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Geschrieben am

Schaffen ist besser als anschaffen

 

Ich brauche Klamotten, d.h. ich muss nach Darmstadt.
Karstadt oder Kaufhof sind meine Adressen.
Der Meriva, den ich von Mutter geschenkt bekam, als sie nicht mehr
fahren wollte, meistert die Steigung nach Böllstein recht gut.
Ein Rabe mit schwerem Nistmaterial im Schnabel überholt rechts.
Seit ich in Rente bin, möchte ich keinen Wagen mehr leasen,
die achtundvierzig Prozent reichen hinten und vorne nicht,
trotz voller fünfundvierzig Jahre.

Ich parke im Luisencenter Höhe Karstadt
und nehme den Aufzug zu den bügelfreien Hemden.
Nichts ansprechendes dabei, zu annehmbarem Preis.
Ich habe bei Dieter Nuhr, dem wohl
bestgekleideten Mann auf deutschen Kabarettbühnen
eine braune Lederjacke gesehen.
Die haben eine für hunderneunundneunzig.
Da schaue ich lieber nochmal im Kaufhof.
Mein Entsetzen ist unbeschreiblich, als ich feststelle
der Kaufhof hat zu.
Für immer? Ich weiß es nicht, keine Info zu sehen.
Ein Teil meines Lebens bricht weg.

Nun lasse ich mich verleiten in den Henschel gegenüber zu gehen.
Die haben auch so eine Jacke, allerdings für siebenhundertneunundneunzig.
Ich verlasse unauffällig das Etablissement.
Die spinnen.
Ich könnte natürlich für den Rest des Monats aufs Essen verzichten.
Das täte meiner Figur sicher gut, aber ich bin zu schwach.
Es gibt also hier Typen, die kaufen sich eine Übergangsjacke
für siebenhundertneunundneunzig Schleifen.
Womöglich Typen wie Dieter Nuhr.

Jetzt erst mal einen Kaffee und evtl. ein Stück Käsekuchen.
Vor meinem Stammcafé sind alle Außenplätze besetzt.

An einem Tisch thront ein deutsches Rentnerehepaar und
an neun Tischen sitzen fremdländische Männerpaare,
die wohl ihre Frauen zu Hause gelassen haben.
Besser so, Frauen machen ohnehin oft Ärger und der
Haushalt macht sich ja nicht von alleine.
Warum lässt man diese Männer nicht arbeiten?
Ich sehe in ihren Blicken Verzweiflung,
weil sie zur besten Arbeitszeit hier sitzen müssen,
weil der Arbeitsminister sie nicht ranlässt.
Wie viel Kraft, Wille und Einsatzbereitschaft
unserem Land dadurch verloren gehen,
lässt sich kaum beziffern.
Und alle labern von Bürokratieabbau.
Ich habe für diese Diskriminierung null Verständnis.

Was war ich doch für ein glücklicher Mensch.
Fünfundvierzig Jahre hatte ich um diese Zeit nie
frei, weil mein Chef mich schaffen ließ, der Gute.

Diese Vorteile gewahr werdend, fahre ich beruhigt,
ohne etwas gekauft zu haben nach Hause.

Ist doch nicht schlimm, wenn ich jetzt etwas kürzertreten muss,
mir ging es lange verdammt gut.
Vielleicht zu gut, auf Kosten anderer?
 

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Geschrieben

Danke für die kurzweiligen Zeilen 🙂 Ich bin in Frührente und kann von daher mitreden. Seit ich in Rente bin, gehe ich selten was essen, ins Restaurant und auch sonst nirgendwo hin. Ich sitze hier zu Hause fest mit kleiner Rente und viel Zeit. Vielleicht schreibe ich mal eine Geschichte über das Rentnerleben einer Frührentnerin. Ich denke aber, das kann man mit einem Satz erledigen: Reich ist, wer Zeit zum Verplempern hat. Amen.

  • Danke 1

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