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Hätte ich gerne einen Guru, dem ich blind vertrauen und folgen könnte?

 

Die Frage hätte ich gefühlt vor einigen Jahren innerlich wohl mit Ja beantwortet und äußerlich mit Nein, denn ich denke, wenn ich mich selbst rückblickend betrachte, dass ich mich verloren hatte oder besser gesagt, ich hatte mich nicht gefunden.

 

Vor einigen Jahren habe ich mich auf einen Weg gemacht zu mir selbst. Zunächst war mir das aber selbst gar nicht klar. Ich habe einfach angefangen mich zu hinterfragen und hatte das Glück auf Menschen zu stoßen, die mich immer mal wieder angestupst haben, auf die ein oder andere Weise. Und so bin ich lange immer noch verwirrt durch mein Leben gestolpert bis mir immer klarer wurde, dass ich mein eigener Leuchtturm bin im Leben. Das ich mir und für mich, der beste Weggefährte bin und vor allem dass ich mein ganzes Leben mit mir wandern werde, in meinem Universum, ob ich will oder nicht und dann ist es doch viel viel schöner, wenn man seinen Weggefährten mag oder sogar liebt 🙂 Und so bin ich auf die Reise zu mir selbst gegangen, um die Liebe zu mir zu finden.

 

Also könnte ich sagen, ich bin schon mein Guru für mich selbst 🙂 und ich vertraue mir und meinem Bauchgefühl gerne und immer wieder 🙂 … aber blind oder blindlings? Nein! Denn das würde bedeuten, ich würde mich nicht mehr selbst entwickeln wollen und nicht anerkennen, dass ich auch Fehler mache, dass ich so wunderbar holzköpfig auf mein Gesicht fallen kann, mir ordentlich weh tue dabei und es nicht erkennen würde oder dass ich jemanden verletzte mit meiner Art und und und. Ich würde dann denken ich würde mir immer »Das Absolut Richtige« erzählen. Das wäre falsch und noch mehr, es wäre arrogant und herablassend gegenüber den Menschen, die ich liebe und die ich wertschätze und es wäre ebenso arrogant und herablassend mir gegenüber und würde mir auch völlig meine Chancen nehmen, mich weiter zu entwickeln. Weil, wer könnte mir dann schon etwas erzählen, was ich nicht schon besser wüßte, wenn ich so denken würde, oder?

 

Ich brauche keinen Guru der mich leitet. Ich brauche Leben das mich begleitet, Menschen die mir Sichtweisen und Geschichten erzählen und ich brauche mich, um das alles für mich zu ordnen, damit ich für mich entscheide und meinen Weg weiter gehe, für mich und für keinen anderen oder dessen Denken, Ansichten, Glauben oder Handeln.

 

Die Frage geht in Richtung Glauben und Lebensführung und Lebensweisheit. Ich habe großen Respekt vor Menschen, die etwas bewußt und tief glauben und ich denke, es ist nicht verkehrt zu glauben, an Gott oder an Odin oder an die Natur oder an den großen Toaster oder an was auch immer man glauben möchte. Doch glaube ich auch, dass diese Menschen, die einen bestimmten Glauben haben, sich mit ihrem Glauben auch intensiv auseinandersetzen müssen und auch hier nicht alles für gegeben hinnehmen sollten, was ihnen so wunderbar einfach vorgesetzt wird und sie lediglich zugreifen müssen.

 

Nehmen wir den christlichen Glauben. Wie ist die Bibel entstanden? Durch Männer und vor langer, sehr langer Zeit. Einer Zeit, die mit unserer Kultur und unseren Werten auch so, überhaupt nicht mehr übereinstimmt. Was nicht bedeutet, dass alles nicht mehr stimmt was dort niedergeschrieben wurde. Nächstenliebe und Menschlichkeit, sind tolle Werte, die auch in der Bibel stehen und zu diesem Glauben dazugehören. Aber wenn ich lese, dass Eva aus der Rippe von Adam geformt wurde, da wird mir klar, warum das Männer geschrieben haben. Wenn ich sehe, dass Jesus lediglich Männer in seiner Jünger-Gang hatte, dann wird mir klar, dass es eine völlig andere Kultur früher und Denkweise war, die ich heute absolut ablehne! Wenn ich sehe, wie sich die Kirche mit vielen Themen so unendlich schwertut: Homosexualität, ihre eigene brutale und todbringende Geschichte aufzuarbeiten, Diversität im Allgemeinen, Sicht auf Geschlechterrollen usw., da wird mir ehrlich ziemlich übel dabei und ich frage mich ernsthaft, wie kann man da noch an die Kirche und deren Werte glauben, diese vertreten und nicht die Themen kritisch betrachten, sondern alles einfach hinnehmen? Klar, einige Menschen tun das ja auch, dass ist mir bewußt.

 

Auch mit anderen Denkweisen habe ich mich teilweise auseinandergesetzt, weil ich das Gefühl hatte, ich brauche Führung. So habe ich mich ein wenig in den buddhistischen Glauben eingelesen und musste feststellen, dass es dort tolle Gedanken und tolle Ansichten gibt, die ich gut nachvollziehen kann. Bei näherer Betrachtung des Buddhismus musste ich aber auch wieder feststellen, dass es von einem Patriarchat bis heute geprägt ist und es da auch keine wirkliche gesellschaftliche freie und offenen Ansichten gibt. Alles unterliegt den Grenzen des Glaubens und ist nicht für alle Menschen da. Es gibt Einschränkungen und Denkmuster die einem zu denken geben sollten, meiner Meinung nach.

 

Weiter auf der Suche nach Antworten, habe ich auch Denker und Weise Menschen mir angeschaut. Nicht sehr viele, aber doch ein paar. So bin ich durch Zufall auf Jorge Bucay gestoßen, einen argentinischen Therapeuten, der Bücher schreibt über Menschlichkeit, Liebe, unsere Gesellschaft, Normen und Ansichten usw. Das erste Buch welches ich von ihm gelesen habe ist »Komm, ich erzähl dir eine Geschichte« und ich habe viel darin gefunden, was ich schon für mich selbst entdeckt hatte, hatte beim lesen also einige Deja Vu Momente und vieles, was ich neu, toll und interessant fand und so aufgesogen habe, wie einen Schwamm. Auch ein zweites Buch über Erziehung, welches ich gerade lese, finde ich toll und total spannend in seinen Argumenten und Ansichten beschrieben und ich kann es aus völlig offenen Gedanken und Gefühlen und ehrlich gemeintem reinen Herzen auch völlig empfehlen, es zu lesen. Aber, ich musste auch für mich erkennen, dass ich, auch wenn ich vieles toll finde an seinen Ansichten, doch für mich selbst denken sollte und will und werde und mir selbst überlege, was ist gut und was nicht und das für alles, was ich in mich aufnehme.

 

Ein Schlüsselmoment für dieses selbstständige Denken war, als ich eine Rezension zu einem Buch von ihm gelesen habe. Dort hat ein Mensch zu einem Buch von ihm, welches ich nicht habe, einige Dinge zum Thema Homosexualität geschrieben, denn scheinbar gibt es da irritierende Aussagen im besagtem Buch, die darauf hindeuten könnten, dass Jorge homophobe Gedankenmuster in sich trägt. Wie ausgeprägt kann ich nicht einschätzen und ob es überhaupt so ist auch nicht, denn es war ja eine einzige Wahrnehmung, eines einzelnen Menschen. Und mir geht es auch jetzt nicht darum zu analysieren, ob Jorge wirklich Probleme mit homosexuellen Menschen hat oder generell mit queeren Gedanken oder so etwas. Wenn ich persönlich so etwas wahrnehmen würde, lehne ich es Grundweg und ohne Frage komplett ab, denn ich bin offen und tolerant und glaube jeder Mensch sollte, darf und muss sich selbst finden und definieren. Kann aber nicht ausschließen, dass ich nicht auch etwas irgendwo, gerade unbewußt, in mir selbst trage, was ich selbst vielleicht ablehne, was mir irgendwann eingeflüstert worden ist und ich irgendwo in mir verankert habe. Wenn ich dieses merken würde oder es mir bewußt wird, würde ich mich dem aber stellen und mich selbst hinterfragen. Und dies soll jetzt hier auch keine Ausrede sein oder werden, für solche dummen und diskriminierenden Gedanken. Mir geht es darum, dass ich erkannt habe, dass ich immer gut zuhören muss, dass ich immer meine Entscheidung selbst treffen muss und dass ich nicht alles glauben und alles wissen kann und dass es keinen Menschen gibt und keinen menschengemachten Glauben, der alles weiß, der alles richtig macht und der vollumfänglich alle Menschen gleich behandelt und würdigt und wertschätzt (aber vielleicht gibt es ihn irgendwann, vielleicht auch für mich).

 

Auch kein einzelner Mensch, wie ein Guru oder ein Weiser Mensch oder ein geistlicher Führer oder ein spiritueller Führer, wird das je können oder hat das je getan, meiner Ansicht nach. Weder Buddha, Jesus, Ghandi, Luther, Mutter Theresa, Mohamed, Martin Luther King oder andere Menschen. Ich kann jedem raten, selbst zu denken und selbst für SelbstErleuchtung zu sorgen, für sich selbst und seinem bewußten IchSein und auch das kann für jeden völlig individuell sein. Der eine findet sich in dem einen Glauben komplett wieder und der andere nicht. Ich selbst finde mich darin wieder, dass ich für mich gerne dazulerne, vieles aufsauge und darüber nachdenke.

 

Aber niemandem außer mir selbst, werde ich die Zügel für mein Denken und Handeln übergeben und das mit meiner absoluten Gewissheit, dass ich für mich selbst, nicht immer eine Richtung einschlage, die immer das Sinnvollste, Beste oder Klügste für mich und mein Leben ist oder sein wird oder gewesen ist.

- Mike G. Hyrm

 

 

 

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