss.

 

Seine Not ist so groß wie nie und sein Herz rast vor Kummer, denn die Zeit drängt. Bald geht die Sonne auf und ein neuer Tag bricht an.

 

Winzling muss dann wieder in seiner Welt sein, falls sich die Sonnenstrahlen in den Wassertröpfchen des Regens brechen wollen, damit sich ein wunderschöner Regenbogen bilden kann.

Ein zartes Flattergräusch lenkt ihn von seiner Angst ab und sein Blick geht in die Richtung, von wo er es hört.

Er sieht ein Wesen, das er so in seinem ganzen Leben noch nie gesehen hat.

 

DAS muss das Fabelwesen sein!

 

Es sieht aus wie eine Libelle und Kolibri zugleich. Einfach wunderschön!

Winzlings Freude und Erleichterung kann nicht größer sein.

Vorsichtig geht er auf den besonderen Vogel zu.

Dieser weiß natürlich um Winzigs Sorge und legt einen seiner Flügel in Bodennähe

so dass der Kleine seinen Rücken klettern kann, um ihn noch vor Sonnenaufgang heim zu bringen.

 

 

*       *       *       *       *

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Und wenn die fantastische Welt des Jenseits nicht verloren ist, dann . . .

 

 

© Sternwanderer

 

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