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Sch(l)aflos


maerC

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Sch(l)aflos

 

Ich zähle täglich meine Schafe

Wenn ich noch wach lieg und nicht schlafe

Einhundertzwanzig an der Zahl

Und wenn 's nicht reicht, zähl ich nochmal

 

Doch gestern fehlte mir ein Hammel

Ich war hellwach und hatte Bammel

Dass ihn ein Wolf gefressen hatte

Verzweifelt stand ich auf der Matte

Und konnte stundenlang nicht schlafen

Aus Sorge um den alten Braven

 

Am heut'gen Abend zähl ich wieder

Und werde überhaupt nicht müder

Welch Freude: alle sind zur Stelle

Ergebnis: Hundertzwanzig Felle

 

Bei einem passen nicht die Zähne

Zur harmlos weißen Lockenmähne

Zwei Augen blitzen mir entgegen

Ihr Lauern könnte mich erregen

 

Ich denk noch, das ist sehr verdächtig

Doch Hypnos - gähn - wird übermächtig

Es muss - gähn - nur die Zahl - gähn - stimmen

Gut' Nacht, ich werd das Licht jetzt dimmen

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Moin @maerC,

 

also in all dem Humorigen ist dein Text doch durchaus auch ein Fröhlicher bist Düsterer!
Mir gefällt, dass es so unbeschwert anfängt, könnt ein Kinderreim sein und dann bringst du immer weiter diese fast schlafparalytische Idee eines Alptraums mit ein.

 

Lass uns einmal genau schauen:

 

vor 46 Minuten schrieb maerC:

Sch(l)aflos

Schön^^ Hier haben wir zwar den Konflikt schon angedeutet, aber als Wortwitz ist das...witzig^^

 

vor 47 Minuten schrieb maerC:

Ich zähle täglich meine Schafe

Wenn ich noch wach lieg und nicht schlafe

Einhundertzwanzig an der Zahl

Und wenn 's nicht reicht, zähl ich nochmal

Metrum und Reim: 
xXxXxXxAa 
xXxXxXxAa   (XxxXxxXXx genaugenommen)
xXxXxXxB     (XXxXxXxX genaugenommen)
xXxXxXxB     (xXxXXxxX genaugenommen)

 

Mann kann es wohlwollend durchgehend als 4-hebigen Jambus lesen, aber abgesehen vom ersten Vers gibts da schon sehr variable Betonungsweisen, einige Wörter sind eigentlich zu stark um unbetont zu sein. 
Der Reim ist ein beschwingter Paarreim, die verleihen der ersten Strophe hier eben diesen Kinderreim-Charme.

 

Sprache und Inhalt: 
Ich hatte überlegt, ob es kausal sinnvoller wäre, Vers 1 und 2 zu tauschen.
Vorschlag:

Wenn ich noch wach lieg und nicht schlafe 
Dann zähl ich täglich meine Schafe.

Eigentlich ganz gut so. 
Ansonsten passt hier aber alles, ein fröhlicher Einstieg mit typischer Schäfchenzählbildlichkeit. 


Spannend fände ich die Frage, ob die 120 eine tiefere Bedeutung hat. Wie 120 Sekunden, ein Zehnfaches von 12, die Zahl auf der Uhr oder die Anzahl der Monate in einem Jahr, hmhm^^

 

vor 57 Minuten schrieb maerC:

Doch gestern fehlte mir ein Hammel

Ich war hellwach und hatte Bammel

Dass ihn ein Wolf gefressen hatte

Verzweifelt stand ich auf der Matte

Und konnte stundenlang nicht schlafen

Aus Sorge um den alten Braven

Metrum und Reim:

xXxXxXxCc

xXxXxXxCc

xXxXxXxDd

xXxXxXxDd

xXxXxXxEe

xXxXxXxEe 

 

Die Strophe hat 2 weitere Verse mit Paarreim angehängt, sie unterscheidet sich damit dynamisch auch zur ersten, erscheint hektischer, was ja inhaltlich auch sehr gut passt. Das lyrische ich ist aus seinem strukturierten Zähltraum herausgebrochen und befindet sich plötzlich in einem unbekannten Setting.
Man könnte argumentieren, dass in diesem Sinne auch der unreine Reim (bzw, die Assonanz?) schlafen-Braven durchaus Sinn macht, dazu aber gleich mehr. 

 

Sprache und Inhalt:
"gefressen" ist nicht zu beanstanden, gewohnter ist in dem Kontext aber vielleicht "gerissen"?

Den unreinem Reim hatte ich eben schon angesprochen, den mag ich insbesondere nicht, weil der "alte Brave" irgendwie nach einer recht gewollten, umständlichen Beschreibung für den Hammel klingt. 
Meine erste Idee wäre folgende, um die beiden zusätzlichen Verse auch nochmals abzuheben, einen Abschluss mit betonter Silbe.

 

Vorschlag:

Ich konnt nicht schlafen, stundenlang
war ich um ihn ganz schrecklich bang

 

vor einer Stunde schrieb maerC:

Am nächsten Abend zähl ich wieder

Und werde überhaupt nicht müder

Welch Freude: alle sind zur Stelle

Ergebnis: Hundertzwanzig Felle

Metrum und Reim: 
xXxXxXxFf

xXxXxXxFf
xXxXxXxGg
xXxXxXxGg

 

Hier passt metrisch alles, reimlich ist aber wieder-müder wieder unrein. An dieser Stelle mag ich den unreinen Reim allerdings, da er inhaltlich den gestörten Schlaf unterstreicht.

 

Ich hätte es tatsächlich, da sich anschließend die Schlaf-Traum-Situation so zuspitzt, ganz cool gefunden, hier eine weitere strophische Steigerung zu haben. Eigentlich könnte die Folgestrophe mit dieser hier zusammengelegt werden, sodass du ganze 8 Verse in der Strophe hast, nochmal 2 mehr als vorher, doppelt so viel Dynamik als in der ersten fröhlich-harmonischen Strophe.

 

Sprache und Inhalt: 
Die hunderzwanzig Felle sind geschickt. Der aufmerksame Schaf-Fabeln-und-Geschichten-Kenner wird schon ahnen, dass der Schafspelz hier möglicherweise eine Überraschung bereithält.

Die Energie aus der vorigen 6-Zeilen-Strophe ebbt hier durch die 4 Verse nun aber tatsächlich etwas ab, der künstliche Abbruch nimmt die Spannung für mich.

 

vor einer Stunde schrieb maerC:

Bei einem passen nicht die Zähne

Zur harmlos weißen Lockenmähne

Zwei Augen blitzen mir entgegen

Ihr Lauern könnte mich erregen

Metrum und Reim: 
xXxXxXxHh

xXxXxXxHh

xXxXxXxIi

xXxXxXxIi

 

Metrisch hier auch wieder sicher, saubere Reime auch. Konsequenterweise könnten wir sagen, dass hier sicher auch ein unreiner Reim gerechtfertigt sein würde. 

Sprache und Inhalt: 
Da haben wir nun nämlich den Wolf im Schafspelz. Die Anspielungen auf die Zähne und die Augen referieren direkt auf Rotkäppchen, wo sich der Wolf ja desselben Verkleidungstricks bedient.
Ich finde es aber ganz gut, dass du diese Verkleidung gar nicht aufdeckst, es bleibt ein unbekanntes Lauern, das das lyrische Ich und und die Leserschaft im Nacken kitzelt. Manchmal ist das Unausgesprochene ja das Bedrohlichere.

Ich mag allerdings "erregen" nicht, das Lauern könnte das lyrische Ich verunsichern, verängstigen, "erregen" aber ist offenbar dem Reim geschuldet. 

Vorschlag: 

Zwei Augen blitzen hastig auf  
Und in mir ruft es leise: Lauf  

 

vor 1 Stunde schrieb maerC:

Ich denk noch, das ist sehr verdächtig

Doch Hypnos - gähn - wird übermächtig

Es muss - gähn - nur die Zahl - gähn - stimmen

Gut' Nacht, ich werd das Licht jetzt dimmen

Metrum und Reim: 
xXxXxXxJj

xXxXxXxJj

xXxXxXxKk

xXxXxXxKk

 

Metrisch und reimlich soweit in Ordnung, eeeetwas unglücklich finde ich nur, dass die Interjektion "gähn" in Vers 1 betont sein soll und in Vers 3 darauf unbetont, da fällt es auch etwas schwer, "gähn" ist schon sehr stark.

Diese letzte Strophe ist nun wieder bei 4 Versen. Auch das finde ich konsequent, die Rückkehr zum Anfang, zum ruhigen Schafezählen, die Zahl stimmt, alles ist in Ordnung.

 

Sprache und Inhalt:

Für die Leserschaft bleibt hintergründig dieses ungute Gefühl, dass da etwas lauert! 
Aber das lyrische Ich ist, endlich, zu müde, darüber noch weiter nachzudenken. 
Das Abdriften ins Reich der Träume hast du hier visuell durch Kursivschrift auch nochmal schön verdeutlicht. 

 

Alles in allem hat mir dein Text gut gefallen, besonders diese bloße Idee der Bedrohung, die aber nie ganz konkret benannt wird, hast du sehr schön umgesetzt. 
Gern gelesen! 
LG Dali Lama
 

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Hallo maerC,

 

klasse! Mich hat dein Sch(l)afgedicht auch sofort wachgerüttelt. (Nach schlaftrunkenem Aufstehen aus der Kiste)

Die Idee finde ich gut und die Umsetzung zum großen Teil auch gelungen.

Handwerklich überwiegend sauber. Sehr differenziert (wow!) ist Dali Lama ja schon auf dein Stück eingegangen.

Kurz meine Meinung zu seinen Veränderungsvorschlägen:

Zitat

Wenn ich noch wach lieg und nicht schlafe 
Dann zähl ich täglich meine Schafe.

Das finde ich auch passender. So würde ich es auch sprechen.

Zitat

Ich konnt nicht schlafen, stundenlang
war ich um ihn ganz schrecklich bang

Den finde ich nicht sehr originell. Dieser "Bang-Reim"  ist mir einfach zu inflationär. Da würde ich den "Braven" vorziehen. Damit habe ich kein Problem.

Zitat

Zwei Augen blitzen hastig auf  
Und in mir ruft es leise: Lauf  

 

Ja, diese Alternative ist besser als "erregen". Erregen verbindet man einfach schnell instinktiv mit Sexualität

Noch ein paar von meinen Eindrücken: Ich habe  ein wenig Probleme mit den Zeiten. Du beginnst im Präsens, beschreibst, wie es grundsätzlich abends abläuft, dann kommt das Ereignis von gestern, Präteritum und dann kommt der nächste Abend, also heute. Das passt m.M.n. nicht.  Da bes schreibst du ja ein konkretes Geschehen, zu einer bestimmten Zeit. Entweder ist es eine Vorhausahnung, wie es heute Abend also ablaufen könnte, dann wäre in Futur I zu schreiben oder LI ist um 23:59 Uhr noch mal , wach geworden und es ist bereits geschehen. Aber vielleicht sehe ich das auch zu verbissen. Mir fiel es jedenfalls auf.

Zitat

Bei einem passen nicht die Zähne

Hier finde ich den Satzbau unglücklich.  Da könntest dir viell. noch was besseres einfallen?

Noch ein kleiner Eindruck  Spannungsaufbau, in deinem Stück:

 

Nach der zweiten Strophe, also nachdem sich herausstellte, dass ein Hammel fehlt, hätte ich erwartet, dass sich die Geschichte noch am selben Abend  weiterentwickelt. Pennen kann LI ja eh nicht mehr. LI zählt also direkt noch ein paar Mal und dann passt es. (natürlich mit der sich anbahnenden Katastrophe. Also, ich hätte die Geschichte, so wie sie ist, an einem Abend stattfinden lassen. Alles nur subjektive Eindrücke

Auch so  finde ich dein Gedicht  sehr gelungen und würde es, deine Erlaubnis vorausgesetzt, gern meinen Enkeln als Gutsnachtgeschichte vorlesen.

 

VG, Marvin

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Moin @Dali Lama,

sehr beeindruckend, wie du mein kleines Gedicht analysierst. Man könnte meinen, dass du das auch beruflich machst (vielleicht als Lehrer im Deutschunterricht). Natürlich kann man an dem Text noch in deinem Sinne (sicher zum Teil berechtigt) feilen. Es fragt sich, ob der Gesamteindruck dadurch verbessert wird. Mir gefällt es so ganz gut.

Trotzdem danke ich dir für die ausführliche Rezension.

LG

maerC

 

Hallo @Carlos,

freut mich, vielen Dank!

LG

maerC

 

Hallo @Marvin,

vielen Dank dür deinen sehr ausführlichen Kommentar. Das Problem mit den Zeiten war mir bewusst. Dazu fällt mir folgende Variante ein:

Am heut'gen Abend zähl ich wieder

...

Der Rest ist dann quasi eine Live-Reportage.

Der Satz, der mit der Zeile "Bei einem passen nicht die Zähne" beginnt, geht ja in der nächsten Zeile sinnvoll weiter.

Natürlich habe ich nichts dagegen, dass du das Gedicht den Enkeln vorliest. Hoffentlich schläfst du bei dem "gähn" nicht zuerst ein.

LG

maerC

 

 

 

 

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