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Das letzte Licht des Tages geht

sehr hastig durch das längst verlassene Haus.

Vorbei an einem welken Asternstrauss

über das kalte Mündchen einer toten Maus.

Bricht durch das halb geleerte Glas,

das jemand stehen gelassen hat 

 

Vielleicht

war er einmal

in Eile.

 

Derweil schläft alles hier in Weile:

Die Uhr, die ihren Schlag verloren hat;

das zierlich leichte Notenblatt,

das auf dem Nachttischchen verfiel. 

Die letzte nie zu End geführte Zeile.

 

Vielleicht vergaß man ob dem Spiel,

dem dunkelblauen Sang der Klarinette,

sie einfach aufzuschreiben.

Vielleicht gar hätte - was immer  in die Pause fiel-

schon etwas mitgebracht von dieser Weile

und aus dem schwarzen Rauch der Zigarette stiege der

 

Sensenmann.

 

Vielleicht wurden sie alle bang 

und spielten weiter um ihr blankes Leben.
Vielleicht begann die Luft um sie zu beben

und in dem melancholischen Gesang der Klarinette

kündigte sich etwas Dunkles an, das,

wenn es nur noch einmal etwas Stille hätte,

sie alle eingefangen hätte,

und machte dieses alte Haus zu einer Todesstätte.

Vielleicht klammerten sich alle an den Klang.

 

Vielleicht war er die letzte Zeile,

die nicht mehr aufgeschrieben werden kann.

 

Dort bei den Tannen steht ein alter Mann,

die Klarinette in der Hand,

und schaut mich

schweigend an.

 

 

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vor 9 Stunden schrieb Cornelius:

Guten Abend Dio,

 

für den "dunkelblauen Sang der Klarinette" muss ich dir einfach mein synästhetisches Herz schenken. Und für das ganze Gedicht. Superb!

 

Gruß

Cornelius


Vielen Dank lieber Cornelius für das synästhetische herz. Es bekommt einen besonderen Platz in der breiten Brust des Waldes 😉

 

mes compliments 

 

dio

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Sei gegrüßt Mr.D!

 

Eine gefühlsgeladene Bilderwelt die du hier mit Worten zauberst, in deinem Stil, den ich blind wiedererkennen würde!

Frag bitte nicht wie das gehen soll, ich weiß es auch nicht, aber ich denke du weißt was ich meine. 

 

Dann fange ich mal an: 

 

vor 23 Stunden schrieb Dionysos von Enno:

Das letzte Licht des Tages geht

sehr hastig durch das längst verlassene Haus.

Vorbei an einem welken Asternstrauss

über das kalte Mündchen einer toten Maus.

Bilder die perfekt miteinander harmonieren. Der Leser schwebt wie ein Geist durch den Raum in dieser Szene. Und sie erzeugen eine Stimmung. Leicht melancholisch. 

 

vor 23 Stunden schrieb Dionysos von Enno:

Bricht durch das halb geleerte Glas,

das jemand stehen gelassen hat 

 

Vielleicht

war er einmal

in Eile.

Eine schöne Idee mit dem halb geleerten Glas. 

Aber erlaube mir hier einen Kritikpunkt: Ich bin kein Fan von Wörtern wie "vielleicht". Solche Wörter schwächen den lyrischen Inhalt eines Textes. Ob man will oder nicht, lenkt das "vielleicht" vom Thema zum Autor hin ab, und erweckt den Eindruck er sei sich unsicher in seiner eigenen Geschichte. Wie wäre es mit einer Frage stattdessen: 

"...war er in eile?", nur ein nichtiger Vorschlag meinerseits. 

 

vor 23 Stunden schrieb Dionysos von Enno:

Derweil schläft alles hier in Weile:

Die Uhr, die ihren Schlag verloren hat;

das zierlich leichte Notenblatt,

das auf dem Nachttischchen verfiel. 

Die letzte nie zu End geführte Zeile.

Traurige Szenen, so schön poetisch erzählt, dass es Freude macht sie zu lesen und sie sich auszumalen. Ich genieße diese traurige Stimmung. 

 

vor 23 Stunden schrieb Dionysos von Enno:

Vielleicht vergaß man ob dem Spiel,

dem dunkelblauen Sang der Klarinette,

sie einfach aufzuschreiben.

Vielleicht gar hätte - was immer  in die Pause fiel-

schon etwas mitgebracht von dieser Weile

und aus dem schwarzen Rauch der Zigarette stieg der Sensenmann

Zähl mal wie viele "vielleicht´s" du im ganzen Text hast... für mich sind das vielleicht zu viele. 😁

Nein, ganz sicher zu viele. 

Aber dennoch fließen deine Gedankengänge. Farbreich und lebendig. 

 

vor 23 Stunden schrieb Dionysos von Enno:

Vielleicht wurden sie alle bang 

und spielten weiter um ihr blankes Leben.
Vielleicht begann die Luft um sie zu beben

und in dem melancholischen Gesang der Klarinette

kündigte sich etwas Dunkles an, das,

wenn es nur noch einmal etwas Stille hätte,

sie alle eingefangen hätte,

und machte dieses alte Haus zu einer Todesstätte.

Vielleicht klammerten sich alle an den Klang.

 

Wow! Ich bin geflasht von diesem Abschnitt. Auch die Kontraste der Szenen und Bilder passen widerspruchslos. Das mit der Todesstätte gefällt mir am besten.

 

vor 23 Stunden schrieb Dionysos von Enno:

Vielleicht war er die letzte Zeile,

die nicht mehr aufgeschrieben werden kann.

 

Dort bei den Tannen steht ein alter Mann,

die Klarinette in der Hand,

und schaut mich

schweigend an.

Und zum Schluss wird das ganze noch mit einer Hammer-Pointe getoppt! Nochmal wow! 

 

Für mich wieder eines deiner besten Werke, lieber Dio. 

Aber VIELLEICHT auch mit echten Schönheitsfehlern. Es könnte eine kleine Korrektur vertragen. Alles was Zweifel auslöst und alle Unsicherheiten streichen. Der Text würde mir mehr gefallen, wenn alles ohne ein "wer weiß" dastehen würde. Einfach die Beschreibungen wie die Dinge sind. Das nur als Anregung. 

 

Fazit: Geil! Mehr davon! Haben will! 😛

 

LG JC

 

 

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vor 11 Stunden schrieb Joshua Coan:

Ich bin kein Fan von Wörtern wie "vielleicht". Solche Wörter schwächen den lyrischen Inhalt eines Textes. Ob man will oder nicht, lenkt das "vielleicht" vom Thema zum Autor hin ab, und erweckt den Eindruck er sei sich unsicher in seiner eigenen Geschichte.


Lieber Josh vielen Dank für deine detailreiche, nuancierte und sehr zugewandte Kritik die das Werk von deinem Standpunkt wunderbar nachvollziehbar ausleuchtet. 
 

Anders als du glaube ich aber dass die Unsicherheiten hier wesentlich konstitutiv sind für den Rapport. Es muss für mich der Text eine gewisse Form von überhitzter Paranoia in sehr kurzer Zeit und hoch verdichtet transportieren. Die Temperatur muss schnell anziehen damit es funktioniert. Ob das mit dem monotonen „vielleicht“ gut gelungen ist, ist sicher Ansichtssache. Für mich transportiert es eine gewisse Wahnhaftigkeit und Hektik die der Gefährlichkeit der Pause und Stille gegenüberzustellen war.

 

 Das aber nur am Rande. Es ist wunderbar einen detaillierten und differenzierten am Text orientierten Blick auf den eigenen Text durch fremde Augen zu bekommen. 

 

merci ! 
 

mes compliments

 

dio

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