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Mein erster Schultag ist jetzt über 70 Jahre her und manche Begebenheiten haben sich in meiner Erinnerung eingebrannt, andere sind mit der Zeit verblasst. Ich wuchs auf einem Bauernhof auf. Meine Liebe galt der Natur, den Tieren und Suppen mit Teigwaren. Meine Mutter bereitete mich auf den Schulanfang vor und meinte, bald würde ein anderer Wind wehen. Ich freute mich weder auf den Schulbeginn, noch hatte ich Angst vor ihm. Ich ließ ihn einfach an mich rankommen. 

 

Meine Mutter brachte mich zur Schule. Das große Klassenzimmer war mit Holztischen mit integrierten Bänken ausgestattet. Ein ganz unverkennbarer Modergeruch, den ich aber nicht mehr genau beschreiben kann, lag in der Luft. Unserer Lehrerin eilte der Ruf voraus, sie sei eine Spezialistin für Schulanfänger, die schon viele Erste Klassen durchgezogen hatte. Sie hatte pädagogische Ambitionen, die dem damaligen Erziehungsmethoden verpflichtet waren. Darunter waren auch weniger schöne Elemente. 

 

Nun ging es ans Eingemachte. Die Begleitpersonen der Schulanfänger wurden aufgefordert, das Klassenzimmer zu verlassen. Ein kleiner Bub in der letzten Reihe erhob darauf ein mörderisches Gebrüll und  versuchte seiner Mutter nachzulaufen, wobei er aber nicht den Gang zwischen den Sitzreihen benützte, sondern über Tische und Bänke kletterte. Dieses Erlebnis ist mir noch in lebhaftester Erinnerung . Ich weiß aber nicht mehr, wie die Causa ausgegangen ist. Unter der kundigen Führung unserer Lehrerin habe ich an diesem denkwürdigen Tag den Buchstaben i gelernt und es ist mir  gelungen , eine Seite von vertikalen Strichen in mein Heft zu malen. Damals gab es die Ganzheitsmethode noch nicht, man hat Buchstabe auf Buchstabe gelernt. Schon nach kurzer Zeit konnte ich das Wort MIMI fehlerfrei schreiben.

 

Im Jahre 1949 gab es noch keinen Schulbus. Im Winter wurde ich, mit Zipfelmütze und Schulranzen ausgestattet, auf den Schulweg geschickt. Um sieben Uhr verschwand ich in der morgendlichen Finsternis. Ich musste in einer Stunde fünf Kilometer bewältigen, denn um acht Uhr begann der Unterricht. Wenn es die Witterung erlaubte, ging ich barfuß, das war auf der steinigen Landstraße kein Vergnügen. Oft lag eine Reihe Rossknödel (Pferdeäpfel) langgestreckt auf der Fahrbahn. Darauf barfuß zu gehen war eine Wohltat. 

 

Einen Vorfall aus meinem ersten Schuljahr möchte ich hier noch erzählen. Eine Mitschülerin, sie hieß Marie, wurde der Lüge überführt. Um was es ging, weiß ich nicht mehr. Auf jeden Fall musste sie mit einer sogenannten Lügenmütze auf den Pausenhof gehen. Es war eine zusammengeklebte Papierrolle, auf der stand: Ich habe gelogen. Natürlich hat die kindliche Grausamkeit der Außenseiterin heftig zugesetzt und das Mädchen weinte. Das Demütigen und Bloßstellen durch das am Pranger stehen, war damals eine beliebte Strafe für Vergehen aller Art. Oft musste ich während des Unterrichts an der Tafel stehen, weil ich etwas verabsäumt oder angestellt hatte. Neben dem am Pranger stehen gab es noch Watschen (Ohrfeigen), Nachsitzen und skurrile Strafarbeiten aller Art. Über die schreibe ich vielleicht ein andermal, wenn ich Lust dazu habe. 

 

 

 

 

 

 

 

   

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