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Im jungen Menschen bereits ist die Faszination für die Ferne angelegt, wenn der Besuch des Flughafens oder des Hauptbahnhofs zu einem motivierenden und lebendigen Ereignis für die junge Seele wird. Oder wenn der Vater des Kindes oder der Freund der Mutter auf Dienstreise geht und mehrere hundert oder tausend Kilometer vom Dienst- und Arbeitsort an einem Treffen oder Kongress teilnimmt, dann fasziniert dies meist den jungen Menschen, weil er die Ferne als Sehnsuchtsort seiner entfaltenden Seele empfindet. Ferne als Nähe zum innigen Eigenen, als lebendiges Raum-Zeit-Kontinuum, das Freude bereitet und ein Lächeln oder Staunen zaubert.

 

Vielleicht ist die Faszination der jungen Seele aber auch durch die Assoziation der Macht und Beweglichkeit des Menschen geschuldet, der von der Welt etwas erfahren wird auf seiner Reise und die Macht und das Geld besitzt an ihr teilzunehmen und sie durchzuführen. Nicht ohne Grund sind die Entdecker der früheren Zeiten so hoch gehandelt worden, weil sie Erfahrungen erwerben konnten und damit Wissen erzeugten, nach dem auch die Mächtigen Ausschau gehalten haben. Die Assoziation der Fernreise mit Macht und Wissen, Erfahrung und Mut, liegt damit nahe.

 

Die Urlauber von Fernreisen heute allerdings, sind hier weniger mit dieser Faszination und Assoziation betroffen, weil es so gewöhnlich geworden ist in den wohlhabenden Ländern. Hier ist die Fernreise aktuell durch die Klimaproblematik sogar anrüchig geworden, weil die Klimabelastungen durch den Flugverkehr nicht mehr rein und unbeschwert betrachtet werden können.

 

Die Faszination für die Ferne scheint aber auch mit zunehmendem Alter zu sinken und weniger motivierend, weil auch die möglichen Gefahren der Reisen eher gesehen werden und daher der Schutz von Leib und Leben einen höheren Stellenwert erhält, als durch die Entdeckerseele des jungen Menschen, der sich der Gefahren noch nicht derart bewusst ist und glaubt sie bewältigen zu können oder davon verschont zu bleiben.

 

Die Ferne bleibt dem jungen Menschen ein Anziehungspunkt und Sehnsuchtsort, denn das Andere, Neue, Schöne und Abenteuerliche, nährt die junge Seele und leitet sie in die Welt hinaus und lässt sie erleben, was an Vielfalt und Schönheit auf dieser Erde noch vorhanden ist und möglich zu erfahren. Die Ferne zu reduzieren und die Erfahrungen zu maximieren, geht beim Reisen miteinander her, wenn das Fernziel des Paradieses noch so weit weg liegt und erreicht werden will und kann.

 

Die innere Befindlichkeit des Menschen, mit seiner Suche nach Glück, Sinn und Erfüllung, findet in der Fernreise sicherlich sein äußeres Pendant. Doch sowohl innerlich als auch äußerlich findet sich nirgends eine Sicherheit, die dem Menschen andauernde Genugtuung und Zufriedenheit liefert; er bleibt wohl bis zum letzten Atemzug auf der Suche danach das schon gefundene Glück zu bewahren und tieferes Glück neu zu erwerben.

 

Die Sehnsucht nach der Ferne, von früher Jugend an, wird sich wandeln in eine innere Sehnsucht nach dem Paradies und der Erfüllung, die beide nicht wirklich vollends erreicht werden können, denn stetig huscht die Vollkommenheit zwischen den Fingern hindurch und die verbleibenden Lücken zu ihr öffnen sich stetig wieder und wieder, nachdem gehofft und geglaubt wurde, sie doch irgendwann schließen zu können, um endlich seine Ruhe haben zu können. Aber gerade die Endlichkeit verhindert das vollkommene des Lebens, weil nur im Tod die ultimative Ferne zur endgültigen Nähe wird. Und zur ewigen Ruhe.

 

 

 

  • wow... 2
  • Schön 1
Geschrieben

Lieber Thomkrates,

 

Eine wirklich hervorragende und geistreiche Analyse, in der Weihnachtszeit darf ich "weise" hinzufügen.

Einen Aspekt möchte ich allerdings noch hinzufügen:

Wer reist, ist weniger anfällig für populistische Behauptungen, man könne das wahre Leben nur zuhause finden und müsse fremde Einflüsse grundsätzlich abwehren, um seine Identität nicht zu verlieren.

Ich werde meinen Kindern und Enkeln, entgegen dem augenblicklichen Mainstream, weiter empfehlen, sich ein eigenes Bild von der Vielfalt der Welt und ihrer Menschen zu machen.Wer einmal erlebt hat, dass er gefragt wird, wo Deutschland denn eigentlich liege und ob etwa Paris unsere Hauptstadt sei, wird den Egozentrismus unseres Denkens schnell aufgeben und feststellen, dass wir und unsere Kultur nicht der Mittelpunkt der Welt sind.

Möglicherweise wird es schwieriger Kriege anzustiften und zu führen, wenn man aus eigener Erfahrung weiß, daß die Welt wirklich eine Kugel und keine Scheibe ist, in denen Mitte wir sitzen.

 

In diesem Sinne Danke für Dein Gedicht

 

Tobuma

  • Schön 1
Geschrieben

Lieber Tobuma, @Tobuma

 

danke für deine Besprechung und deine Gedanken. Klar, erschöpfend war das nicht behandelt, da bleiben sicherlich noch weitere Perspektiven, die mit der Zeit entfaltet werden könnten. Was ich hier schrieb entspricht mehr einer seelischen Stimmung und weniger einer geistigen Analyse, so zumindest fühlte ich mich beim Schreiben heute, gelassen und friedlich und nicht geistig angestrengt oder grübelnd, was ich meist nicht bin.

 

Was du hier schreibst, ist sehr sinnig, die Ego-Kränkungen beginnen beim heliozentrischen Weltbild, gehen zur Freudschen Idee der unbewussten und überichbewussten Kräfte, bis zur neuronalen Forschung der Frage des freien Willens, und eben, was du schreibst, die Kränkung aus der Wahrnehmung, das unsere Nation anderswo in der Welt nicht den Nabel der Aufmerksamkeit darstellt.

 

Danke auch euch beiden, JoVo und Anaximandala für die Likes und das Vorbeischauen.

 

Bleibt gewogen.

 

Herzlich,

Thomkrates

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