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Was unerwartet plötzlich Vorgekramtes


Empfohlene Beiträge

 

 

fortgeschrittene Erinnerung an ein Land

 

 

 

unsere Geschichte hieß                                        VORANSCHREITEN

 

froh optimistisch siegessicher                            VORANSCHREITEN

 

in der engen Straße

 

zwischen den farblos grauen Fassaden             VORANSCHREITEN

 

um einiger Balkonblumen willen sich Glück

 

vortäuschen lassend wie Kinderlachen

 

schritt ich voran im Sog der Anderen

 

die zufrieden ihre neu gequaderten

Wohnungen wussten

die Räume mit der Durchreiche

damit

die Frau von der Küche aus zufrieden

den Mann beim Fernsehen in Sicherheit sah

den Mann der immer mal ein Bier wollte

den Mann der so zufrieden war wenn

dieses oder jenes Dynamo gewann

den Mann der durch die Durchreiche

die Frau zufrieden beobachten konnte

die Frau die abends Gurkenfächer schnitt

und das selbstgemachte Schmalz duften ließ

das Schmalz das Heimat verhieß

und wohlig satt werden ließ

was wiederum FRIEDEN verhieß

und was uns dankbar sein ließ

der Partei die FORTSCHRITT verhieß

und wir schritten fort

in der engen Straße

mit den Blumen

und Fahnen

und verordneten Losungen

vom Kampf auf, auf!

der Arbeitsplatz

die Bahn verpasst

das Kind schrie doch die ganze Nacht

da platzt dir doch der Kopf

da platzt dir doch der Kragen

da wirst du auch mal laut

 

- - - - - - - - -

 

Geht schon wieder Kollegen

wir müssen weiter

froh optimistisch siegessicher                                           VORANSCHREITEN!

auch wenn die Straße enger wird

das Grau grauer                                                                     VORANSCHREITEN!

bis -

bis -

bis -

 

„Was ist denn los da vorne, Kollegen?“

„Eine Mauer, Kollege!“

 

Zögern.

Das Abendlicht ist längst hinter den Fassaden verschwunden.

Einigen fröstelt.

Einige drängeln.

Ein paar wollen nach Hause.

Ein paar betasten ungläubig die Mauer.

Ein Spaßvogel sagt laut aus dem Fenster: „Na dann, voran!“

 

 

 

 

 

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vor 9 Minuten schrieb Wannovius:

Eine Abrechnung mit der SED

 

Hallo Stephan,

da protestierte es gleich in mir: "A-a-a-a-neeeee! Das würde ich mir nicht anmaßen."

 

Nein, ganz im Ernst: Ich dachte mehr an unsere gesamte Schafherde, die wir so darstellten. Waren ja nicht alle SED. Aber fast alle haben fast alles mitgemacht, als wären sie Parteigänger.

Aber eine Abrechnung, womit auch immer, traue ich mir (noch?) nicht zu. Das hier ist trotz der Länge nur ein Gedichtchen zu der Zeit, ein paar Erinnerungsschnipsel, kaleidoskophaft gestückelt, verfremdet, ... Eine Spielerei.

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