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Geschrieben am

Frühmorgens, wenn die Nebel wallen,

zieht Odin aus der Götter Hallen.

Die Weltenesche Yggdrasil

ist heute sein Etappenziel.

 

Man hört nur selten von Besuchern,

wo ihre wilden Wurzeln wuchern,

am kühlen Born, wo Tag und Nacht

der ranke Riese Mimir wacht.

 

Aus trüben, schweren Schwaden löst -

er siehts genau, wiewohl er döst -

sich da ein Schemen, des Statur

von mehr als menschlicher Natur.

 

"Wer bist du, fremder Wanderer?

Sidgrani und kein Anderer,

so dünkt mir, streift in diese Auen,

ins Riesenantlitz mir zu schauen."

 

"Das hast du, Mimir, wohl erraten.

Trotz aller meiner Heldentaten

bin ich als Gott noch unvollkommen:

Die Zukunft sehe ich verschwommen.

 

Ich muss doch wissen, was sie bringt,

verstehen, was die Norne singt.

Gewähre mir von deinem Trank,

dann gilt dir höchster Götterdank."

 

"Die Bitte, die dein Busen nährt,

sie sei dir herzlich gern gewährt!

Doch heischt der Brauch, der hier zu pflegen,

zuvor ein Pfand zu hinterlegen.

 

Entbehre eines deiner Augen,

das wird zum hehren Zwecke taugen.

Dann darfst du wie aus Suppentöpfen

die Weisheit aus der Quelle schöpfen."

 

"Der Preis ist wahrlich nicht sehr billig,

doch bin ich ihn zu zahlen willig.

Ich gebe gern, was wohlbehütet,

zu sehen, was das Schicksal brütet."

 

Der Raben schauriges Gegröle

ertönt, als aus der Augenhöhle

der Gott, am Ufersaum gebückt,

beherzt den teuren Apfel pflückt.

 

Schon schwimmt er, dem Kristalle gleich,

verborgen im geweihten Teich.

Der Durstgeplagte schöpft den Trank,

dann spricht er: "Dir, dem Hüter, Dank!

 

Nun darf ich wahrlich wissend wandern

von einem Pol der Welt zum andern

und geh im Wagner-Festspielhaus

mit Augenklappe ein und aus."

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Geschrieben

@Cornelius, du hast diesen spröden Götterstoff sehr, sehr amüsant verarbeitet. Ich hab's gern gelesen.

 

Stefan, kannst du den Humor in Cornelius' Zeilen herauslesen? Man liest ja in Gedichten gern das hinein, was man lesen möchte. Aber Sein Gedicht zu lesen daraufhin rechte Vor"denker" wie den Bernd zur Sprache zu bringen (beides gewissermaßen also zu verlinken) ist echt unangemessen!

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Geschrieben

Hallo Wannovius,

 

die nordische Sagenwelt ist nicht meine bevorzugte Spielwiese. An dieser Geschichte finde ich aber die Symbolik ganz hübsch: Der germanische Göttervater muss die Hälfte seiner Sehkraft opfern (immerhin nicht die ganze), um über das Sichtbare hinaus blicken zu können. 

 

Hallo Patrick,

 

danke für deine sehr willkommene Wortmeldung.

 

An euch beide (und alle, die eventuell mitlesen):

 

Man wird mir hoffentlich glauben, dass ich mit rechten Ideologien nichts am Hut habe. Beim Schreiben dieses Gedichts ist mir nicht einmal bewusst gewesen, dass man mich auf Grund des gewählten Stoffes mit so etwas in Verbindung bringen könnte. Man kann natürlich niemandem vorschreiben, was man in ein Gedicht hinein- oder aus ihm herauslesen darf oder soll. Ich als Autor erlaube mir freilich die Feststellung, dass jeder, der vom Thema auf Affinitäten zu extremistischem Gedanken"gut" schließen möchte, sich grundlegend irrt. 

 

Nichts für ungut..

Grüße

Cornelius

  • Gefällt mir 2
Geschrieben

Hi Cornelius. 

 

vor 4 Stunden schrieb Cornelius:

Man wird mir hoffentlich glauben, dass ich mit rechten Ideologien nichts am Hut habe. Beim Schreiben dieses Gedichts ist mir nicht einmal bewusst gewesen, dass man mich auf Grund des gewählten Stoffes mit so etwas in Verbindung bringen könnte.

Niemand käme auf so eine hanebüchene Idee! Na ja... eben fast Niemand! 

Sicher schmücken sich Rechtsradikale gerne mit nordischer Symbolik, doch diese wird von ihnen genauso vereinnahmt wie die Lehren Jesus vom sogenannten Christentum und der Kirche. Gibt halt nun mal kein Urheberrecht mehr das eingeklagt werden kann. Tja. 

 

Ok. Schluss damit. Zurück zu deinem Text ab jetzt! Und bitte kein Wort mehr zu diesem völlig ins Klo nach brauner Scheiße gegriffenen Zusammenhang zu irgendwelchen Hitler-Fanboys. 

 

mfG Das Moderationsteam 

JC

 

 

 

 

 

Ich fang nochmal an! 

 

Hi @Cornelius,

 

deine Zusammenfassung wie Odin sein Auge verliert, als Opfer für Einsichten, gefällt mir ganz gut. Auch sehe ich dass du dich tiefer mit der Materie beschäftigt hast, dass ließt man aus den Zeilen heraus. 

Eine gedichtete Erzählung, angenehm flüssig zu lesen. 

Einen Kritikpunkt habe ich aber noch: 

 

Am 2.5.2024 um 23:44 schrieb Cornelius:

und geh im Wagner-Festspielhaus

Da fehlt mir die Fantasie von der Mythologie hier zu Wagner zu wechseln. Das ist ein harter Schnitt und Bruch und erschließt sich mir nicht, da vorher mit nichts angedeutet wird, es handle sich um ein Theaterstück. Und auch als Auflösung des Ganzen als Theaterstück funktioniert es nicht für mich. 

Am 2.5.2024 um 23:44 schrieb Cornelius:

Schon schwimmt er, dem Kristalle gleich,

verborgen im geweihten Teich.

Der Durstgeplagte schöpft den Trank,

dann spricht er: "Dir, dem Hüter, Dank!

Da sollte das Gedicht enden, meiner Meinung nach. 

 

LG JC

 

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Geschrieben

Hallo JC,

 

ja, die Schlusswendung ist etwas unvermittelt. Ich dachte mir dabei: Da Odin jetzt allwissend ist, dürfte er auch voraussehen, dass Richard Wagner ihn als Wotan (Odins südgermanischer Name) zur Opernfigur machen wird, zu deren Kostüm traditionell eine Augenklappe gehört. (Nebenbei: Die Wikingerhelme mit den Hörnern sind auch eine Erfindung Wagners, dessen Werk in der Populärkultur vielfältige Spuren hinterlassen hat.)

 

Aber eigentlich ist diese "Pointe" nicht zwingend notwendig. Allerdings überlege ich noch, ob ich die letzte Strophe wirklich ersatzlos streiche. Für mein Empfinden sollte nach Odins Worten "Dir, dem Hüter, Dank!" noch etwas Abrundendes folgen. Nicht viel, aber etwas....

 

Gruß

Cornelius

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