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Das Schweigen der Schnaken

 

 

Des Abends tanzen Schnaken an dem Fenster.
Er reißt ihnen - wie stets - die Beine aus.
So hält er sich vom Leibe die Gespenster,
die mit ihm wohnen hier in seinem Haus.

 

Da liegen sie - bloß Rumpf - und nur ihr Zucken
verrät, dass ihnen Leben innewohnt.
Er sieht still zu und seine Finger jucken,
solange auch nur eine bleibt verschont.

 

Er denkt an seinen Vater, der ihn jagte
mit Schlägen Tag und Nacht durchs große Haus,
den niemals es berührte, wenn er klagte;
dem riss als Erstem er die Beine aus.

 

Genussvoll sah er, wie in seinem Blute
bloß gurgelnd der die letzten Laute tat.
Die Zunge nahm im Tausch er für die Knute -
noch heut sind deren Riemen steif und hart,

 

verkrustet von dem Blut all jener Schläge,
die tiefer schnitten als bloß Fleisch und Haut.
Dann nahm dem alten Herrn die Kesselsäge
die Arme noch - und eh der Morgen graut,

 

da lag nur noch ein Rumpf in einer Lache,
so schwarz und tief, dass sie ihn fast verschlang.
Die Ratten trafen ein zur Totenwache -
noch heute hört mit Zittern er den Klang

 

vom eiligen Getrippel ihrer Krallen,
ein Quieken wilder Gier voll Futterneid!
"Die Schnaken schweigen!" denkt er noch im Fallen,
schließt seine Augen und fühlt Dankbarkeit.

 

 

 

 

 

 

.aug_2023

inspiriert von der äußerst gelungenen und beklemmenden historischen Krimi-Trilogie "1793 - 95" von Niklas Natt och Dag

  • Traurig 2
  • wow... 3
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vor 4 Minuten schrieb Stavanger:

Und das mir, der nur Filme guckt, die gut ausgehen. Uff.

Trotzdem gut geschrieben, zweifellos.

Etwas unbehaglich, aber das geht auch wieder weg:

 

Ui, dann hoffe ich, das geht ganz rasch, lieber Uwe! 

 

Umso größer mein DANKE für den Kommentar! 

Da funktionieren wir wohl sehr unterschiedlich. Ich werde umso entspannter, je gruseliger oder abgründiger Geschichten sind. 

 

Vielleicht bingt ja etwas Sonnenschein gute Laune nach diesem Gedicht-Gewitter!

LG,

fee

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vor 38 Minuten schrieb Wannovius:

das sind aber gruselige Zeilen - besonders von einer Dichterin.

 

Du meinst im Sinne von: Dichter:innen sind zartbesaitet bzw. schreiben in erster Linie über Schönes und ein solcher Inhalt ist unvorhersehbar und überraschend? 

 

Den Taunus-Ripper kenne ich nicht. Es ist aber definitiv mehr als gruselig, wenn man sich vergegenwärtigt, dass solche "Bestien" tatsächlich existieren oder existiert haben. Die menschlichen Abgründe faszinieren mich schon immer - lieber sind mir aber dann doch fiktive Bestien (auch, wenn diese ja irgendwoher ihre Anleihen haben müssen). Mich hat eine historische Krimi-Trilogie (siehe im Eingangspost ganz unten als Anmerkung) inspiriert, die noch um Hauslängen düsterer und heftiger war als mein Gedicht hier. 

 

Danke fürs Reinlesen und mutige Kommentieren 😉

LG,

fee

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Genau. Du als Mädchen solltest eigentlich nicht ... Überlass das so knallharten Typen wie mir!

 

Öh. Naja. Hm.

Andererseits.

 

Eigentlich bin ich ganz froh, dass wir das späte 17. Jhdt. hinter uns gelassen haben, das frühe erst recht, und du schreiben darfst, was du willst!

 

Und ich darf Glanzbilder sammeln, mit oder ohne Ganz, ganz wie ich will.

 

Modern times und

ziemlich zufrieden damit:

Uwe

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Hallo Fee,

 

wow, starker Tobak ... Das muss ich erstmal sacken lassen. Ich bin ja eher ein Weichei, was Gruselfilme etc. betrifft. Ich hatte als junge Frau einmal einen Draculafilm geschaut und konnte nächtelang nicht richtig schlafen. ☺️

 

Dein Gedicht ist aber sehr gut geschrieben und gereimt.

 

LG

Moni

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Hallo zusammen, zum Taunus-Ripper könnt ihr mal googeln. Ein Mann mit bürgerlicher Existenz,  Ehefrau, Tochter und Häuschen. Im Keller berauschte er sich im Darknet für seine Untaten. Seine Tochter fand nach seinem Krebstod Leichenteile in einer von ihm angemieteten Garage. Ihr Vater Seel war keine Seele von Mensch. 

Ich sehe das Weibliche als Lebensspenderin. Natürlich gibt es auch Frauen, die über Leichen gehen - Typ KZ-Waerterin. Aber Frauen sind wohl eher zartbesaitet und bei Kapitalverbrechen unterrepräsentiert. 

Bitte nicht gendern. Das zerstört unsere schöne Sprache. 

LG Stephan

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vor 23 Stunden schrieb Stavanger:

Eigentlich bin ich ganz froh, dass wir das späte 17. Jhdt. hinter uns gelassen haben

 

Und das sollten wir auch sein angesichts der Lebensumstände damals! Der geschichtliche Hintergrund und auch das Alltagsleben für die Roman-Trilogie waren sehr genau recherchiert und haben zur Düsternis und Beklemmung der Geschichte sehr beigetragen. "Finstere Zeiten" als Begriff hat für mich da erstmals greifbar Sinn ergeben. 

 

vor 19 Stunden schrieb Moni:

Ich hatte als junge Frau einmal einen Draculafilm geschaut und konnte nächtelang nicht richtig schlafen.

So ging es mir in jüngeren Jahren bei der Lektüre von "Es" von Stephen King. Da musste dann das Nachttischlämpchen noch länger anbleiben zum Einschlafen. 

Mit Weichei-igkeit hat das aber m.E. nicht so viel zu tun. Eher mit starker Vorstellungskraft. So will ich es jedenfalls sehen. 😉

 

vor 18 Stunden schrieb Darkjuls:

Sehr gekonnt und gut dargeboten Dein Gedicht.

Dir, liebe Darkjuls und auch den anderen hier herzlichen Dank für das große Lob! Und das sogar trotz "Starktobak-Gehalts"! Das weiß ich wirklich sehr zu schätzen und darüber freu ich mich sehr! 

 

vor 13 Stunden schrieb Wannovius:

zum Taunus-Ripper könnt ihr mal googeln. Ein Mann mit bürgerlicher Existenz,  Ehefrau, Tochter und Häuschen.

Und das ist, was es so besonders beklemmend und gruselig macht - man sieht es den meisten nicht an. 

 

vor 13 Stunden schrieb Wannovius:

Bitte nicht gendern. Das zerstört unsere schöne Sprache.

Bitte nicht bei jeder unpassenden Gelegenheit "missionieren" diesbezüglich, lieber Stephan! Ich kann die Diskussion ehrlich gesagt nicht mehr hören. In einem Kommentar wird keine schöne Sprache zerstört, und wenn mir wichtig ist, jedwedes Geschlecht zu inkludieren, dann werde ich doch wohl dort gendern dürfen, wo ich es persönlich für in Ordnung und angemessen erachte. In einem Gedicht oder anderweitig literarisch gearteten Text gendere ich ohnehin nicht. Darauf darfst du gerne mal vertrauen. 

 

Zurück zum Gedicht und zu euren tollen Rückmeldungen: nochmal herzlichen Dank an euch alle, dass ihr euch da durchgetraut habt und vom Inhalt nicht habt abschrecken lassen. 😉 Danke auch an alle, die ihr Gefallen per Button-Klicken mitgeteilt haben!!!! 

 

Liebe Grüße,

fee

 

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Da hast Du mit diesem Gedicht aber einen fetten Köder ausgelegt, liebe Fee...

Auch wenn der Inhalt und die beschriebenen Greueltaten eigentlich nicht mein Ding sind (es geschehen derlei Dinge ja oft genug im wirklichen Leben. Ich möchte hier nicht näher darauf eingehen), so fühlt man sich doch stark berührt angesichts der Abgründe, die es offenbart.

Es gehört schon Mut dazu, sich an ein solch hartes Thema dichterisch heran zu wagen.

Ich könnte es nicht. Gewagt und sehr gekonnt! Chapeau!!

 

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vor 27 Minuten schrieb Aileas:

so fühlt man sich doch stark berührt angesichts der Abgründe, die es offenbart.

Es gehört schon Mut dazu, sich an ein solch hartes Thema dichterisch heran zu wagen.

Ich könnte es nicht. Gewagt und sehr gekonnt! Chapeau!!

Herzlichen Dank, liebe Aileas,

 

und ich bin froh, dass du es so siehst.

Ein Wagnis war es für mich definitiv - immerhin fragen sich ja vielleicht jetzt doch manche nach dieser Lektüre, was da im feen-Kopf so vorgeht...und dass der Text definitiv auch Leser:innen abschrecken kann, war mir auch klar. 

Ich finde nun mal das Hässliche mindestens so spannend wie das Schöne. Als kleines Kind habe ich bei meiner Oma immer in ihren schönen Kunst-Bildbänden blättern dürfen. Da haben mich die Altarbilder mit Darstellungen des Satans und auch Hieronymus Boschs Bildwelten auch immer schon magisch angezogen... 😉

 

Danke für dein Dich-Einlassen auf meinen Text und die positive Rückmeldung!

 

Lieber Gruß,

fee

 

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Bosch! Ganz grosses Kopfkino! Kein Wunder, dass Dich das sehr beeindruckt hat.

Es sind ja im Grunde auch die grossen Themen, die uns bewegen, in der bildenden Kunst genauso wie in der Dichtung. Auch, wenn es manchmal auf den ersten Blick nicht so scheinen mag.

Ich habe eine Frage. Ich möchte Dich (Euch) gerne auf eine Lyrik-Seite aufmerksam machen (gesprochene Gedichte von Fritz Stavenhagen). Vielleicht kennst Du die ja auch schon. Aber ich weiss nicht, ob ich den Link zu der Seite hier als Tipp eingeben kann. Wäre das ok, oder werde ich dann "abgestraft" ? 😉 

Die Seite besteht seit zwanzig Jahren und ist sehr umfangreich. Vielleicht kannst Du mir hier Auskunft geben? Im Voraus Dank.

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