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Die Verwandtschaft (XXL-Gedicht)


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Die Verwandtschaft  
(für @Pegasus aus dem Fundus hervorgekramt)


Hast Du Nichte, Bruder, Tante,
sagt man auch, das sind Verwandte.
Genau wie Opa, Onkel, Schwager,
ob dick, ob dünn, ob klein, ob hager.

 

Sie woll’n Dich knuddeln, küssen, drücken
und mit Besuchen Dich beglücken.
Doch schöner ist es, heißt’s im Lied,
wenn man sie nur von hinten sieht.

 

Oftmals gibt Dir dann den Rest
ein neckisches Familienfest,
erweitert um die Kindeskinder,
laut blökend wie ´ne Horde Rinder.

 

Ein solches Fest, das ist nicht niedlich
und endet meistens wenig friedlich.
Wenn Alkohol in Mengen fließt,
in Angriffslust man sich ergießt:

 

„Dein Schlips ist heut besonders schick,
das ist bestimmt ein Sammlerstück!“
Und: „Dein Gebiss bekommt ´nen Preis,
doch gibt’s die Zähne auch in weiß?“

 

„Du trägst ein schönes Seidentuch,
hilft Dir das auch bei Mundgeruch?“
„Du trägst Dein Haar heut‘ gut gegelt,
nicht, dass Dir morgen Butter fehlt!“

 

„Du bist fast 30 und wohnst doch
im Hotel Mama immer noch?
Ja kriegst Du denn nichts auf die Kette?
Ist sehr bequem für Dich, ich wette!“

 

Auch grölen sie, die lieben Gäste,
sogar bei Omas Wiegenfeste
und schmettern taktlos noch den Reim
vom „Gruppensex im Altersheim“.

 

Verwandte feiern ohne Maß,
sie stürzen sich auf jeden Fraß.
Ob Pils, ob Kölsch oder auch Most,
sie saufen alles, weil’s nix kost‘.

 

Und sind sie erst so recht erheitert,
dann wird der Speiseplan erweitert.
Mit Waldis Schappi, Miezes Futter,
da rülpsen sie wie Martin Luther. 

 

Verwandte wollen nicht nach Haus,
Du kriegst die nicht zur Tür hinaus.
Sie sitzen da wie angeklebt,
was selten Deine Stimmung hebt.

 

Der Opa schläft nach 5 Glas Rum
im Sessel vor‘m Aquarium.
Die Oma hat ihm dienstbeflissen
noch schnell gereicht ein Sofakissen.

 

Tant‘ Agnes singt: „Ach wär das schön,
könnt‘ ich noch mal die Heimat seh‘n“.
„Dann mach Dich schon mal auf die Sohlen“,
mahnt Otto, „denn Du stammst aus Polen“.

 

Der Vetter Dietmar testet an,

ob die Gardine brennen kann,

mit der Zigarre rotem Glüh’n,

den Qualm kann man durchs Fenster seh'n. 

 

Das sah auch unsre Feuerwehr
und kam gleich mit 12 Mann daher.

Sie schlägt das Fenster ein und spritzt
grad dorthin wo der Opa sitzt.

 

Doch nicht nur Opa der ist nasser,

auch steht der Wohnbereich im Wasser,
die Möbel schwimm’n an uns vorbei,
Verwandten ist das einerlei.

 

Derweil der Paps ein Machtwort spricht,
singt man: „Nach Hause geh’n wir nicht,
wir bleiben hier, sind froh und heiter
und feiern in der Küche weiter!“

 

So musst Du dieses Volk ertragen,
sie nicht hinaus zu schmeißen wagen.
Auch wenn’s Geschirr in tausend Scherben,
vielleicht kann man ja noch was erben!?

 

 

@Copyright Melda-Sabine Fischer – Näheres zu ihrem Autorenleben siehe Profil

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Viel Wahres dabei liebe Melda.

Gibt so was immer noch? Denn ich habe das Gefühl, dass die Gesellschaft sich in den letzten 50 Jahren stark verändert hat. 

Die wirtschaftliche Blütezeit der Bundesrepublik war zwischen den 50er und Anfang der 70er Jahre, wo es soviel Arbeit gab, dass Deutschland massenhaft Bürger aus der Türkei, ganze Dörfer, nach Deutschland brachte. 

Noch in den 70er Jahre waren nur Ausländer bei der Müllabfuhr, heute sind die meisten Deutsche. 

Trotzdem, Deutschland ist immer noch ein reiches Land und das Ziel von den meisten, vor dem Elend fliehenden Menschen.

Besonders in Großstädten merkt man, dass Deutschland auf dem Weg ist, eine multikulturelle Gesellschaft, ein neues, europäisches Melting Pot zu werden.

Deswegen wirkt das Gedicht etwas anachronistisch.

Man kann trotzdem lachen, und das ist dein Hauptanliegen, nicht wahr? 

Liebe Grüße 

Carlos

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Liebe Melba Sabine,

ich habe immer sofort Bilder im Kopf, wenn ich Gedichte lese.

Tante Agnes soll sich man schon einmal auf den Weg machen,

al die kleinen Gemeinheiten, die so einige oder die meisten sich grinsend sagen

auf so großen Familienfesten, spätestens nach ein paar Bierchen oder Gläser Sekt.

Hast du toll und sehr real verdichtet, hat mir sehr gut gefallen!

Herzliche Grüße 

Josina

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Hallo, liebe Melda-Sabine

So sitze ich 3 Uhr 12 hier und lese dein Gedicht, was alles aussagt. Nun, so ausgeprägt war die Feier nicht, aber eben von allem so ein bisschen. Konnte erst mal herzlich lachen, vielleicht lässt es mich jetzt schlafen, wenn nur nicht der Vollmond so ins Fenster lugen würde. 

Danke für deinen Fundus.

LG sendet dir Pegasus

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Die Familie (familia domestica communis, die gemeine Hausfamilie) kommt in Mitteleuropa wild vor und verharrt für gewöhnlich in diesem Zustande. 

Das kommt in der Kurzgeschichte 'Die Familie' von Kurt Tucholsky vor. Der beschreibt die Zustände der Verwandtschaft in Prosa so wie du im Reim.

Dein Fundus scheint eine Schatztruhe zu sein.

LG Alfredo 

PS. Falls du die Geschichte lesen möchtest, aber nicht zur Hand hast, kannst du bei Google 'Kurt Tucholsky, Die Familie' eingeben. Dort erscheint sie ungekürzt.

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Ei, ei, ei, @Melda-Sabine Fischer,

Was hast du da wieder verzapft? Wie sollst du da je wieder unter die Augen deiner Anverwandten treten? Hast du keine Angst, so deiner Erbschaft verlustig zu gehen?

Also ich hätte wenigstens auf die Namen verzichtet. Oder zumindest im Anhang geschrieben: Namen redaktionell geändert.

 

#######################################################

 

Köstlich! Auch wenn's in der dritten Strophe holpert. Vielleicht bin ich aber auch nur gestolpert über all die Wendungen und die treffend Endungen?

 

LG, Heiko

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  • 2 Wochen später...
Am 11.6.2022 um 16:37 schrieb Carlos:

Deswegen wirkt das Gedicht etwas anachronistisch.

Man kann trotzdem lachen, und das ist dein Hauptanliegen, nicht wahr? 

Ja lieber @Carlos, das war mein einziges Ziel. Besten Dank für Deinen ausführlichen und realistischen Kommentar.

 

Melda-Sabine

 

 

Am 11.6.2022 um 20:13 schrieb Josina:

Hast du toll und sehr real verdichtet, hat mir sehr gut gefallen!

Vielen Dank, liebe @Josina, es ist für mich immer ein Erfolg, wenn bei meinen Gedichten Bilder im Kopf entstehen. Dass Du Dich dabei amüsiert hast, freut mich um so mehr.

 

Mit herzlichem Dankeschön - Melda-Sabine

 

 

Am 11.6.2022 um 23:25 schrieb Ostseemoewe:

Du sag mal, sind wir verwandt oder woher kennst du die ganze Verwandtschaft und ihre Gewohnheiten beim Feiern? 

Toll geschrieben und ich habe mich köstlich amüsiert 

Ach, liebe @Ostseemoewe, die ein oder andere Anekdote kommt doch bestimmt bei jeder Verwandtschaftsfeier mal vor und man erkennt sich und seine Lieben wieder. 

 

Ich habe Dich wirklich gerne zum Schmunzeln gebracht, besten Dank - Melda-Sabine

 

 

Am 12.6.2022 um 03:17 schrieb Pegasus:

So sitze ich 3 Uhr 12 hier und lese dein Gedicht, was alles aussagt. Nun, so ausgeprägt war die Feier nicht, aber eben von allem so ein bisschen. Konnte erst mal herzlich lachen

Hallo liebe @Pegasus, mein Ansinnen war zwar Dich zum lachen zu bringen, aber dass Du Dir wegen meinen Versen die Nacht um die Ohren schlägst, das wollte ich natürlich nicht. Wenn aber tatsächlich der Mond daran schuld war, dann beruhigt mich das.

 

Besten Dank für Deine Zeilen und fürderhin einen guten Schlaf - Melda-Sabine

 

 

Am 12.6.2022 um 09:57 schrieb alfredo:

Dein Fundus scheint eine Schatztruhe zu sein.

LG Alfredo 

PS. Falls du die Geschichte lesen möchtest, aber nicht zur Hand hast, kannst du bei Google 'Kurt Tucholsky, Die Familie' eingeben. Dort erscheint sie ungekürzt.

Vielen Dank, lieber @alfredo, für diesen Tipp. Ich werde ihm mal nachgehen. Ach ja, und das mit dem Fundus bzw. mit der Schatztruhe, ich lasse mir einfach öfter mal meine Erlebnisse -auch die in der Vergangenheit- durch den Kopf gehen. Und da gibt es in der Tat vieles, das man mit Humor aufbereiten kann. Insofern hast Du das natürlich gut erkannt.

 

Beste Grüße vom Niederrhein - Melda-Sabine

 

 

Am 12.6.2022 um 15:42 schrieb WF Heiko Thiele:

Was hast du da wieder verzapft? Wie sollst du da je wieder unter die Augen deiner Anverwandten treten? Hast du keine Angst, so deiner Erbschaft verlustig zu gehen?

Also ich hätte wenigstens auf die Namen verzichtet. Oder zumindest im Anhang geschrieben: Namen redaktionell geändert.

Nee, lieber @WF Heiko Thiele, da hab ich Mut zum Risiko. Im Übrigen wissen meine Verwandten, dass ich alles mit zwinkerndem Auge berichte. Sie erlauben mir sogar, sie für meine Bücher als Foto zu verewigen. Sind doch nette Menschen - oder? Das mit dem Holpern in der 3. Strophe scheint mir eine Frage der Betonung zu sein. Oft ist es so, dass man den gesprochenen Vers gleich besser versteht, wenn man einem Vortrag lauschen könnte. Ich hab es mal als mp3 angehangen.

 

Beste Grüße von Melda-Sabine

Am 13.6.2022 um 20:47 schrieb alter Wein:

hast du keine(n)  Verwandte(n) vergessen?  Dann bin ich beruhigt .

Wie immer köstlich "verreimt"

Besten Dank, liebe Mathi @alter Wein. Na vielleicht habe ich die angeheirateten Verwandten vergessen. So z.B. meine Ex-Schwiegermütter, aber Ihnen widme ich mich in einem anderen Machwerk .

 

Es freut mich, dass ich Dich erheitern konnte - Liebe Grüße von Melda-Sabine

 

 

Ein Dankeschön auch an die weiteren Liker, die mich sicherlich um meine Verwandtschaft beneiden 😁.
Als da wären: @Sidgrani, @Aries, @Gina, @Donna, @Uschi R., @Alexander, @Margarete und @Liara. Have a nice day.

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