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“ Einen Mann brauche ich nicht “

Eine mädchenhaft wirkende, junge Frau, sichtbar europäischer Herkunft, und ein gut aussehender, gepflegter Mann, so um die dreißig, aus Indonesien, beide von demselben Schiff, wie ich später erfahre, betreten so gegen halb acht den Club. Ein Paar, frage ich mich? Stelle mir sofort die Rivalität mit den allen anderen Seeleuten vor. Ein Paar, das wäre wirklich erstaunlich.

Kaum an der Club Theke angekommen legt die “Lütte“ los, begrüßt mich „freundschaftlich keck“, so als würden wir uns schon lange kennen.

   „Darf ich das Fleisch, das ich im Supermarkt gekauft habe, bei dir in den Kühlschrank legen? Natürlich nur solange ich hier bin. Was dagegen?“

Ich schüttele den Kopf. Mein Kollege hilft, ihr die Sachen, die sie aus einem kleinen Rucksack und einer Einkaufstüte holt, in unserem Vorratskühlschrank zu verstauen.

   „Ich bin in Ungarn geboren,“ erzählt sie, „aber meine Eltern wollten unbedingt weg da. Man konnte dort nicht genug verdienen. Überhaupt keine Zukunftsaussichten. Wir sind dann in die Niederlande gezogen, da bin ich groß geworden. Habe Seemannschaft studiert und bin jetzt zum ersten Mal auf einem Schiff, als Azubi und Learner sozusagen. Einfach toll, draußen bei jedem Wetter, unglaublich, genauso habe ich es mir vorgestellt auf einem Schiff zu arbeiten. Das werde ich ein Leben lang machen, ganz bestimmt. Bin ja erst zwanzig, hab noch ausreichend Zeit.“

Dabei schaut sie mich herausfordernd an, so als würde ich ihr das verbieten wollen. Der Indonesier hält sich wie ein Gentleman Beschützer hinter ihr.  

   „Wenn es dir gefällt,“ sage ich, „warum sollten Frauen nicht dasselbe wie Männer machen können? Gibt ja genügend Beispiele dafür. Könnte nur dann Probleme geben, wenn du eine Familie haben willst. Das würde sicher genauso schwer, wie bei den Männern sein, die das oft nur machen, um ihre Familien über Wasser zu halten, weil sie in ihren Heimatländern keine Arbeit finden.“

   „Einen Mann brauche ich nicht, jedenfalls keinen festen,“ sagt sie bestimmt, „ich will Erfolg haben und richtig reich werden. Dann brauche ich sowieso keinen Mann und kann mir das Leben so einteilen wie ich will. Wenn man Geld hat, ist doch alles viel einfacher, oder?“

Dabei funkelt sie mich an: “Was meinst du dazu?“

   „Habe ich auch mal gedacht,“ sage ich, „ist nur nicht so leicht ranzukommen an das Geld. In deinem Alter war ich einmal bei einer Freundin meiner Mutter in New York. Deren Mann, ein schnieker, wohlhabender Italiener, sicher ein Mafiosi, fragte mich, was denn mein Lebensziel sei und ich antwortete   ihm, ähnlich wie du: „Erfolg und viel Geld, am besten eine Million, dann hätte ich für immer ausgesorgt. Und weißt du, was er mir geantwortet hat?“

   „Dann musst du aber schnellstens loslegen, denn, wenn du es bis dreißig nicht geschafft hast, dann kannst du die Million gleich vergessen.“

    „Leider hat er recht behalten. Aber man kann trotzdem ein gutes Leben haben ohne Millionär zu sein. Du hast ja noch ein wenig Zeit bis du dreißig bist. Um wirklich reich zu werden, solltest du dir allerdings schon etwas ganz Besonderes einfallen lassen.“

   „Ich schaff das schon,“ sagt sie ganz ungerührt, „brauche jetzt erst mal ein Bier für mich und meinen Freund hier. Dann gehen wir runter in den offenen Container und rauchen uns eine.“

Draußen, im Hof vor unserem Gebäude, muss man wissen, gibt es einen Container mit einer Sitzbank drinnen und Stühlen davor, damit die Seeleute an der frischen Luft sitzen können, wenn das Wetter gut ist.

Ihr Beschützer nickt zustimmend, legt den Arm um ihre Schulter.

 

   “Habt ihr doch kein Problem mit? Unten ist es schöner, da kann man ungestört quatschen. Hier ist zu viel Lärm. Zu viele Seeleute, “ fügt er hinzu.

   „Warum sollten wir“, sage ich, “wenn das alles ist? Ihr braucht ja nur raufkommen, wenn ihr Nachschub haben wollt.“

Und so kam es dann auch: alle zwanzig Minuten erschien einer von den Beiden, um sich „Nachschub“ zu besorgen. Mein Kollege, der sie unten besuchte, um mal nach dem Rechten zu schauen, erzählt mir, dass sie zum Bier zwischendurch einen Schluck Schnaps aus einer Pulle nähmen, die sie wohl vom Einkaufen mitgebracht hätten.

   „Die sind erwachsen,“ sage ich, “sie werden wohl wissen, was sie tun“

Als wir um 22 Uhr den Club schließen, sind die Beiden immer noch da. Während die Ungarin nach oben in den Club geht, um ihren Einkauf aus dem Kühlschrank zu holen, kommt ihr Freund auf mich zu, fällt mir spontan um den Hals und drückt mich fest an sich. Ich habe gar keine Chance zu entkommen, denke nur: hoffentlich hat er kein Covid, war ja in der Stadt einkaufen, der Bursche. Aber was soll es, nicht mehr zu ändern.

   „You are a friend , a real friend“, sagt er, „I love to be here, excellent place. Do you smoke?“.

Ich erkläre ihm, dass ich schon vor vielen Jahren damit aufgehört habe.

   „Schade,“ sagt er,“ hätte dir gerne eine Stange Zigaretten mitgebracht, um mich zu bedanken. Ihr wart wirklich super nett zu uns.“

Dann nach einigem Überlegen, schaut er mir ungläubig ins Gesicht.:

   „Du rauchst wirklich nicht mehr? Wie hast Du denn das geschafft? Das muss ich jetzt aber wissen. Welche Methoden oder Tricks hast du denn angewendet?“

   „Da helfen überhaupt keine Tricks,“ antworte ich ihm, „du musst dich nur entscheiden, ob du weiter rauchen willst oder nicht. Es ist ganz alleine deine Entscheidung. Du tust es nicht wegen deiner Gesundheit, deiner Familie, oder, weil Rauchen zu teuer wird. Diese extrinsische Motivation hilft nicht. Es hängt nur an Dir und deiner Entscheidung zu sagen:

Ich will einfach nicht mehr, ich hör jetzt auf, das ist meine letzte Zigarette gewesen!“

   „Hm,“ sagt er nachdenklich, „ob ich das schaffe? Kann es ja versuchen.

Und was ist mit dem Alkohol? Trinkst Du etwa auch keinen Alkohol?“

Ich amüsiere mich innerlich.

   „Eher selten,“ sage ich, „vielleicht mein Alter. Trinke schon mal einen Wein oder einen Schnaps, wenn ich Lust habe, sonst nur alkoholfreies Bier, das schmeckt auch.“

Er schaut mich an und schüttelt den Kopf. “Kaum zu glauben, so was. Da würden meine Frau und meine Tochter aber staunen.“

   „Versuchs doch erst mal mit dem Nichtrauchen,“ sage ich, „bei dem harten Leben auf See kannst du ruhig mal einen Schluck trinken, wenn du es in Grenzen halten kannst und natürlich nur in Maßen. Wenn ich monatelang auf See sein müsste, würde ich mir wohl auch von Zeit zu Zeit mal einen „hinter die Binde“ gießen, aber sicher nicht jeden Tag. Das wäre wirklich ungesund.“

   „In Maßen, natürlich nur in Maßen,“ murmelt er wie ein Mantra vor sich hin, „das ist es, danke für den Tipp mein Freund. Sollte ich wirklich versuchen. Wenn ich wiederkomme, werden wir ja sehen, ob ich es geschafft habe.“

Dann fällt er mir nochmals um den Hals und ruft nach seiner Begleiterin, die in der Zwischenzeit ihren Einkauf aus dem Kühlschrank geholt hat. Als sie auf uns zukommt, sehe ich, dass sie ganz schön schwankt und sich mehr recht als schlecht auf den Beinen halten kann. Zu viele kleine Schlucke aus der Schnapsflasche.

 „Tschüss ihr Lieben, seid vorsichtig und bleibt gesund,“ sage ich, „mein Kollege wird euch zum Schiff fahren, damit ihr uns nicht noch ins Wasser fallt.“

Als ich ins Auto einsteige und nach Hause fahre, winken sie mir fröhlich hinterher.  

 

aus: Small Talk, Geschichten aus dem Seemannsclub.                                                 c. Th.W.Bubeck

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