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Shakespeares Werke, leicht gekürzt: Romeo und Julia


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Verschämt erblickt der blasse Mond

den Zwist, der in Verona wohnt:

Zwei Häuser sind in altem Streit

einander bis aufs Blut entzweit.

 

Man weiß nicht, wegen welches Schuhs

die Capulets und Montagues

sich täglich massenhaft vermöbeln,

nie müde, laut herumzupöbeln.

 

Am Rande dieser Handgemenge,

bedrückt von seines Herzens Enge,

steht Romeo, zutiefst verdrossen,

dem Stamme Montagues entsprossen.

 

Benvolio will den Freund erheitern

und dessen Horizont erweitern:

"Begleite mich zu Capulets!

Dort gehst du Amor leicht ins Netz.

 

Die Bälle dort sind legendär

und dieses nicht von ungefähr." -

Die Tanzkapelle geigt und harft.

Sie tummeln sich, dezent verlarvt,

 

um nur nicht ihr Gesicht zu zeigen,

inkognito im bunten Reigen.

Als Romeo sich demaskiert,

nur kurz ein wenig ventiliert,

 

da ist es gleich um ihn geschehen,

denn er hat Julia angesehen.

Die beiden trifft im weiten Saal

die Liebe wie ein Wetterstrahl.

 

Sie reichen sich die Hand zum Tanz,

zu zweit allein im Lichterglanz.

Beim Klang von Klarinettenterzen

verschmelzen ihre jungen Herzen.

 

Nicht lange nach der Erstbegegnung

erteilt die priesterliche Segnung

des Bandes, das der Himmel knüpfte,

ein Freund, der in die Kutte schlüpfte,

 

sich schmucklos Bruder Lorenz nennt

und manche kleinen Schliche kennt.

Er traut sie heimlich auf die Schnelle

in Capulets Privatkapelle. -

 

Beim Schlendern durch die Altstadtgassen

(die Sterne wollen just verblassen)

wird Romeo, der brave Junge,

zum Ziel von Tybalts Lästerzunge.

 

Mercutio, welcher mit ihm streunt,

zieht seinen Degen für den Freund.

Der wirft sich blindlings gleich dazwischen -

die Luft durchdringt ein scharfes Zischen -

 

und Romeo sieht, halb von Sinnen,

Mercutios Blut aufs Pflaster rinnen.

Er muss, es kann nicht anders enden,

nun Tybalt in den Orkus senden

 

und wird nach Mantua verbannt

für diesen Frevel seiner Hand.

Noch eine Nacht! Mit unverstocktem

Gemüt beschließt er: "Carpe noctem! ",

 

erklimmt an wildem Wein und schwanken,

vom Wind bewegten Efeuranken

Giuliettas goldverzierten Kerker.

Die Liebste wartet auf dem Erker.

 

Noch nie war eine Nacht wie diese,

voll seidenweicher Frühlingsbrise,

vom weißen Flieder odoriert.

Ein kleines Vöglein tiriliert.

 

"Die Lerche, Herold unsrer Sorgen,

verkündet schon den nahen Morgen!"

"Geliebter, nein! Der süße Schall

entspringt dem Schlund der Nachtigall.

 

Sie schmettert nachts im Fliederbusch

verliebten Herzen ihren Tusch."

Nur allzu bald verstrichen ist

dann doch die viel zu kurze Frist.

 

"Nun darf ich länger nicht verweilen!

Die Pflicht gebeut, mich abzuseilen."

Er eilt nach Mantua. Mit Stil

erträgt er standhaft sein Exil.

 

Indessen drängen Julias Eltern,

um endlich reinen Wein zu keltern,

die Tochter möge sich vermählen.

Den Grafen Paris soll sie wählen.

 

"Vermählen! Mich! Mit einem Welfen!

Nur Bruder Lorenz kann mir helfen."

Sie eilt zu ihm in ihrer Not,

berichtet, welches Unheil droht.

 

Er tröstet sie: "Nimm dies nicht schwer!

Nimm heute Abend zum Dessert

im Milchkaffee zur Sahnetorte

ein Schüsschen Schlaftrunk extra forte.

 

Der wird dir ganz vortrefflich munden

und dich für zweiundvierzig Stunden

zum Schein in einen Leichnam wandeln.

Das gibt uns Zeit zu klugem Handeln."

 

Aurora bringt mit Rosenfingern

die Barke Lunas sanft ins Schlingern,

da findet Julias alte Amme

das Mädchen schlafend, ohne Schramme,

 

doch etwas ist hier nicht im Lot.

"Die Braut! Die Braut ist mausetot!"

Man seufzt und eilt, sie aufzubahren,

im Grabgewölbe zu verwahren.

 

Die Klage ist in aller Munde.

Auch Romeo erfährt die Kunde.

Es wollte Lorenz nicht gelingen,

den Anschlag ihm zu hinterbringen.

 

Sein Bote wurde aufgehalten

infolge höherer Gewalten.

Der Witwer lenkt, im Herzen bang,

zur Apotheke seinen Gang:

 

"Ich bräuchte eine Limonade,

leicht bittersüß, nicht allzu fade,

für einen lästigen Rivalen.

Kann ich mit Wechsel hier bezahlen?"

 

Der wohl gewiefte Pharmazeut

ist von dem Auftrag hocherfreut.

Er holt aus der Geheimkonsole

die schön geschwungene Phiole:

 

"Man trinke rasch auf Ex sie leer."

"O besten Dank." - "O bitte sehr."

Vom Weg des Jünglings bleibt die knappe,

eng abgesteckte Zieletappe.

 

Er wandelt aus der Maienluft

in Capulets Familiengruft.

Dort hält Graf Paris Totenwache.

Für Romeo schlicht Ehrensache,

 

den Manne aus dem Weg zu räumen

wie ein Gespenst aus bösen Träumen.

Dann ist bei trübem Fackelschein

er mit der Liebsten ganz allein:

 

"Dasselbe blütenweiße Leinen

soll uns im Schlafe jetzt vereinen."

Kaum nippt er voller Herzensdruck

vom Säftchen einen Probeschluck,

 

da ist sein Blick schon nicht mehr hell.

"O wackrer Mann! Dein Trank wirkt schnell!"

Schon stürzt er in die Todesnacht.

Im Augenblick darauf erwacht

 

die Maid, sieht Schwert und Bräutigam

und macht ein Ende ihrem Gram. -

Ein Poltern auf den Marmorstufen

hat beide Häuser wachgerufen.

 

Ob Freund, ob Feind: Man ist entsetzt

und keine Wimper unbenetzt,

als über ihrer Kinder Leichen

die Väter sich die Hände reichen.

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