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Shakespeares Werke, leicht gekürzt: König Lear


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Im Moor, wo dichter Nebel wallt,

versumpft ein Greis, der Unsinn lallt:

"Das Leben ist ein Narrenspiel,

der Weg alleine ist das Ziel!"

 

So predigt er den Sumpfohreulen,

die mit ihm um die Wette heulen.

Wir blenden einmal kurz zurück

zu Tagen voller Glanz und Glück:

 

Da sitzt er stolz auf seinem Thron

als Vater, zwar von keinem Sohn,

doch zweier Töchter, ganz entzückend,

durch Anmut und Talent berückend,

 

die Goneril und Regan heißen,

sich sehr um seine Liebe reißen.

Da wäre noch Cordelia.

Sie lispelt unschuldsvoll: "Papa,

 

ich hab dich lieb, so wie ich soll."

Der Alte rast darauf wie toll:

"Du naseweise kleine Göre!

Das ist nun alles, was ich höre?

 

Nun gut - ich will mich eh beeilen,

mein Reich hier unter euch zu teilen.

Ihr beiden Hübschen kriegt zwei Hälften -

und du ziehst aus zum 1.11.!

 

Du schiffst dich ein ins Franzenland.

Der König wirbt um deine Hand."

Das nun verbliebene Terzett

teilt weiter Thronsaal, Tisch und Bett,

 

doch nun verwandeln sich die Schwestern.

Die Tochterliebe, die war gestern.

Gemeinsam sind sie unausstehlich.

Der Vater wird hier nicht mehr selig.

 

Er läuft des Nachts bei Sturm und Graus

aufs blitzumzuckte Moor hinaus,

um zwischen windzerzausten Haseln

das schon erwähnte Zeug zu faseln.

 

Des Geistes ist er halb entblößt,

als ein Gefährte zu ihm stößt,

der sich bescheiden Edgar nennt

und japsend um sein Leben rennt,

 

nach welchem ihm sein Bruder trachtet.

Der hat den Vater frisch entmachtet,

nachdem, im falschen Bett gezeugt,

ihn, Edmund, jeder schief beäugt.

 

Graf Gloster streift durchs Heidekraut,

als frisch der junge Morgen taut,

kennt nicht den Sohn, weil der gezielt

in seiner Not den Narren spielt.

 

Er bringt zu dieser frühen Stunde

dem alten Lear die neue Kunde:

Cordelia ist schwer bewehrt

mit ihrem Gatten heimgekehrt.

 

Es wird, das Herz voll banger Fragen,

vorerst der Heimweg eingeschlagen.

Im heimatlichen Sündenpfuhl

steht Gloster vor dem Richterstuhl.

 

Man prüft den Fall auf Herz und Nieren,

erkennt: Er wollte konspirieren,

ein Reich sich heimlich einverleiben

und unbefugt Geschichte schreiben.

 

Es ist zwar menschlich sehr betrüblich,

doch in Britannien leider üblich:

Wer wandelt auf Verräters Füßen,

muss mit dem Augenlicht es büßen.

 

Im Moore wird es wieder finster.

Der Wind zerrupft den Besenginster.

Der blinde Graf von Gloster schreitet,

vom einst verschmähten Sohn geleitet,

 

an ihrer Seite König Lear,

durchs glucksend feuchte Froschrevier.

So irren sie, vereint im Leide,

auf sturmgepeitschter öder Heide.

 

Nun läutet Edmunds große Stunde.

Er scheint mit Ares wohl im Bunde.

Des Schicksals Lauf lässt Albion siegen

und Frankreichs Freunde unterliegen.

 

Selbst Goneril und Regan müssen

die kalte Hand des Todes küssen.

Mit Gift und Dolch und eben zeitig

ermorden sie sich gegenseitig

 

in einem Blutbad ohnegleichen.

Auch Edmund legt sich zu den Leichen:

"O blindes Fatum, dich verhöhn ich!"

An Lear bleibt jeder Zoll ein König.

 

Die schwerste, süße Last zu tragen

obliegt nun seinen alten Tagen:

Cordelia, die nie geheuchelt -

auf Edmunds Weisung hin gemeuchelt.

 

Lear scheidet hin in Raserei,

gedenkt bei seinem letzten Schrei,

was jüngst der edle Edgar sagte,

als ihm das Licht der Wahrheit tagte:

 

"Man kommt und geht von dieser Welt,

wird abgeholt und nicht bestellt,

und sammelt uns das Schicksal ein

wie Früchte, heißt es: Reif zu sein." 

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Hey Cornelius,

 

sehr schön und beeindruckend dein Gedicht.

Ich bin schon verblüfft, wenn ich sehe mit welcher Konsequenz du deine Worte / die Sprache auf so einem hohen Niveau halten kannst, um so mehr bei der Länge vieler deiner Texte und gekrönt von der Menge solcher Gedichte, die du veröffentlichst.

 

Ich muss zugeben, ich habe nicht viel von Shakespeare gelesen, eigentlich nur MacBeth, aber die Geschichte klingt interessant, so dass ich hier demnächst denke ich weiterlesen werde.

 

Die letzte Strophe ist der Wahnsinn, alle anderen hätten mit Lorem Ipsum Textbausteinen gefüllt sein können, und die letzte Strophe hätte es wert gemacht, alles zu lesen.

Sind sie ja aber zum Glück nicht, sonderrn ebenfalls grandios. Aber bei der letzten Strophe bekomme ich Gänsehaut.

Ich glaube besser hättest du das Gedicht nicht abschließen können.

 

Liebe Grüße

Delf

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Hallo Cornelius,

 

Ich habe wieder einen Lieblingsausdruck: "unbefugt Geschichte schreiben".

Die Story selbst (die ich noch nicht kannte) ist offenbar einigermaßen brutal. Und geht nicht gut aus. Das Lesen des Originals erscheint mir daher nicht besonders dringend.

Gut, dass wir dich haben!

 

Sei gegrüßt:

Uwe

 

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