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Ort: ein Verhörraum, der Angeklagte sitzt auf einem Stuhl und wird während der Befragung von einer Kamera gefilmt. Der Fragensteller bleibt wort- und gesichtslos.

 

„Ja, ja mir wird langsam warm, danke.“

Unklares Getuschel. Der Gefilmte schnürt die Decke fester um sich und schlürft etwas dampfendes aus einer Tasse

„Der Tee ist gut, ja.“

Kamera zoomt. Das Gesicht verschwindet hinter der Tasse, wird rauchend wieder freigegeben.

„Was passiert ist? Ja das wissen sie doch.“

„Erklären. Ich bin in den Fluss gefallen.“

„Ja, getrunken hatte ich schon auch.“

„Wie viel ist schwer zu sagen. Einiges.“

„Darüber möchte ich lieber nicht sprechen.“

Es wird geschwiegen und geschlürft.

„Ich habe nicht gesagt, dass ich sie umgebracht habe, weil ich betrunken war, sondern dass ich zufällig betrunken war als ich in den Fluss fiel.“

„Ja, kann sein. Vielleicht bin ich auch in den Fluss gefallen, WEIL ich betrunken war.“

Er zieht die Augenbrauen zusammen, der Mund wird spitz.

„Ich weiß nicht, wann ich angefangen habe zu trinken. Vermutlich mit 21.“

Achselzucken unter der Decke.

„Achso, an jenem Tag. Na, bevor ich in den Fluss fiel.“

„Ich war auf der Brücke, weil ich etwas in den Fluss schmeißen wollte. Ich habe den Halt verloren.“

„Das wissen sie doch genau.“

„Sie wissen es doch. Sie wollen bloß, dass ich das persönlich in diese blöde Kamera spreche.“

„Sie gehen mir auf die Nerven. Also was wollte ich in diesen verdammten Fluss werfen: Arme. So jetzt haben sie es. Sind sie jetzt glücklich? Ist es das, was sie hören wollten?“

„Die Wahrheit. Ach Kindchen. Wer will denn schon die Wahrheit hören.“

„Achso. Sie.“

„Na das war die Wahrheit, ich wollte Arme reinwerfen.“

„Natürlich nicht meine.“

Hält seine Arme provozierend in die Kamera. Lässt sie kreisen und seine Handflächen von allen Seiten bestaunen. Winkelt den rechten Arm an und spannt den Bizeps, kichert jugendlich, bevor er seine Arme wieder unter der Decke verbirgt.

„Obwohl de facto meine Arme AUCH in den Fluss gefallen sind.“

„Sie wollten die Wahrheit. Zwei paar Arme sind in den Fluss gefallen“

„Ich scherze nicht.“

Seufzt.

„Na gut.“

„Nur die Arme, ja. Die Beine hatte ich vorher schon versenkt.“

„Ich dachte, dass es viel schwieriger ist die Beine wegzuschaffen, deshalb wollte ich die zuerst vom Tisch haben.“

„Auch im Rucksack. Ja.“

„Na ich habe die Beine überkreuzt, wissen Sie, wie bei einer vornehmen Dame eben. Dadurch haben sie mit etwas Mühe reingepasst. Gott sei Dank. Ich dachte erst ich müsse noch die Füße abhacken und diese im Seitenfach verstauen, aber mit einem Ruck ging der Reisverschluss doch zu.“

„Sehr froh, denn Füße mochte ich noch nie.“

„Ich fasse sie einfach nicht so gerne an, ich weiß nicht, woran das liegt.“

„Ich meine, natürlich hatte sie jetzt keine hässlichen Füße, aber trotzdem. Socken tuen den Füßen schon gut.“

„So ganz allgemein jetzt.“

„Ja, sie trug gern Nagellack.“

„Aha roten also. Nein das ist mir tatsächlich nicht aufgefallen als ich überlegte die Füße abzusägen“

Senkt den Blick

„Aber wie gesagt, war ja nicht nötig. Ging so rein.“

„Naja und dann habe ich den Rucksack auf den Rücken gehievt und bin zum Fluss gegangen.“

„War schwer, ja.“

„Angefühlt… mh na schwer halt. Ich meine, sie war ja schon schlank, also war ich sehr überrascht das die Beine so schwer waren. Das kann man glaub ich schlecht schätzen, das Gewicht von einzelnen Körperteilen. Kann man meistens auch schlecht wiegen.“

Guckt an sich herunter.

„Oder wissen Sie das? Wie schwer die Beine Ihrer Frau sind?“

„Ne ne, ich will es ja gar nicht wissen. Ich frage mich ja nur, ob SIE es wissen.“

„Ach wollen Sie gar nicht. Auch gut.“

„Jetzt werden sie mal nicht gleich pampig, ICH habe überhaupt kein Interesse an den Beinen ihrer Frau. Ich wollte nur sagen, dass es halt schwer zu schätzen ist… ach egal.“

„Nein ich drohe weder Ihnen noch Ihrer Frau. Halleluja ist das anstrengend. Nur weil ich die Beine MEINER Frau im Fluss versenkt habe, heißt es nicht das ich Interesse daran habe die Beine IHRER Frau abzusäbeln. Ich mache das nicht gerne, das können sie mir glauben.“

„Nein natürlich nicht. Ich bin doch kein Monster. Das war ganz schön eklig. Und anstrengend. Sie können sich gar nicht vorstellen wie fest diese Körperteile miteinander verwachsen sind.“

„Ja, wirklich schwierig.“

Stellt die Tasse beiseite. Die Decke gibt nun die Schultern frei.

„Warum? Aus Verzweiflung…. Und aus praktischen Gründen“

Die Schultern hängen.

„Naja ich habe mir den Rucksack ja nicht zu DIESEM Zweck gekauft, den hatte ich schon vorher und da musste sie rein“

„Nie im Leben passt da so eine große Frau rein“

„Auch tot nicht nein.“

„Klar. Denken Sie etwa ich habe gleich angefangen die zu zersägen? Ne. Habe mir erst überlegt, ob es vielleicht mit der Reisetasche geht, aber die machte keinen so stabilen Eindruck.“

„Der ist reißfest, aber leider kleiner“

„Erst die Beine, wie gesagt, das macht ja schon mal knapp die Hälfte aus.“

„Wie es halt am sinnvollsten wäre, wie viel Masse meine Frau besitzt und wie viel Kubik der Rucksack, ich dachte, wenn die Hälfte geschafft ist, ist der Rest vielleicht kinderleicht.“

„Zerhackstückeln ist jetzt schon ein bisschen grausam, überlegen Sie mal, was Sie da sagen. Sie reden hier immerhin von meiner Frau.“

„Natürlich. Wir waren seit 9 Jahren verheiratet“

„Ich habe nicht gesagt das es mir leicht fiel meine Frau zu…portionieren. Als ich beim ersten Bein am Oberschenkelknochen hing, habe ich fast überlegt aufzugeben. Aber als es dann endlich ab war, hatte ich genug Ehrgeiz für das zweite.“

„Das ging tatsächlich leichter“

„Eher sägende Bewegungen. Nicht zu viel Druck. Und schön gleichmäßig.“

„Ja erinnert einen schon an Holzsägen. Obwohl das natürlich viel einfacher ist.“

„Sie haben ja meine Wohnung gesehen, das war eine riesige Sauerei. Beim Holz hat man halt nur eine Struktur, Holz, aber das Bein war wie ne Zwiebel, ständig bin ich auf neues Gewebe gestoßen.“

„Ja schon schlimm. Auch diese Geräusche. Wirklich.“

„Ne gut gerochen hat es auch nicht.“

Verzieht den Mund zu einer Schnute.

„Zuhören kann nicht schlimmer sein als es tatsächlich MACHEN zu müssen.“

„Nicht direkt gezwungen, aber eine Wahl hatte ich auch nicht.“

Seufzt ausgiebig und schaut verständnislos in die Kamera.

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