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Geschrieben am

In meinem Städtchen gab es unberührte Ecken

in denen Löwenzahn und Butterblumen blühten.

Als Kinder spielten wir dort Fangen und Verstecken,

doch heute seh ich dort nur Einkaufswagen wüten.

 

Vor unsrem Haus saß meine Oma viele Stunden

und strickte leise summend Schals und warme Mützen.

An diesem Platz ist jetzt ein Parkplatz für die Kunden,

und dunkles Öl schwimmt träge auf den Wasserpfützen.

 

Im Herzen Wehmut schaue ich betrübt zum Himmel,

wo Schwalben so wie früher ihre Kreise ziehen.

Ich träum mich fort aus diesem hektischen Gewimmel,

ach könnte ich nur einmal noch in meine Kindheit fliehen.

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  • Schön 7
Geschrieben

Guten Morgen, Sid!

Da hast du wahrscheinlich vielen von uns aus dem Herzen gesprochen. Auch mir gefällt so manche Wandel nicht. Klar, manches ist etwas verklärt, (die Zeit, der frühere Blick)

Als wir vor 20 Jahren nach Bremen gezogen sind, wimmelte es hier von Wildkaninchen. Heute kaum noch eines zu sehen, wenn überhaupt. Und das mit den Einkaufswagen. Also überall neue Läden eröffnet werden. Aber das sind natürlich die Leute selbst. Was soll man da machen? Wenn schon der sogenennte kleine Mann schludert, wie soll es da bei denen "da oben" besser sein? Grausig!

 

Dennoch: Hab eiunen schönen Tag, Heiko

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Geschrieben

lieber Sid

verblüffend gut hast Du die heutige Zeit getroffen

und ja, dein Gedicht macht betroffen. Wie Heiko schon sagt, der Kunde will es anscheinend so, denn die Geschäfte sind besucht und werfen Gewinne ab.

Ergo, selbst Schuld.

Liebe Grüße aus dem verregneten Kiel

Geschrieben

Moin @Sidgrani,

 

ein schöner Text!
Ich glaube, dieses Gefühl der Sehnsucht nach der Kindheit hat jeder mal. 
Als ich das letzte Mal meine Eltern in meinem Geburtsstadtteil (in Bremen übrigens, @WF Heiko Thiele, moin an dich^^) besucht habe, dachte ich noch, wie unverändert alles ist. Dann sah ich aber, dass ein großer Baum, auf dem ich und meine Schwester immer gespielt hatten, nicht mehr da war. Das hat mich dann doch traurig gemacht. Da hingen einige Erinnerungen in den Ästen.

 

Nun aber zu deinem Text: 
Metrum und Reim:
Metrisch hast einen seeeehr schwermütigen 6-hebigen Jambus, durchgehend mit weiblichen Kadenzen. n
Nur der letzte Vers bricht mit einem sogar 7-hebigen Jambus aus. 
Es fällt schon auf, aber ist an der Stelle auch durchaus gerechtfertigt, unterstreicht vielleicht sogar das Abschweifen der Gedanken - da hält man sich auch nicht mehr an das vorherrschende Metrum 😄

Noch ernster hätte wahrscheinlich ein Trochäus gewirkt, aber das hätte den Text dann vielleicht auch ZU schwer gemacht.

 

Durchgehend ein Kreuzreim mit ansprechenden Reimwörtern. Die fügen sich organisch gut ein. Einzig bei "wüten" habe ich mich gefragt, ob es mir so gefällt. Ich konnte aber auch nicht beschreiben, was mich gestört hat. Vielleicht weil genaugenommen nicht die Einkaufswagen wüten, sondern jene, die sie vor sich her schieben?

 

vor 8 Stunden schrieb Sidgrani:

In meinem Städtchen gab es unberührte Ecken

in denen Löwenzahn und Butterblumen blühten.

Als Kinder spielten wir dort Fangen und Verstecken,

doch heute seh ich dort nur Einkaufswagen wüten.

Sprache und Inhalt:
Das Städtchen ist mir hier fast zu groß gedacht, ich war in der Vorstellung eher beim "Viertel". 
In meiner persönlichen Erinnerung waren die Gänseblümchen DIE Kindheitsblumen, aber das soll deinen Text nicht stören 😄 
Das "wüten" hatte ich oben schon beschrieben, aber sonst passt alles so weit.

 

Der erste Einstieg in die Kindheitserinnerung ist dir auf jeden Fall gut gelungen, ich konnte mich sofort da hineindenken. 
Ich finde es sehr passend, dass du diese harmonische Beschreibung bereits im vierten Vers mit der Realität, dem Erwachsensein störst. Denn genauso schrumpfen ja in unserem Alltag unsere Kindheitserinnerungen immer weiter zusammen und werden - von wütenden Einkaufswagen - verdrängt.

 

vor 8 Stunden schrieb Sidgrani:

Vor unsrem Haus saß meine Oma viele Stunden

und strickte leise summend Schals und warme Mützen.

An diesem Platz ist jetzt ein Parkplatz für die Kunden,

und dunkles Öl schwimmt träge auf den Wasserpfützen.

Sprache und Inhalt: 
Hier sind wir dann wieder zurück in einer Kindheitserinnerung, die wird diesmal sogar schon nach 2 Versen abgebrochen. 
"leise" hat mir nicht ganz gefallen. Ich finde "leise summen" ist schon fast ein Pleonasmus. Da wären andere Adjektive glaube ich geeigneter, um die Situation oder die Oma besser zu charakterisieren, etwa "heiter", "langsam" oder, wenn wir das Summen vielleicht gar nicht brauchen, sowas wie "selbstvergessen" oder "traumversunken".

Den doppelten "Platz" in Vers 3 könnte man vermeiden, wenn du schriebst "An diesem Ort" - dann klingt dieser Part durch das lange O auch noch viel weicher im Kontrast zum "Parkplatz" mit den kurzen a's und den kratzigen, k, p und tz.

Beim "dunklen Öl" habe ich mich gefragt, ob es denn wirklich so ist? Denn eigentlich sieht man durch das Öl ja immer farbenfroh schillernde Muster in den Pfützen - und auch das wäre ja durchaus eine typische Kindheitserinnerung, da ist ja sicher jeder damals von fasziniert gewesen. 
Ich kann aber auch deine Entscheidung verstehen, trotz all des sichtbaren Schimmers beim "dunklen Öl" zu bleiben. Denn auch wenn man es - auch als Erwachsener - so nicht sehen kann, WISSEN wir es heute ja einfach besser. Das ist kein verzückendes Naturschauspiel, das waren wir und das ist schlecht für die Umwelt.


Mir gefällt in dieser Strophe übrigens der schöne Kontrast zwischen "guter" und "schlechter" Trägheit, denn auch die dort seit Stunden sitzende Oma hat ja etwas Träges an sich. Nur viel schöner als das träge Öl.

 

vor 8 Stunden schrieb Sidgrani:

Im Herzen Wehmut schaue ich betrübt zum Himmel,

wo Schwalben so wie früher ihre Kreise ziehen.

Ich träum mich fort aus diesem hektischen Gewimmel,

ach könnte ich nur einmal noch in meine Kindheit fliehen.

Sprache und Inhalt: 
Wehmut und Betrübnis sind sich recht ähnlich, finde ich nicht sooooooo schön. Zwar spielt bei Wehmut der Aspekt des Erinnerns noch mit rein und gibt ihm damit mehr Dimension als "betrübt", aber das macht "betrübt" irgendwie noch obsoleter. 
Auch hier könntest du die Situation vielleicht noch weiter charakterisieren, indem du dem Himmel vielleicht noch ein Attribut gibst. Erster Gedanke: "Im Herzen Wehmut schau ich in den grauen Himmel,"

Der Rest passt aber gut 🙂 

Damit bleibt mir nur noch: 
Gern gelesen, 
LG Dali Lama

Geschrieben
vor 16 Stunden schrieb Sidgrani:

Ich träum mich fort aus diesem hektischen Gewimmel,

ach könnte ich nur einmal noch in meine Kindheit fliehen.

 

Hi Sidgrani,

und ich habe als Kind immer von den grenzenlosen Möglichkeiten der Erwachsenen geträumt, dass ich mir später mal ein riesiges Schlaraffenland von Spielsachen zulegen würde, jedenfalls eher als langweilige Möbel, Staubsauger und Bettwäsche...

Hauptsache träumen 😴, und zwischendurch so tolle Gedichte lesen 👍

LG Amadea

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