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Nachdem ich meine Entknotungskünste dank Zeynep voll entfaltet hatte, wir Louis in die stabile Seitenlage legen konnten und sein Anfall dann auch wieder so schlagartig vorbei gegangen wie er gekommen war, saßen die Helmut Kohls und wir anderen erschöpft um Daphnes Kussmundsofa herum. Daphne hatte auf den Schreck erstmal eine Flasche Schampus aufgemacht und ließ das Blubberwasser kreisen. Selbstverständlich hatten wir uns vorher vergewissert, dass Helmut Kohl 1 schon über 18 Jahre alt war und sie hatte Glück: gerade eine Woche vorher war die volltätowierte Helmut Kohl 1 nämlich tatsächlich 18 geworden.

 

Daphne kippte den Schampus wie Mineralwasser herunter: „Was sollte das ? Warum seid ihr hier einfach so bei mir eingedrungen ? Warum wolltet ihr uns kidnappen ?“

 

Zwei der drei Helmut Kohls schauten betreten zu Boden als Helmut Kohl 3 endlich das Wort ergriff: „Naja wir dachten, wenn wir unsere Botschaft über deine Kanäle verbreiten könnten, würden wir eine ganz andere Aufmerksamkeit für das Klimaproblem bekommen, als wenn wir immer nur in der Fußgängerzone herumstehen und Leute anquatschen. Also versteh das bitte jetzt nicht falsch, das ist nicht schlimm und macht uns auch nichts aus, aber das Klimaproblem ist ziemlich dringend und wir brauchen viel mehr öffentlichen Druck. Und da wollten wir dich als Geisel nehmen und dich so dazu bringen, die Botschaft zu verbreiten“.

 

Daphne  hustete in die Zigarette von der sie gerade einen kräftigen Zug genommen hatte: „Und wieso fragt ihr nicht einfach ? Einfach mal random fragen ?“

 

„Ja man, wieso haben wir nicht einfach gefragt?“, sagte Helmut Kohl 2 und strich dem sichtlich erschöpften Louis durchs Haar. Dieser hatte zunächst gedacht, er sei gestorben und Helmut Kohl 2 sei in Wirklichkeit ein Engel gewesen. Das Gesicht des jungen, zierlichen Mannes, der unter der Helmut Kohl Maske gesteckt hatte, musste eine solche Wirkung auf Louis gemacht haben, dass er dachte dieser und nur dieser alleine habe sein Leben gerettet. Jedenfalls himmelte er ihn genauso an und der zierliche Helmut Kohl 2 lächelte ergriffen zurück!

 

Helmut Kohl 3, biss in die Marzipanwaffe und kaute nachdenklich darauf herum. Irgendwann rückte er sich die Brille auf der Nase zurecht und nickte: „Ja wir dachten halt, das macht man so. Auf die Idee zu fragen sind wir nicht gekommen“.

 

„Das macht man so“ raunte die Influencerin und schlug sich mit der Hand vor die Stirn: „Ok wenn ich euch richtig verstanden habe, wollt ihr gegen die Klimaausbeute protestieren und eine Botschaft der ökologischen Vernunft Über meinen Kanal in der Welt verbreiten ?“

 

Ich verschluckte mich an meinem Schampus,  als ich sie das Wort „ökologische Vernunft“ völlig fehlerfrei aussprechen hörte. Hatte das dieselbe Person gesagt, die mich mit „Ey krass, chill, und Cringe“ begrüßt hatte ?

 

„Korrekt“ antwortete Helmut Kohl 3 knapp, schaute kurz auf, schaute wieder zu Boden und biss beschämt das letzte Stück des Marzipanrevolvers ab. Daphne ging zu ihrem Schreibtisch und holte ein regenbogenfarbenes Bändchen aus der Schublade und hielt es den Helmut Kohls unter die Nase.

 

„Wisst ihr was das ist ?“ Fragte sie

 

Die drei musterten das verschlissene Bändchen und blickten sich dann gegenseitig an. Dann schüttelten sie den Kopf.

 

„Das ist ein Fridays for Future Band. Da steht Friday - sehr ihr das, die schwarze Schrift auf dem Regenbogen ? Das hat jeder auf den Demos bekommen. Habt ihr auch so eins ?“

 

Die drei Helmut Kohls schüttelten betreten den Kopf.

 

„Ihr rennt bei mir offene Türen ein, ihr Idioten! Das ist das, was ich damit sagen wollte, ihr..ihr.. Helmut Kohls! Ich bin schon auf Friday for future Demos gegangen, da lag Greta Thunberg noch im Replikator und wartete auf ihre Batterie!“

 

„Greta Thunberg kommt aus einem Replikator ?“ Fragte Helmut Kohl 1 ungläubig: „Ne du verarscht uns doch oder ?“

 

„Und jetzt machen wir einen Deal. Ihr bekommt eure Sendezeit auf meinem Kanal aber ihr überlasst mir das reden! Dafür nehme ich eure Punkte auf und setz das, sagen wir mal,  medial ansprechend um. Zum Dank dafür verteilt ihr meine Intimbereichenthaarungscremeaufkleber auf eurer nächsten Demo. Das ist alles 100% Öko zertifiziert. Das Zeug ist so gesund, das kann man sogar essen!“

 

Die Helmut Kohls nickten eifrig.

 

„Und ihr müsst euch natürlich noch angemessen bei meinem Freund Dirozeross entschuldigen, Er ist nämlich ein sehr berühmter Fotograf und er wird mich fotografieren, wie noch niemand mich fotografiert hat. Der Typ ist ein echtes Medium in das Elysium der fotografischen Ästhetik, nicht so ein Möchtegernprolet und ihr habt unsere heilige Séance gesprengt. Das ist nicht nur total unhöflich, der arme Dionisasos er hat ja auch fürchterliche Schmerzen durch den Sturz erlitten. Shit,  kannst Du überhaupt noch knipsen ?“ Fragte sie, zu mir gewandt. Ihre großen Augen klebten geradezu auf meinem Steiß.

 

Ich verzog augenblicklich das Gesicht in Schmerz und Pein und nickte langsam: „Ja müsste gerade noch so gehen“. Dabei gab ich mir Mühe, dass jede Bewegung möglichst schmerzhaft aussah: „und das kostet extra.“

 

Daphne nickte: „ja klar, sag halt, was es kosten soll.“

 

„Kein Geld. Dafür kommst Du mit mir zu einer Vernissage von einem Kumpel und sagst auch deinen Hippen Geldsackfollowern Bescheid, damit die ihm eifrig seine echt schräg-geilen Bilder abkaufen“.

 

„Nach Rumänien ?“ Fragte die Influencerin ungläubig.

 

„Nach Köln.. Köln Ehrenfeld um genau zu sein“.

 

„Ok deal“. Sie nickte und nahm den letzten Schluck Schampus.

 

„So nun aber an die Arbeit“ sagte ich und klatschte in die Hände. Die drei Helmut Kohls schauten mich fragend an.

 

„Was glotzt ihr so ? Ihr seid jetzt Teil des Projektes geworden. Eben im Fallen kam mir die Erleuchtung, wie ich Daphne in Szene setze und zwar in Anlehnung an die Geburt der Venus von.. von .. na wer hat das gemalt ihr Klimachaoten?“ Ich blickte gespannt in die Runde: „Leonardo di Caprio ?“ Antwortete Louis, „Sigmund Freud ?“ Kam eine andere Antwort.

 

„Nein Herrschaften, es war Sandro Botticelli. Näheres dazu könnt ihr später in den Kommentaren zu diesem Stückchen lesen, wenn sich einer der Leser erbarmt ein paar Worte dazu zu sagen. Nun wird natürlich die wundervolle Daphne hier die Venus sein und ihr, ihr seid die Muschel und das Meer! Los, raus aus den Klamotten und an die Arbeit!“.

 

Es dauerte noch ein paar Gläser Champagner bis sich auch Helmut Kohl 3 getraut hatte, die Hüllen fallen zu lassen, aber das Ergebnis konnte sich am Ende mehr als sehen lassen. Ich hatte Daphne so inszeniert, dass die naive, fast infantile analoge Bräsigkeit, mit der sie mir eingangs begegnet war vollständig erhalten bleiben konnte, ohne die Grazie und Unschuld der weiblichen Digital-Göttin zu riskieren, die ganz wunderbar in der Erhabenheit des langen Halses und der leicht verschränkten Schenkel zum Ausdruck kam. Ihre schulterlangen Haare ließ ich offen in die rechte Gesichtshälfte fallen und mit dem Wind spielen.

 

Wie so oft im Leben, wo Komiker eigentlich depressiv sind, Schauspieler, die depressive Rollen spielen Frohnaturen, ernste Menschen im Grunde lustig und lustige Menschen häufig todernst,  war auch die Verkäuferin von Intimrasurkosmetika beachtlich unrasiert, so dass ein wunderschönes naturgewachsenes Dreieck sich unter dem Sonnengeflecht ihres adeligen,  kleinen Bauchnabels absetzen konnte, als sei es eine urzeitliche Grotte, die mit seltenen Kräutern und Heilpflanzen bewachsen war. Ich konnte mich gerade noch so beherrschen, nicht davon zu naschen.

 

Daphne hatte mit den drei Helmut Kohls einen Schlachtplan entwickelt und Louis und Helmut Kohl 2 hatten sich direkt am gleichen Abend fürs Museum verabredet, so dass ich mit ihr alleine in der großen Villa war. Sie hatte mir mehrmals angeboten, mich in ein Sternerestaurant einzuladen, doch ich hatte dankend abgelehnt. Mir war nach diesem ereignisreichen Tag nach Takeaway Sushi und einem oder zwei Glas guten Weins.

 

Die Gyoza schmeckten einfach himmlisch und passten ganz hervorragend zu dem schön kühlen Cloudy Bay, den wir uns dazu genehmigten.

 

„Man war das ein stranger Tag“, seufzte die Influencerin und biss genüsslich in ihre Katsu Springroll: „aber dieses Foto das du heute von mir gemacht hast ist einfach umwerfend gut geworden. Mega !Hat sich total gelohnt! Danke!“

 

Ich grinste und freute mich über ihre Anerkennung. Statt das übliche Geseiere und Arschkriechen bei dem man auf ein ernst gemeintes Kompliment mit einem nicht ganz so ernst gemeinten Gegenkompliment antwortet, bekam sie von mir die einfache Wahrheit: „Ich habe Dich als schamlose Venus gesehen und auch als solche festgehalten. Du bist wirklich eine Naturgewalt, eine Venus impudique. Du bist nicht Botticelli, Dein ganzer Vibe ist Steinzeit, Ursprung und deine ganze Oberflächlichkeit ist wie der Glanz auf den Flügeln einer Adlerin, die der echten Morgensonne aus einer Computerwelt entgegensteigt.  Du bist so mächtig wie ein echter Sonnenstrahl, wenn du es sein willst und so radikal wie eine digitale Nacht“.

 

„WoW“ sagte Daphne: „das hat noch nie einer zu mir gesagt. Weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Willst Du Dich in mein Bett schleimen oder wie soll ich das verstehen ?“ Grinste sie.

 

„Naja“, erwiderte ich: „in Dein Bett und ganz nah an deine wunderschönen Schenkel“.

 

Sie grinste und funkelte mich mit den großen Augen an.

 

„Wenn ich solche Sachen wie heute erlebe denke ich mir manchmal, wie schnell alles vorbei sein kann, wie wenig Zeit wir eigentlich haben. Wie wir uns die Dunkelheit nicht vorstellen können und plötzlich ist sie einfach da! Wir glauben immer, alles im Griff zu haben, alles planen zu können und dann passiert so etwas, oder ein Unfall, oder ein Unglück, oder ein Unwetter.“

 

„..oder ein Lottogewinn“ sagte ich schelmisch

 

„Haha“ machte sie

 

„Ich hätte eigentlich heute Abend über die Zeit philosophieren sollen mit meinen Jungs. Statt dessen bin ich jetzt bei dir und  wir haben zusammen mit den Helmut Kohls ein Meisterwerk geschaffen das alleine zählt doch! Weißt du, was ich glaube, was Zeit am Ende einfach ist ?“

 

Sie schüttelte den Kopf

 

„Bewegung. Alles bewegt sich. Es gibt nichts, das sich nicht bewegt. Zeit ist Veränderung und Veränderung ist Bewegung“

 

„Doch es gibt etwas, das sich nicht bewegt“ sagte sie zu meiner Überraschung: „Gedanken, Gefühle“

 

Da hatte sie einen interessanten Punkt gebracht, über den ich selber noch gar nicht nachgedacht hatte. Sicherlich bewegten sich die zu Grunde liegenden Neuronen, die elektrischen Impulse, die Neurotransmitter, der Druck auf der Haut, der Nervenreiz, der akustische Reiz, das Signal im Auge, alles Bewegung.. aber die Gedanken, die Gefühle ? Das emergente ?

 

„Oh man darüber muss ich nachdenken“ sagte ich, ehrlich beeindruckt. Sie nickte und rückte näher heran und flüsterte: „aber erst, nachdem wir uns etwas bewegt haben“.

 

Eevil fiel mir auf dem Männerklo immer wieder um den Hals: „Alter ich küsse Deine Augen! Fuck Alter, du hast Daphne Rimbling ja gleich mitgebracht. Alter wie geil ist das denn ? Die hat schon vier Bilder von mir gekauft! Und die ganzen Follower. Da sind sogar ein paar Mädels von der Bildzeitung dabei hat sie mir gesagt. Oh mann, jetzt komm ich doch noch raus mit meinen Sachen. Ich könnte dich knutschen Dio!“

 

„Pah geh weg von mir du Kraken!“ Rief ich und drückte ihn etwas fort: „deine Geldgier ist einfach ekelig, unwürdig und total Anti-Kunst.  Ich hab nur eine Bitte“

 

„Alles was du willst, Alter“

 

„mal mir ein Bild in dem sich nichts bewegt, in dem keine Bewegung angedeutet oder angelegt ist, wo nicht einmal eine Bewegung zu erahnen ist okay? Mal mir ein vollkommen zeitloses Bild!“

 

„Ich hab zwar noch keine Ahnung wie ich das anstellen werde aber klar Alter, wenn es das ist, was du willst, dann kriegst du es, ist doch klar!“

 

„Wunderbar“ sagte ich: „geh schon vor, ich komm gleich nach“.

 

Sobald Eevil freudestrahlend wieder im Atelier verschwunden war, machte ich mich durch den Hintereingang davon auf der Suche nach einem neuen Model. Die schamlose Venus hatte mich nämlich auf eine total ausgefallene Foto-Idee gebracht.

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