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Adalar von neuem erst zur Schlafkammer ging,

wenngleich – diesmal zog ihn ein Luftzug dorthin.

Merkwürdig, dass ihn in den letzten Tagen,

nicht störte, dass die Fenster offen lagen!

Er begutachtete den schiefen Kleiderschrank,

der, außer einiger Schlafhemden blank,

noch Motten-zerfressene Fetzen bot.

Auch der Nachttisch eigentlich gegenstandslos.

Er setzte sich. Das Bett hart, knarrte,

sein Blick auf der altweißen Decke verharrte,

die seine Mutter all die Monate,

wenn nicht Jahre dauernd zur Aussicht hatte.

In der Deckung geschlossener Augenlider,

umsäuselten ihn abermals Kinderlieder,

und im Niedertun stützte seine rechte Hand,

auf der hinteren Bettkante entlang der Wand.

Dort tastete er in der Verkleidung Risse,

wie in Holz oder Fleisch genagte Bisse.

Für einen natürlichen Kraftquell zu begrenzt, zu dicht!

Er schob die Liege beiseite, die Scharten ins Licht:

10 Paare, eins krakeliger als das nächst,

dem Anschein nach mit bloßen Fingern gefräst,

bis zur Zerbrechlichkeit. Uneben.

Darunter von Splittern und Schnippeln umgeben,

abgebrochene Nägel zu schneeigen Haufen,

wellig, bräunlich, blutunterlaufen.

Ein Kalender! Adalar verstand ihn zu lesen,

für 20 Jahre, die er nicht hier gewesen,

mit einer ausdrücklichen Warnung am Schluss.

Besorgt bis zum Ende:

“Geh nicht ins Fluss“

 

“Und Adalar, wie ist mein Befund?“

“Die Ärzte sagen, du wirst bald wieder gesund.“

“Erzog ich dich zum Schwindler?“

“Papa, ich kann nicht …“ – “Es ist in Ordnung, komm her.

Ich sah den Wagen auf mich ungebremst fahren.

Mich wundert vielmehr, dass sie fahrlässig waren.

Es war von Anfang an eine Frage der Zeit.

Mein Junge, es tut mir unendlich leid,

ich konnte dir als Vater nie liebevoll nützen,

weil wir gezwungen waren, dich zu beschützen.“

 

Schnellstens versuchte er an der Quelle zu sein.

“Thyia!“ – Er bemerkte ihren Körper rücklings auf einem Stein,

setzte sie auf, aber es war zu spät:

ihr Meeresblau hatte eine Bö fortgeweht,

und das Blut, das aus einer Hauptwunde wich,

wusch den Lebenstrieb aus ihrem Feengesicht.

Adalars Mund, schon vom Sprint atemlos,

saugte sich krampfhaft an jeden Luftstoß,

und hauchte wimmerndes Klageleid,

seinen ausbrechenden Tränen zum Geleit.

Hielt sie noch im Arm, als jemand auf ihn zukam,

Roy, aus einem Versteck im Geäst:

“Wieso?“ – “Weil der Fluss niemanden entlässt.“

 

Kapitel 9: https://poeten.de/forums/topic/38177-dunkler-fluss-erste-versgeschichte-kapitel-910

 

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