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Ein Aktivist hatte eine breite Debatte losgetreten, als er bei Markus Lanz moniert hatte, alle Mitglieder der Familie Ostern seien Hasen und man brauche heutzutage mehr Diversität. Deswegen trat nun Jojo der Bär sein zweiwöchiges Praktikum bei der Familie Ostern an.

"Du willst also Osterhase werden?", fragte Charly, das älteste und kleinste der Geschwister Ostern: “Ich wusste immer, dass ich dein Vorbild bin.”

"Ich glaube, es heißt heute 'Ostergutverteilungskraft'", sagte Witi.

"Sagt man nicht 'Fachkraft für Osterlogistik'?", fragte Withi, Witis Zwillingsbruder.

Beide sahen Jojo erwartungsvoll an.

"Ich wurde vom Gericht dazu verurteilt, hier zu sein", stellte Jojo mit träger Stimme richtig.

"Das nenne ich Karma", kicherte Charly.

"Du hast mir den Brand doch in die Schuhe geschoben. Ehrlich, wer kommt auf die Idee, mit brennenden Fackeln zu jonglieren? IN EINEM AUTO?!” 

“War ja nicht mein Auto”, sagte Charly, als würde das die Sache besser machen.

Zu Jojos großem Entsetzen wurde beschlossen, dass er mit Charly auf eine Tour gehen sollte. Witi und Withi begründeten das damit, dass jener ja der älteste der Brüder war und damit die meiste Erfahrung weitergeben konnte. In Wahrheit hatten sie nur die Hoffnung, Jojo könnte Charlys Unsinn etwas ausbremsen. 

 

So standen der rosa Hase und der grüne Bär im ersten Garten ihrer heutigen Route. 

“Okay, wir brauchen gute Verstecke für die Ostereier”, sagte Charly: “Hast du Vorschläge?”

Jojo sah sich kurz um und sagte dann: “Naja, hinter der Gießkanne zum Beispiel. Oder unter der umgedrehten Schubkarre.” 

“Das sind ja die dümmsten Verstecke, die ich je gehört habe”, lachte Charly: “Kein Wunder, dass du es nie geschafft hast, Osterhase zu werden.”

Jojo rieb sich die müden Augen und atmete tief durch. Er dachte darüber nach, die Richterin zu fragen, ob er nicht doch lieber ins Gefängnis gehen könnte. 

“Wo würdest du sie verstecken?”, seufzte er.

“Alsoooo”, fing Charly an und Jojo bekam direkt Kopfschmerzen: “Wir packen die Eier in eine Plastiktüte und vergraben sie im Blumenbeet, so etwa einen Meter tief. Am besten pflanzen wir eine geschützte Blume darüber, dann dürfen die da nicht buddeln.”

“Die Kinder sollen die doch finden”, erklärte Jojo und riss Charly den Beutel mit den Ostereiern aus den Händen. Er würde sie einfach selbst verstecken, damit diese Tortur schnellstmöglich zu Ende ist. 

“Ich glaub, du verstehst die Definition von ‘Versteck’ noch nicht ganz”, sagte Charly: “Ich wusste, das würde ein schwieriger Fall werden.”

Jojo versuchte, den Hasen einfach zu ignorieren. Das war ihm leider noch nie sonderlich gut gelungen. 

“Hm, lass mich überlegen”, sagte Charly: “Wo würden Eier am wenigsten auffallen? Ich hab’s: Wir bauen einfach einen Hühnerstall.”

Das würde ein verdammt langer Tag werden, dachte sich Jojo, während er ein Versteck für das letzte Ei suchte. Mit Kopfschmerzen und diesem ständigen schrillen, rosa Tinnitus im Ohr war es allerdings schwierig, sich auf irgendwas zu konzentrieren. Naja, ein bisschen einfallslos vielleicht, aber immer noch besser, als würde Charly es verstecken, dachte Jojo, als er das Ei hinter einem Baumstamm platzierte. 

“Okay, wir können weiter”, sagte er. 

“Wir müssen noch den Schokohasen verstecken”, sagte Charly und überreichte Jojo etwas.

“Charly, das ist nur die Verpackung”, sagte der Bär: “Die halbe Verpackung. Mit Bissspuren. Hast du versucht, die Verpackung mitzuessen?”

“Die meisten Vitamine sind in der Schale, du Idiot.”

So oder so ähnlich ging das die nächsten Gärten auf der Route weiter. Jojo suchte einigermaßen gute Verstecke, während Charly seine Vorstellungen von guten Verstecken präsentierte. 

“Glaubst du, wir bekommen die Katze dazu, die Eier runterzuschlucken?”, fragte er.

“Nein”, antwortete Jojo. 

“Könntest du die Eier runterschlucken?”

“Nein.”

“Hm. Weißt du, es gibt noch die andere Möglichkeit.”

Jojo zog sich vorsichtshalber auf die andere Seite des Gartens zurück. Und er versuchte, Charly nicht den Rücken zuzudrehen. Außerdem verscheuchte er die Katze zu ihrem eigenen Schutz. Er würde diesen Tag schon irgendwie überstehen. Und den nächsten auch. Und den Rest der Woche. Und die nächste auch. Das Gefängnis wurde immer verlockender.

Ein Klirren von etwas Metallischem, das zu Boden gefallen war, kam aus Charlys Richtung und Jojo traute sich gar nicht, zu gucken, was der Hase jetzt wieder ausheckte. Als er doch guckte, sah er, dass Charly einen Sicherungskasten an der Wand aufgebrochen hatte und nun ein Osterei darin platzierte.

“Hihi, das finden die Kinder nie”, kicherte er dabei vergnügt.

Wie lange bekam man für Mord?

 

"Guck mal, ich bin du", sagte Charly im nächsten Garten und hielt sich ein großes, grünes Blatt, das er von einer Pflanze im Beet abgerissen hatte, vors Gesicht. Anscheinend hatte er es jetzt aufgegeben, Verstecke zu finden, aber natürlich nicht, Jojo zu nerven.

"Hallo, ich bin Jojo, der Bär", imitierte er den Bären: "Ich bin grün und denke, ein lila Strampelanzug wäre modisch, obwohl das voll lächerlich aussieht. Und ich will unbedingt Osterhase werden, obwohl ich die schlechtesten Verstecke überhaupt habe." 

Während Charly kichernd durch das Beet lief, fragte Jojo sich, wo er bis zum nächsten Tag einen Hasenkäfig herbekommen könnte. Er hörte den Hasen seinen Namen rufen, wusste aber nicht genau, ob der das wirklich tat oder ob er selbst schon halluzinierte. So oder so hatte er nicht vor, darauf zu reagieren. Doch etwas Kleines traf ihn jetzt zusätzlich zu jedem “Jojo” am Hinterkopf oder am Rücken. Charly hatte wohl die Kieselsteine entdeckt. Und da sie ihn mit zunehmend mehr Wucht trafen, musste Jojo dann doch nachgeben und sich zum Hasen umdrehen. Der fuchtelte mit einem Strauß Margeriten herum, die er aus dem Beet gerissen hatte, und kicherte: “Ich kenne einen ehemaligen Cowboy. Der hat auch ma’ geritten. CAPISCE! Mal geritten auf ‘nem Pferd und das klingt wie Mageriten.” 

Es war nicht gut, dass Charly die kleineren Kiesel entdeckt hatte. Es war noch schlechter, dass er jetzt auch die größeren Steine daneben entdeckt hatte.

“Glaubst du, ich treffe von hier in den Blumentopf dahinten?”, fragte er. 

Er traf nicht in den Blumentopf. Er traf das Gewächshaus dahinter.

 

Etwas später schaute Charly in einem anderen Garten durch das Fenster in das zugehörige Wohnhaus. Es war eigentlich schon eher eine Villa als ein normales Wohnhaus, wodurch Jojo die Angst beschlich, der Hase könnte eine mögliche Alarmanlage auslösen. 

“Charly, komm weg von dem Fenster”, ermahnte er ihn.

“Wir müssen auch was im Haus verstecken”, sagte Charly und sein Atem beschlug die Scheibe.

“Nur in den Gärten, haben Witi und Withi gesagt”, erinnerte Jojo ihn und trat neben ihn ans Fenster. 

“Guck dir mal den modernen Fernseher an”, sagte Charly: “Hilfst du mir beim Tragen?”

“Nein!”, entgegnete Jojo. 

Charly drehte sich zu ihm und schüttelte enttäuscht den Kopf: “Ein Praktikant sollte hilfsbereiter sein.”

“Charly, wir werden nicht in das Haus einbrechen und einen Fernseher mitnehmen”, seufzte Jojo.

“Ach, die haben bestimmt nichts dagegen, ein kleines Trinkgeld für unsere gute Arbeit zu geben”, sagte Charly und sah sich nach Kameras um.

“Einen neuen Fernseher?”

“Ich kann ihnen auch ein Schokoei dafür dalassen", kicherte der rosa Hase, ehe Jojo ihn vom Haus wegzog. 

Es waren nur ein paar Sekunden, höchstens eine halbe Minute, die Jojo Charly den Rücken zudrehte, um Ostereier hinter einem Baum und im Moos daneben zu platzieren. Nur ein paar Sekunden. Doch als er sich wieder umdrehte, war der Garten leer. Und es war immer am gefährlichsten, wenn man Charly nicht sah, so viel wusste Jojo. Dafür hörte er plötzlich ein lautes Poltern, das aus dem Haus zu kommen schien. Oh nein. Jojo ging zum Fenster und sah angsterfüllt hinein. Tatsächlich war Charly im Haus und inspizierte den Fernseher genauer. Jojo versuchte den Hasen durch wildes Winken auf sich aufmerksam zu machen, aber der war zu sehr damit beschäftigt, wie er den Fernseher am besten tragen konnte. Es nützte nichts, Jojo musste an die Scheibe klopfen und hoffen, dass er dabei keine Alarmanlage auslöste. Es blieb still. Bis auf Charlys schrilles Rufen, als er Jojo sah, natürlich. 

“Nett, dass du doch helfen willst”, sagte er, nachdem er das Fenster geöffnet hatte. 

“Charly, komm da raus! Wie bist du überhaupt reingekommen?”

“Durch den Kamin.” 

Natürlich kam Charly nicht heraus, nur weil Jojo ihn bat, also musste der Bär wohl oder übel rein und versuchen, ihn (notfalls mit Gewalt) nach draußen zu bekommen oder zumindest zu verhindern, dass er etwas zerstörte. Aber als er die erste Pfote auf den Fensterrahmen legte, um ins Haus zu klettern, ertönte die Alarmanlage, so laut und schmerzhaft in den Ohren, wie er es sonst nur von seinem Mitbewohner kannte. 

“Toll Jojo, jetzt weckst du die Nachbarn”, seufzte Charly. 

Aber immerhin sah er jetzt ein, dass er zügig das Haus verlassen sollte. 


 

Als der Tag endlich geschafft war und er wieder in der Zentrale der Familie Ostern war, ließ sich Jojo erschöpft in einen Sessel fallen. 

“Ja, unser Job kann schon ziemlich anstrengend sein”, sagte Witi.

“Euer Job, genau”, flüsterte Jojo sarkastisch.

Charly kam mit einer Schüssel Müsli hereingewatschelt und setzte sich neben Jojo auf den Boden: “Ich fürchte, ich muss dich enttäuschen, Jojo. Nach deiner Leistung heute glaube ich nicht, dass dein Traum, Osterhase zu werden, realistisch ist. Tut mir leid.”

Er trank einen großen Schluck Milch direkt aus der Schüssel und rülpste.

“Ganz tragisch”, entgegnete Jojo tonlos. 

“Trotzdem habe ich bei der Richterin angerufen und gefragt, ob du mir noch länger helfen kannst. Sie hat erst abgelehnt, aber dann hab ich gesagt, dass deine Pfotenabdrücke in dem Haus zu finden sind, wo eingebrochen wurde, und jetzt wird sie es wahrscheinlich doch gestatten. Gerechtigkeit ist schon was Feines.”

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