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CSD

 

Papageienbunt wälzt sich der Strom selbstbewusster, befreiter, lebensfroher Geister durch die breite Straße. Suzi Sorglos bewegt ihren geschmeidigen Körper sexy und lasziv
zu den dröhnenden Rhythmen aus den meterhohen Boxen. Suzi genießt es hier zu sein und so zu sein wie sie ist und dies aller Welt in aller Deutlichkeit demonstrieren und vorführen zu dürfen.
Sie ist jetzt sechsunddreißig und betrachtet ihren Weg als abgeschlossen, obwohl sie die endgültige geschlechtsangleichende Operation letztlich nicht hat durchführen lassen.

In Fachkreisen nennt man sie eine Preop-Transe, die sich nur den Busen machen ließ, aber ihren Penis letztlich behalten wollte. Trotzdem empfindet sie wie eine Frau und sie steht nur auf richtige Männer, möglichst älter als sie und unbedingt ganz maskulin sollten sie sein.


Natürlich gibt es in diesem Farbenspektakel alle möglichen Spielarten und Schattierungen von Menschen, die im Prinzip nur die Tatsache vereint, dass sie nicht ins gängige Heteroraster passen. Leben und leben lassen ist hier die Devise, getragen von Toleranz und herzlicher Aufgeschlossenheit.

Suzi weiß nicht, dass wenige Meter entfernt in der Mündung einer kleinen Seitenstraße Bodo Stürmer steht und seine Aktentasche fest vor seinen Bierbauch presst.
Bodo ist arbeitsloser Buchhalter und er hat freilich keine Akten in seiner Aktentasche, sondern eine seiner Sportpistolen. Diese ist durchgeladen und schussbereit, mit vollem Magazin.

 

Hass trieb Bodo hier her, denn er mag dieses schrille bunte Treiben nicht im Geringsten. Er sieht sich genötigt dieser kranken Unart, die hier zelebriert wird und die, immer mehr um sich greift und droht unsere Gesellschaft insgesamt dem Niedergang entgegenzuführen, Einhalt zu gebieten. Auch, wenn er sich selbstverständlich im Klaren ist, denn Bodo ist ja nicht verrückt, hier nicht endgültig einen Schlussstrich unter diese himmelschreienden Perversitäten setzten zu können, so ist er doch überzeugt, mit einigen Todesopfern schon ein deutliches Zeichen setzten zu können und auch im Sinne der schweigenden Mehrheit dieses Landes, die sich leider nichts traut, aber das Gleiche wünscht, zu handeln.

Bodo ist wie gesagt arbeitslos, aber nur, weil er nach seiner Scheidung anfing zu trinken. Das war eben Schicksal. Dass seine Frau aussagen würde, er habe sie immer wieder geschlagen, das entspricht ja auch so nicht den Tatsachen. Kann sein, dass ihm im Suff eins- zweimal die Hand ausrutschte, aber das ist doch eigentlich völlig normal. Männer sind eben so.

 

Bald wird Suzi Sorglos hier an der Straßeneinmündung vorbei tanzen und sicher wird allein ihr Anblick für Bodo eine unerträgliche Zumutung sein, sodass man sagen kann, wenn es passiert, Suzi habe auch provozierend gewirkt. Suzi ahnt davon natürlich nichts. Sie tanzt und freut sich, endlich so sein und leben zu dürfen, wie sie es sich schon seit ihrer Kindheit wünschte.
Zum Glück hatte sie tolerante Eltern, die sie in ihrer Selbstfindung stets unterstützten und die mit ihr die richtigen Fachleute aufsuchten. Das war ein Segen, dafür ist Suzi ewig dankbar.

Bodo hingegen ist für die Strenge und Gerechtigkeit seiner Eltern dankbar. Einmal hatte Bodo als Junge, nur so zum Spaß, den Slip seiner großen Schwester angezogen und vor dem Spiegel posiert. Zum Glück war sein Vater zufällig zur Tür hereingekommen und hatte die Schweinerei sofort erkannt und sie mit mächtigen Hieben und Tritten ein für alle Mal unterbunden.


Bodo ist überzeugt, dass dies mit der größte Glücksfall seines Lebens war und dass ihn dies zu dem ehrlichen, aufrechten und rechtschaffenen Menschen gemacht hat, der er heute ist.
Das Leben ist kein Zuckerschlecken, das weiß Bodo genau und unser Dasein ist nicht bunt und schrill sondern meistens grau und das ist auch besser so. Dadurch werden Krankheiten und Seuchen verhindert, die sich sonst schlagartig über ganze Nationen ausbreiten würden.


In der Bibel gibt es keine Schwulen, Transen, Lesben und was es noch alles für hanebüchenen Abartigkeiten geben soll und das alleine spricht doch schon Bände. Bete und arbeite, das ist das Los des Menschen und das ist gut so. Und seit fruchtbar und mehret euch, da steckt alles drin, mehr braucht es nicht.

Die ahnungslose Suzi lässt die Hüften kreisen und wechselt tiefe Blicke mit dem pensionierten Dachdeckermeister Richard, der seine echte Sexualität erst sehr spät erkannte und diese jetzt endlich ausleben will, bevor es zu spät ist. Solche Wesen wie Suzi betrachtete er bisher nur fasziniert im Internet. Aber er plant, sich ranzuschmeißen und die Chance zu nutzen. Suzi hat wahrlich nichts dagegen, das spürt man sehr deutlich, sie fühlt, das könnte der Richtige sein.

Suzi tanzt nun gerade ins Blickfeld von Bodo, der wie zu erwarten von ihr mehr als angewidert ist. So ein Dreckstück darf es nicht geben. Das ist seine unumstößliche Meinung. So etwas muss ausgelöscht, verhindert und vernichtet werden. Wenn Kinder so etwas sehen, werden sie auch auf die schiefe Bahn geraten und dann breitet sich dieser Dreck wie ein Coronavirus aus. Und dafür gibt es keine Masken. Schon gleitet Bodos Hand ins Innere seiner Aktentasche und tastet nach dem Griff seiner Schussbereiten.

 

Da rummst es. Bodo fährt zusammen. Nur eine Konfettikanone, aber sie verpixelt die Sicht auf Suzi und sie erschreckt Bodo, der etwas sensibel ist, so sehr, dass er herumfährt und die Seitenstraße hinunterrennt wie von Höllenhunden getrieben.

Suzi tanzt schon wieder. Diesmal auf der Aftershowparty im Club. Sie tanzt mit Richard, dem maskulinen Dachdeckermeister und es ist schon weit nach vier. Richard hat seine Hände überall und Suzi fühlt sich angekommen und angenommen und sie lacht lauthals.

Bodo hingegen sitzt zerknirscht auf dem ramponierten Sofa in seiner billigen Einzimmerbude und rührt sich eine wilde Mixtur aus allen Tabletten, die er noch in seinem Arzneischränkchen finden konnte in sein letztes Bier. Diese heruntergekommene Welt kann er nicht mehr länger ertragen. Man muss Verständnis haben für diesen armen Mann.

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Geschrieben

Hallo!

 

Ein Statement für bunte Vielfalt. In der Bibel steht davon nichts, weil sie von konservativen Männern geschrieben wurde. Vielen unglücklichen Menschen gefällt es nicht, wenn andere ihr Leben und ihre Freiheit ausleben. Sehr schön geschildert, danke

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