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Bekenntnisse eines Tiefstaplers (Tagebuchfragmente) (In Frauengefängnissen)

 

Dieses Tagebuch folgt freilich nicht der Chronologie, des in unseren Breiten üblichen Kalenders, sondern der Chronologie meiner, zufällig,

wie aus dem Nichts hereinbrechenden Gedanken, die von mir Besitz nehmen, während ich ein menschliches Dasein friste in dem,

durch scheinbar unabänderliche physikalische Prozesse gesteuerten, galaktischen Raumzeitkontinuum.

Mir geht das täglich mehr auf den Keks, aber ich habe noch kein Mittel, gegen diese Absonderlichkeiten, die sich als Notwendigkeiten tarnen, gefunden.

Heute Morgen befiel mich die Erkenntnis, schon viele Jahre meines Lebens in Frauengefängnissen verbracht zu haben.

Damit meine ich hier, entgegen der üblichen Definition, Gefängnisse, deren Direktorinnen und Wärterinnen Frauen sind und in denen ich als einziger Gefangener gehalten werde.

 

Heute sind es konkret, eine nervenschwache, depressive, stets lebensüberdrüssige Mutter und eine geistesschwache, ältere,

ins Heim gegenüber verfrachtete, Schwester, die mich in Schach halten, weil die Welt, die Menschen und letztlich auch ich, der Ansicht sind,

als Sohn und Bruder fiele mir die Aufgabe zu, durch permanente Anwesenheit und Hilfestellungen aller Art, das Los dieser beiden Unglücklichen, so gut es geht noch etwas zu erleichtern.

 

An einen Konzertbesuch, einen Ausflug oder gar eine kleine Reise, darf ich keinen Gedanken verschwenden, so etwas ist völlig unmöglich

und es würde mindestens den Tod, meiner Mutter unweigerlich nach sich ziehen.

 

Am Anfang meiner Bewusstwerdung, lernte ich meine Mutter, als nährendes und förderndes Wesen kennen,

das mich sogar unter Schmerzen gebar. Fast wäre sie gestorben, weil ich mich gegen das Geborenwerden sehr sträubte.

Die Hebamme kam bei der damals noch üblichen Hausgeburt an die Grenzen ihrer Macht und konnte Mutter und Sohn nur mit großer Mühe retten.

 

Früher empfand ich immer starke Schuldgefühle, wenn mir meine Mutter diese Geschichte immer und immer wieder auftischte

und schwieg dabei betroffen oder ich flüsterte ungenügende Entschuldigungen. Vor vier Wochen stammelte ich dabei zum ersten Mal,

ich sei doch ein Kind gewesen und hätte keine Schuld an der Situation gehabt. Wer weiß, woher ich plötzlich diese dreiste Erkenntnis nahm.

Meine Mutter schaute mich darauf lange finster an, ohne ein Wort und es machte den Eindruck, in diesem Augenblick erkannte sie erst wirklich,

was für ein verworfenes, undankbares Geschöpf ich immer schon gewesen war.

 

Später, vielleicht schon zu spät, lernte ich meine erste Freundin kennen, die ich bis heute für das größte Geschenk des Universums

an mich und gleichzeitig, für das größte Unglück, das mir je widerfuhr, halte.

 

Ich konnte mich dieser Freundin nicht voll widmen, weil meine Mutter unglücklicherweise in dieser, für mich so Glück verheißenden Zeit,

von starken Depressionen geplagt wurde. Ich erinnere mich genau, diese lebensmüde Frau damals Nachts mehrfach in der Scheune

unter dem Heuwagen hervorgezogen zu haben und einmal sogar splitternackt aus der Badewanne, in die sie gerade im Begriff war, den Föhn hineinfallen zu lassen.

So rief sie jedenfalls durch die geschlossene Tür zu mir hinaus, sodass ich mich gezwungen sah, die Regeln des Anstands zu brechen und die Tür aufzubrechen,

um meine liebe, total verzweifelte Mutter zu retten.

 

Komischerweise fehlen mir jegliche Erinnerungen an den Verbleib und Aufenthalt meines Vaters in diesen schweren Zeiten,

der aber definitiv mit Mutter verheiratet war und im gleichen Haus wie wir wohnte. Soviel ist ganz gewiss.

Erst als Mutter von ihrem Hausarzt in die Psychiatrie eingeliefert wurde, nahm meine Beziehung zu meiner ersten Freundin

richtig Fahrt auf und trotz schlechten Gewissens meiner armen Mutter gegenüber, hatte ich den besten Sex meines ganzen Lebens und fühlte so etwas wie Glücklichsein.
 

  • in Love 2
  • Traurig 2
Geschrieben

Hallo Hera,

es ist die Allgewärtigkeit im permanenten Rundumuns, der wir uns wohl zeitlebens nicht zu entziehen vermögen.

Nur der, der völlig frei von Verpflichtungen jeglicher Art und Weise zu existieren vermag, vermag sich ganz nach seinem Gutdünken zu entwickeln und zu entfalten. Selbst da sind wir immer noch den Äußerlichkeiten unterworfen die uns auf die übleste Art und Weise manch Streiche spielen.

Welch großen Einfluss dabei die Eltern schon von frühester Kindheit haben, mag man erst dann erkennen, wenn die Unbekümmertheit (wenn es denn je soetwas überhaupt gab in einem Leben) einer unbeschwerten Jugend schon längst sich in Luft verflüchtigt hat.

Der Eigennutz oder nennen wir es einmal besser die Egozentrik mancher Menschen kann dabei verheerend in den Auswirkungen sein. Wer aus so einer Zwangssituation irgendeinmal dann einigermaßen heil herauskommen mag ist entweder von keiner allzugroßen Intelligenz gezeichnet und schon zuvor abgestumpft, oder aber schlichtweg schon in den Grundfesten zermürbt und mölicherweise mit Gleichgültigkeit ummantelt, die man sich aber nicht als praktikablen Schutzmantel einfach umzuhängen vermag.

 

Ein intelligenter Mensch kann versuchen dies zu verarbeiten, egal auf welche Art und Weise, bevor er daran zerbricht oder zugrunde geht.

Ein sehr dunkelgrauer Text der nachdenklich macht aber auch gespannt auf etwaige Fortsetzung...

Ein gutes neues Jahr für dich, mögen sich Wünsche erfüllen und viele inspirierende Momente einstellen!

 

Liebe Grüße,

Uschi

  • Danke 1

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