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Ich schob den Vorhang beiseite und betrat das Zelt des alten Zauberers. Überall hangen komische Dinge herab, alles war schräg und Bund. Muster schlängelten und windeten sich ineinander und überforderten die Augen. Selbst den Alten fand ich erst auf den zweiten Blick zwischen den Kissen und Kräuterkrügen sitzend. So perfekt passte er in die Umgebung wie ein Chameleon im Halbdunkeln. Er machte große Züge aus einer blubbernden Wasserpfeife und speite den warmen Dampf wie ein Drache aus Nase und Mund. Es roch nach allen möglichen Düften. Als wären sämtliche Kräutermischungen die es gab zusammengemixt worden. Am dominantesten war der Cannabis Geruch. Penetrant wie Knoblauchfürze. Doch nicht unangenehm, dann doch, dann aber überdeckt von einem anderen unbekannten Duft. Wie Yasmin und Lavendel aber keines von beiden. Die ganze Luft die man in diesem abgedeckten Zelt atmete bestand aus intensiven Düften. Vor ihm mehrere Schalen mit Kohle und darauf rauchende Kräuter. Räucherstäbchen. Qualmende Kräuterbündel. Ich hockte mich schweigend vor ihn. Es dauerte eine Weile bis er die Augen halb öffnete. Er schien erstmal einige Sekunden zu brauchen um sich zu vergewissern ob er wieder in unserer Wirklichkeit war oder nur wieder in einem Traum. Dann sprach er endlich.

„Du solltest Pot rauchen.“

„Ich hab eigentlich auf stärkeren Shit gehofft.“

Er gab mir die Wasserpfeife, ich machte ein paar Züge. Das Zeug schmeckte gut. Und war verdammt stark! Der Schwindel setzte sofort ein wie nach einem starken Schnaps. Die Muster tanzten noch nicht. Auch nach ein paar weiteren Zügen bewegte sich nichts. Ich gab ihm die Pfeife zurück und er griff in eine Schale voller fertig gerollter dunkler kleiner Zigarren. Er reichte mir eine und ich steckte sie mir an. Oha! Das war schon heftiger. Ich schmeckte Cannabis, aber es kratzte auch unglaublich bitter im Kehlkopf. Da war Stechapfel dabei. Und auch etwas Opium. Ich hustete stark. Der Rauch hatte scharfe Krallen und Zähne auf seinem Weg nach unten und oben durch mich. Anstatt das mich die Muster mit einem Tanz belustigten, sank ich in eine dunkle Mulde. Alles verschwommen vor den Augen. Keine Gedanken im Kopf. Leere. Alle Geräusche um mich zu einem einzigen Klangteppich gewoben. Eine Matrix wo die Gerüche und Geräusche sich ineinander flochten. Der schwarze Kräuterhexer lachte in Zeitlupe. Er hatte erstaunlich gute Zähne. Und auch einen Kranz aus Zähnen um den Hals.

„Wem gehören die ganzen fauligen Zähne um deinen Hals? Bist du Zahnarzt oder hast du die aus Barschlägereien?“, fragte ich mit gedämpfter Stimme und geschlitzten Augen die mir brannten wie mit Essig eingerieben.

„Das sind die Zähne von den Sterbenden die ich betreut hab, auf ihrem Seelenflug. Jetzt hab ich ihre Seelen gefangen.“, er zeigte mir kleine Fläschchen mit komischen Namen drauf. Und er klopfte sich auf einen Stoffbeutel am Gürtel. Da klapperten zwischen bunten Mahlsteinen auch ein paar Seelen rum. Wurden noch „feiner gemahlen.“

Ich fragte ihn nach Pilzen oder Salbei und gab ihm die halb gerauchte kleine Zigarre zurück. Er rauchte sie vor mir zu Ende. Verdammt… wie lange war ich bereits in diesem Zelt? Kein Zeitgefühl mehr. Um mich sangen körperlose Stimmen von Frauen. Bongos trommelten. Mal laut, mal leise. Mal fern, mal nah. Die Düfte drangen durch die Nase und explodierten im Kopf in bunte tanzende Muster, endlich man! Die Muster tanzten, drehten und windeten sich umeinander wie paarende Schlangen. Dann wurden sie zu Tönen und Klängen. Und irgendwo dazwischen schwebte ich ohne Ich.

„Hey Baba, hast du Feuer?“, fragte ich.

Er schnipste eine Flamme zwischen seine rußgeschwärzten Finger. Ich rauchte noch eine halbe dieser dunklen Zigarren. Das war zu viel. Aber ich wollte es auch nicht abreißen lassen. Oder abreisen lassen. Den Teppich während des Fluges unter mir wegziehen wäre echt uncool. Ich könnte auf dem Scheiß Mond landen und verbrennen wie ein Tropfen auf der heißen Kohle. Doch wie weiß man wann es genug ist, wenn man nicht mal genau weiß was man sucht? Plötzlich bemerkte ich einen fetten Dämon über uns im Zwielicht in der Luft hocken. Der Dampf trug ihn. Zwielicht oder auch Zwirnlicht wenn man sich ein Stück Faden nah vors Auge hielt und auf eine Lampe schaute. Macht keinen Sinn. Erst jetzt merkte ich das dieser fette Bastard meine Seele aussaugte. Es tat gar nicht weh. Noch war ich nicht wehrlos und schlug nach ihm. Der Kräuterhexer verscheuchte ihn schließlich und packte meine in die Länge gezogene Seele bevor sie mit verschwand.

„Hier geblieben!“

Doch statt sie mir wieder in den geöffneten Schädel zu pressen, stopfte er sich ein Stück davon in die eigene Tasche. Ich hab das genau gesehen Opa! Ach egal. Wird schon passen. An den Rest kann ich mich nicht mehr erinnern, aber er gab mir starkes Zeug zum riechen. In Sekunden holte es mich brutal zu Erden zurück wie ein Fall aus dem sechsten Stock auf staubigen Grund. Die Nüchternheit war so ernüchternd. Erbärmlich und abturnend langweilig. So widerlich geordnet und frei von wundern und Magie. Das blanke Elend diese Realität! Mathematik und Algorithmen. Naturgesetze und Regeln. Boah, war mir schlecht. Ich blies mir den Rotz aus beiden Nasenlöchern, wie einen Versuch die Wirklichkeit heraus zu rotzen. Der alte Zauberer meditierte wieder mit geschlossenen Augen wie am Anfang.

„Machst du das in deiner Freizeit oder echt Vollzeit?“

Er öffnete ein Auge.

„Teilzeit. Ich arbeite als Tellerwäscher im Grande Vito.“

„Dachte ich´s mir. Na jedenfalls, vielen Dank oder so… was schulde ich dir?“

Er hob die Handfläche.

„Nichts. Du hast schon bezahlt.“

Ich verschwand und taumelte noch leicht benebelt, mit aufgekratztem Hals, Magen-und Gliederschmerzen, Kopfweh und wackeligen Beinen zum Hauptmarkt. Ich wollte mir noch getrocknete Wurzeln kaufen. Irgendwelche. Erst später zurück in der Heimat erkannte ich mit was ich bezahlt hatte…

Die Seele war unendlich lang. Und konnte bis ans andere Ende des Universums gedehnt werden. Noch immer hatte er meine zwischen seinen schwarzen Fingern. Und irgendwann, wenn sie bereit war diesen Körper zu verlassen, so könnte er sie ganz zu sich ziehen und mich entweder in seinen Beutel oder eines der kleinen Fläschchen stopfen.

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Geschrieben

In der Tat, Joshua.

Meisterlich, überzeugend erzählt.

Nebenbei darf ich merken, dass gerade so gut geschriebene Texte, eine Einladung für junge Schreiber wäre, auf die Rechtschreibung zu pfeifen. 

Ich meine "das" anstatt "dass". 

Liebe Grüße

Carlos 

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