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Böhmische Dörfer


Cornelius

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(teilweise autobiografisch)

 

Vater sah als Kind in Böhmen

Tag für Tag die Moldau strömen,

ehe ihn des Schicksals Trug

blindlings an den Rhein verschlug.

 

Aus dem Bann des Mars entronnen,

hat er sich stets gern entsonnen

seines Lebensflusses Quelle

an im Wald versteckter Stelle.

 

"Sohn, dies Dörfchen musst du sehen,

um so manches zu verstehen!"

Dieses waren seine Worte

auch noch an des Todes Pforte.

 

Leider droht im Land der Tschechen

meine Zunge leicht zu brechen.

Zwischen fremder Laute Klippen

strandet sie am Saum der Lippen.

 

Jene Sprache, deren Klang

ihm die Moldauwelle sang -

Vater hatte sie vergessen.

Böhmisch blieb sein Lieblingsessen,

 

Kren mit zartem Tafelspitz

plus ein Gläschen Slibowitz,

was auch ich genießen durfte,

als ich durch die Weiler schlurfte,

 

die, notiert auf einer Liste,

wie sie lagen längs der Piste,

einsam mit gerauften Haaren

suchend zu durchwandern waren.

 

Nunmehr stehe ich im Dorfe.

Aus dem Mühlbach schnellt die Orfe.

Niemand außer mir, der lauscht,

wie am Steg das Wasser rauscht.

 

Steht der Fluss der Zeit hier still?

Weiß ich wirklich, was ich will

hier im Land der Hopfenranke?

"Freilich", flüstert ein Gedanke,

 

der, vom Wind gerufen, sacht

tief im Innern mir erwacht:

Hier, nach vielen Wanderstunden,

habe ich mich selbst gefunden.

 

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Die Überschrift kündigt Unbekanntes an und der Inhalt nimmt den Titel wörtlich. Die Suche nach der eigenen Quelle führt tatsächlich nach Böhmen, das der Vater im Krieg hatte verlassen müssen, nicht ohne sich danach dem Sohn oft in schwärmerischen Erinnerungen zu offenbaren. Und dort, an der Moldau, quillt in diesem nach sprach- und ortsverwirrter Wanderung aus dem Gefühl der Fremdheit wie Grundwasser das Gefühl eines tieferen Ichs auf.

 

Sehr schön geschrieben, lieber Cornelius. Ich könnte Smetanas „Moldau“ dazu hören.

 

Grüße von gummibaum

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Hallo Cornelius,
ich habe zwar selber keine Wurzeln in Böhmen, aber der Kontakt mit einer Brieffreundin führte mich in jungen Jahren nach Prachatice. Das war sehr abenteuerlich, weil der Zug damals in Bayrisch Eisenstei endete und ich zu Fuß über die Grenze gehen musste. Zum Glück hat mich dann eine deutsche Familie mit ihrem Auto mitgenommen. Land und Leute haben mir gut gefallen, sodass ich auch später öfter in der Region Urlaub gemacht habe.
Danke fürs Aufleben lassen der Bilder und mit dem Wolgalied in den Ohren bin ich gern mitgewandert.
LG
Perry

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Hallo Cornelius,

 

wie schön, dass dein LI zu sich selbst gefunden hat. Ich bin in der Oberlausitz aufgewachsen, deshalb kenne ich Böhmen(grenznah), Rübezahl und natürlich die leckere Kost, sehr gut. Wir alle haben unsere Wurzeln und egal, wohin es uns auch verschlägt (in meinem Falle Norddeutschland), wir sollten sie nie vergessen.

 

Lieben Gruß, Letreo

 

 

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Guten Abend! 😊

 

Möchte mich bei allen Lesern und Likern fürs Mitwandern und "nach Wurzeln graben" ganz herzlich bedanken.

 

Hier noch kurz etwas Autobiografisches, woraus ich aber kein Gedicht machen werde: Anfang 1973 erhielt mein Großvater, seines Zeichens Lehrer, das Angebot, zum kommenden Schuljahr an eine deutsche Schule nach Valparaíso (Chile) zu gehen. Eine (prophetische?) innere Stimme soll ihm aber abgeraten haben. So die Familienüberlieferung.

 

Was in jenem Jahr unter anderem noch geschah: Mein Vater flog im Sommerurlaub nach Marokko, wo er meine Mutter kennenlernte und beide feststellten, dass sie jahrelang nur wenige Straßen voneinander entfernt gewohnt hatten, ohne einander jemals bewusst begegnet zu sein. Im Dezember standen sie vor dem Traualtar, drei Monate nachdem Pinochet sich in Chile an die Macht geputscht hatte.

 

Ich finde es immer wieder interessant, welche kleinen Geschichten das Leben so schreibt - und auch, welche nicht...

 

Grüße

Cornelius

 

P. S. Ich lege mir jetzt Smetanas "Moldau" auf. 🎵

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Auch wenn Erdkunde in der Schule so gar nicht meins war, lieber @Cornelius, so sitze ich hier und grübele, wo Du Dich wohl derzeit aufhältst. Die Hopfenranke weist wohl auf Bayern hin. Es waren so viele geografische Eckpunkte erwähnt, dass bei mir eigentlich nur der Slibowitz eindeutig im Hirn hängen blieb. 

 

Gleichwohl, wunderbar gedichtet 👏 - Melda-Sabine 

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Hallo Melda-Sabine,

 

ja, mein erster Slibowitz blieb auch mir ein Weilchen im Hirn hängen... 

 

Beim Hopfen denkt man hierzulande wohl spontan an die Hallertau, aber auch Böhmen (besonders die Gegend um Zatec/Saaz, wo der "Saazer Hopfen" wächst) zählt zu den weltweit wichtigsten Anbaugebieten des edlen Rankengewächses. 

 

Derzeit halte ich mich zu Hause am Wormser Rheinufer auf und freue mich über deinen Kommentar...

 

Gruß

Cornelius

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