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Rainer Maria Rilke ~ An den Engel 14.1.1913


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Geschrieben am

An den Engel

 

Starker, stiller, an den Rand gestellter
Leuchter: oben wird die Nacht genau.
Wir vergeben uns in unerhellter
Zögerung an deinem Unterbau.

Unser ist: den Ausgang nicht zu wissen
aus dem drinnen irrlichen Bezirk,
du erscheinst auf unsern Hindernissen
und beglühst sie wie ein Hochgebirg.

Deine Lust ist über unserm Reiche,
und wir fassen kaum den Niederschlag;
wie die reine Nacht der Frühlingsgleiche
stehst du teilend zwischen Tag und Tag.

Wer vermöchte je dir einzuflößen
von der Mischung, die uns heimlich trübt?
Du hast Herrlichkeit von allen Größen,
und wir sind am Kleinlichsten geübt.

Wenn wir weinen, sind wir nichts als rührend,
wo wir anschaun sind wir höchstens wach;
unser Lächeln ist nicht weit verführend,
und verführt es selbst, wer geht ihm nach?

Irgendeiner.  Engel, klag ich, klag ich?
Doch wie wäre denn die Klage mein?
Ach, ich schreie, mit zwei Hölzern schlag ich
und ich meine nicht, gehört zu sein.

Dass ich lärme, wird an dir nicht lauter,
wenn du mich nicht fühltest, weil ich bin.
Leuchte, leuchte!   Mach mich angeschauter
bei den Sternen. Denn ich schwinde hin.
 

Rainer Maria Rilke, 14.1.1913, Ronda
Das Inselschiff 8 und Gesammelte Werke III

Bild: Piotr Topolski
Music: Gregor Quendel

Rezitation: Uschi Rischanek

  • Schön 3
Geschrieben

Hallo Uschi,
was für ein hilfesuchender Klageruf an den Engel der Erlösung. Man kann es kaum glauben wie zeitlos Rilkes Gedichte ihren Zauberbann verstreuen. Mal wieder sehr einfühlsam gesprochen und passend vertont.
Es ist immer wieder ein Genuss deinen "alten Meister-Auferstehungen" zu lauschen.
LG
Perry

  • in Love 1
Geschrieben

@Perry Sei auch hier ganz herzlich bedankt lieber Perry! Gerade Rilke ist einer, dessen Inhalte man nahezu zeitlos verstehen vermag, wenn man es vermag zu verstehen... Ich habe bewusst dieses ganz besondere rein gesangliche Stück als Background genommen und siehe da, es kam auch andernorts, sogar in der recht kritischen Rilke Gruppe überaus gut an. Ich kenne einige Rilke Interpreten von denen manche, Rilke Texte in so einer Art Sprachgesang intonieren, ganz eigenartig anmutend aber ebenso ansprechend.

Wie schön, wenn hier die Möglichkeit gegeben wurde, gerade diese Texte dieser so wunderbaren Poeten und vorallem Philosophen wieder ein kleinwenig aufleben zu lassen!

Mit lieben Grüßen!
Uschi

  • Gefällt mir 1

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