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Max Hayek ~ Der Film des Lebens


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Geschrieben am

Hör', was geheime Wissenschaft verkündet:
In jenem allerletzten Augenblick,
Wo sich dein Geistiges vom Körper trennt
Und in das Ätherreich des Ewigen mündet.
Wo es den Schmerz der Zeit nicht kennt —

 

In jenem allerletzten Augenblick
Rollt sich dir magisch mit Sekundenschnelle,
Volldeutlich bildhaft und in Farbenhelle
Noch einmal ab dein irdisches Geschick!
Du siehst auf Mutter und Geburt zurück
Und siehst in langer, wechselvoller Reihe,
Seltsam umschauert von der letzten Weihe,
All das, was dir vergönnt war, durchzuleben!

 

Du siehst Geschehenes vorüberschweben,
Liebe und Haß, Gewalt'ges und Gemeines,
Glück, Unglück, Sieg und Niederlage,
Den holden Glanz versunkener Frühlingstage,
Die unerhörte Pracht der Welt des Scheines!
Des Sommers Fülle, alle Herrlichkeit,
Mit der dein schöner Pfad war benedeit!

 

Kunst und Natur und Spiel und Scherz,
Die Lust, die jauchzend überquoll,
Dein Bettleraug', von Tränen übervoll,
Dein Kinderlachen und den Mannesschmerz!
Und alles das, Erhab'nes, Großes, Kleines,
War einst ein Menschenleben und war deines!

 

Ja, hör', was heimlich Wissen dir verkündet:
Du schaust im allerletzten Augenblick,
Wenn Geistiges in seine Heimat mündet,
Noch einmal, wie es abrollt, dein Geschick,
Du schaust in der Sekunde des Hinüberschwebens
Den Film des eig'nen, wunderreichen Lebens!

 

Bild: Dorota Piotrowiak

Music: Gregor Quendel

Rezitation: Uschi Rischanek

 

  • Gefällt mir 3
Geschrieben

Hallo Uschi,

 

wieder hast du eine Perle aus der Flut vergessener Lyrik geborgen. Auf die Gefahr, dass ich mich mit der Frage als Banause entlarve: Warum ist Max Hayek nicht bekannter? Ich habe ungezählte Semester Germanistik studiert und kann mich nicht erinnern, dass mir sein Name jemals begegnet wäre. (Dafür ein paar andere, ohne die ich durchaus hätte leben können. Wahrscheinlich hat jeder von uns seine persönliche Liste sowohl unter- als auch überschätzter Autoren.)

 

Aber da befindet sich Max Hayek in guter und zahlreicher Gesellschaft der nicht immer, aber doch oft zu Unrecht Vergessenen. Einerseits betrüblich - andererseits kann nun jeder Freund des schönen Wortes selbst auf die Suche gehen und solche Autoren und ihre Werke für sich entdecken. Im besten Fall, um seine Funde mitzuteilen, so wie du es hier zelebrierst...

 

Gruß

Cornelius

  • in Love 1
Geschrieben

@Cornelius Nun lieber Cornelius, warum er nicht oder nur unzureichend bekannt ist, entzieht sich mir, doch ich bin dankbar ihn für mich entdeckt zu haben und wollte ihn euch nicht vorenthalten.
Am 11.4. diesen Jahres, ist ein Buch in englischer Sprache erschienen, dass 9 Gefangene Poeten, zum Inhalt hat. Max Hayek ist einer von ihnen. Der Titel ist, 'Nine Holocaust Poets' features the work of both Christian and Jewish poets whose lives were severely impacted by the Holocaust either through imprisonment in ghettos or concentration camps, or being forced into exile due to their political or religious beliefs. The author's featured in this work are Dietrich Bonhoeffer (1906-1945), *Max Hayek (1882-1944)*, Max Herrmann-Neiße (1886-1941), Gertrud Kolmar (1894-1943), Else Lasker-Schüler (1869–1945), Selma Meerbaum-Eisinger (1924-1942), Miklós Radnóti (1909-1944), Marianne Dora Rein (1911-1942), and Ilse Weber (1903-1944). Several of them were able to write specifically about their experiences while imprisoned, while others did not have that opportunity. These poets capture the meaning of the difficult times they lived in words that are still worth reading, and offer readers a warning to guard and protect their freedoms in difficult political times.

Der liebe Max Hayek, als hätte er es 1914 geahnt oder kommen sehen.

Wenn ich ein winzig kleines bisschen meinen Teil dazu beitragen kann, sie nicht ganz in Vergessenheit geraten zu lassen, so erfüllt es mich mit Freude und Dankbarkeit. Ich warte täglich auf eine Postsendung, die mir ein Buch bringen möge, einer Neuauflage unter dem Titel 'Reisen wir nach Utopia' (2019).

Danke für dein Reflektieren, ich freue mich wenn es ansprechen konnte!

LG Uschi

  • Gefällt mir 1
Geschrieben

Hallo Uschi,
dass im Augenblick des Todes das Leben im Zeitraffer noch einmal vor dem geistigen Auge abläuft ist eine schöne Vorstellung, wobei Zeit dabei wohl keine Rolle mehr spielt. 😉
Bleibt die Frage damals wie heute, aus welchem Grund die Evolution so etwas in den Sterbevorgang involviert hat.
Soll es ein Trost sein oder ist es eine Art "Entleerung" des verlöschenden Geistes. 
Die Antwort liegt im Jenseits, was immer auch damit gemeint ist.
Der Text von Max Hayek ist zeitlos, weshalb es wichtig ist ihn nicht zu vergessen.
Danke fürs Erhalten und LG
Perry

  • Danke 1
Geschrieben

@PerryHallo Perry, es wird dies zumindest behauptet, dass alles im Zeitraffer nochmals vor unserem geistigen Auge abläuft, doch ob es so eine schöne Vorstellung ist, sei dahingestellt. Du drückst es trefflich aus als eine Art Entleerung des Geistes, vorstellbar doch was bleibt bzw. bliebe dann von uns noch? In und auf welcher Ebene geht es dann weiter? Darüber lässt sich natürlich spekulieren ob es eine vergeistigte Weiterführung und dabei womöglich sogar ganz ohne Altlasten gäbe.
Der Mensch an sich, mit all seinen Fähigkeiten, seinen Talenten, Träumen, Wünschen und seinen zugegebenermaßen auch Fehlern und Irrtümern, die ja ein jedes Leben wohl mit sich bringt und ausmacht, besteht im Hier und Jetzt naturgemäß in seiner Körperlichkeit.

Es stellt sich mir bei alledem auch immer wieder die Frage, wie kann es gehen, dass man das Gefühl hat, einem bestimmten Menschen, den man zuvor noch nicht kannte, schonmal begegnet zu sein?


Max Hayek beschreibt dies Vergeistigen trefflich an der Schwelle des Übertretens des 'Hinüberschwebens' im letzten Vers, wenn er dazu meint:

 

                       Du schaust im allerletzten Augenblick,
                       Wenn Geistiges in seine Heimat mündet,...

 

Also kann wohl davon ausgegangen werden, dass er an etwas Zukünftiges, Vorherbestimmtes dabei dachte, das ohne Furcht auf uns warten mag um in die nächste 'Ebene' zu gelangen.
Ich stimme dir völlig zu, sein Text ist zeitlos und er ist zu Unrecht nur wenigen bekannt denn speziell dieses Gedicht empfinde ich als etwas ganz Besonderes.

Danke für dein Auseinandersetzen mit diesem großartigen Poeten.
LG Uschi

Ein dankeschön für die Zustimmung auch an @Zarathustraund @Onegin

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